Medialist 7.97: Vorerst kein SAT2

Martin Recke (mr94@prenzlnet.in-berlin.de)
7 Feb 1997 10:15:42 GMT

Medialist 7.97: Vorerst kein SAT2
Hgg. von Martin Recke


Doetz: Künftig Medienpolitik im Programm thematisieren -- SAT2-Pläne
vorerst zurückgestellt

SAT1-Geschäftsführer Jürgen Doetz hat gefordert, künftig
medienpolitische Themen in den Programmen der kommerziellen
Fernsehsender zu thematisieren.  Informationssendungen von SAT1 sollen
demnach dazu eingesetzt werden, die Medienpolitik besser als bisher zu
erreichen.  Dies erklärte Doetz vor Journalisten am 4.  Februar in
Berlin.  Der öffentlich-rechtliche Rundfunk erlebe derzeit eine
"Renaissance" in der Medienpolitik, so eine Einschätzung des
SAT1-Chefs.

Die Pläne für ein zweites Programm aus seinem Haus sind nach seinen
Angaben voerst zurückgestellt.  Für einen neuen, unter dem
Arbeitstitel SAT2 diskutierten Kanal gebe es zur Zeit keine
Verbreitungsmöglichkeiten, meinte Doetz.  Die Kabelnetze wie die
analogen Astra-Satelliten seien auf absehbare Zeit voll belegt; die
Telekom werde zudem nicht in eine Erweiterung des analogen
Kabelbereichs investieren.  

Bis 2008 habe sein Haus den Vertrag mit der SES über einen analogen
Astra-Kanal für SAT1 verlängert, für die Zeit danach erwarte SAT1, daß
sich die digitale Verbreitung durchgesetzt habe, so Doetz.  Insgesamt
sind nach seinen Angaben derzeit 95 Prozent aller Haushalte in der
Lage, seinen Sender zu empfangen.  Die terrestrischen Frequenzen
trügen zur technischen Reichweite des Senders noch immer 12 Prozent
bei.  

Nicht zuletzt aus diesem Grund stelle er die Regionalprogramme heute
nicht mehr in Frage, sagte der SAT1-Chef.  Nach dem neuen
Rundfunkstaatsvertrag können Regionalfenster auch auf die
Fensterverpflichtungen angerechnet werden, wenn damit mehr als fünfzig
Prozent der bundesweiten Fernsehhaushalte erreicht werden.  SAT1 will
für ein Berlin-Brandenburger Regionalfenster, das auch via Satellit
verbreitet werden soll, eine neue Lizenz bei der Medienanstalt
Berlin-Brandenburg (MABB) beantragen.

Aus Berlin wird derzeit das "Hauptstadtmagazin" ausgestrahlt.  Die
Sendung soll künftig wieder eher regionalen Charakter tragen.  Die
Lizenz für die terrestrische Frequenz in Berlin sieht seit 1994 keine
Verpflichtung für ein Regionalprogramm mehr vor.  Seit Januar 1996
hatte SAT1 das "Hauptstadtmagazin" anstelle der bis dahin getrennten
Sendungen "Regionalreport Berlin/Brandenburg" (via Antenne) und
"Regionalreport Deutschland" (via Satellit) ausgestrahlt.

Noch im August hatte Doetz die Verluste aus "Zwangsfenstern" auf 100
Millionen Mark beziffert und diesen Preis als zu hoch für
terrestrische Frequenzen bezeichnet, die damals noch 15 Prozent der
Gesamtreichweite ergaben.  Die Regionalprogramme sollen nun nach
seinen Vorstellungen zu "regionalen Dienstleistungszentren" ausgebaut
und zu einer neuen Finanzierungsquelle für das Programm gemacht
werden.

Bis zum Jahresende will Doetz den Sender komplett nach Berlin
verlagern.  Im vergangenen Sommer hatte Programmgeschäftsführer Fred
Kogel noch den Sommer 1998 als Umzugstermin genannt.  (mr)


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Radio Paradiso startet am 12. Februar -- Format entspricht anderen
Privatradios

Mit rund zehnwöchiger Verspätung wird am 12. Februar der
christlich-kommerzielle Sender Radio Paradiso sein Programm starten.
Mit einem "populären und christlich ausgerichteten" Radioprogramm will
Radio Paradiso im Berliner Radiomarkt "Menschen fischen", hieß es in
der Einladung zu einem Gottesdienst, mit dem die Station am 11.
Februar den Sendestart feiern will.  Stil und Format von Radio
Paradiso entsprechen dem eines normalen Privatsenders, erklärte
Programmdirektor Rainer Thun am 6. Februar auf Anfrage.

In der Woche zwischen 6 und 18 Uhr soll es demnach überwiegend Musik
und wenig Wortbeiträge geben.  Mit Blick auf den nordeutschen
Kommerzsender Radio Schleswig-Holstein beschreibt Thun, der auch
Direktor des Evangelischen Presseverbands Nord in Kiel ist, das
Programm als ein "Kirchen-R.SH".  Abends plant Thun "monothematische
Schwerpunkte", am Wochenende soll es Spezialstrecken wie ein
Kulturjournal oder Sendungen für Kinder geben.  Die Musikfarbe
orientiert sich am vorher auf der Frequenz 98,2 MHz ausgestrahlten
Soft Hit Radio und enthält "sanfte Songs" und ruhige Popmusik.  

Mit zehn festen Redakteursstellen und einer Reihe von freien
Mitarbeitern wird die Station den Betrieb aufnehmen.  Daneben greift
Radio Paradiso nach Angaben Thuns auf die Radio-Infrastruktur im
Bereich der evangelischen Kirche in Deutschland zurück, darunter auf
Zulieferungen des Evangelischen Rundfunkdienstes Nord aus Kiel und
Hamburg.  Inzwischen sind mehr als zwanzig Gesellschafter aus dem
kirchlichen Raum an der Paradiso-Trägerschaft beteiligt, darunter auch
der evangelischen Kirche nahestehende Unternehmen wie die Versicherung
HUK Coburg.  Den ursprünglich geplanten Sendestart am 1. Dezember des
vergangenen Jahres hatte die Station nach technischen und
organisatorischen Schwierigkeiten verschieben müssen.

Innerhalb der Evangelischen Kirche hatte das Paradiso-Projekt heftige
Kontroversen ausgelöst.
"Wichtiger als die innerkirchliche Unterstützung" ist Programmdirektor
Thun die Frage, ob das Programm "beim Publikum ankommt".  In drei bis
vier Jahren will er mit Radio Paradiso in die "schwarzen Zahlen"
kommen.  Das Ergebnis einer MABB-Studie, der zufolge der Berliner
Radiomarkt noch nicht ausgereizt ist (Medialist 6.96), bezeichnete
Thun als "interessant".  Radio Paradiso will sich aus Werbeeinnahmen,
Sponsoring und Mitteln seiner Gesellschafter finanzieren.
Vereinsmitglieder eines "Freundeskreises Radio Paradiso" sollen die
Möglichkeit haben, sich an der Träger-GmbH zu beteiligen.  (mr)


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Berlin: Verwaltungsgericht nimmt NBC aus dem Kabel -- Räumliche
Teilung der Kabelkanäle ist rechtswidrig -- MABB kündigt Beschwerde an

Im Berliner Kabelnetz wird NBC demnächst nicht mehr zu sehen sein.
Die von der Medienanstalt Berlin-Brandenburg (MABB) beschlossene
räumliche Teilung des Sonderkanals 19 erklärte das Verwaltungsgericht
Berlin im Eilverfahren am 3. Februar für rechtswidrig.  Der Medienrat
hatte im Oktober festgelegt, daß in den Stadtteilen, in denen sich der
Anteil türkischsprachiger Einwohner konzentriert, TRT International
auf dem SK 19 bleiben soll.  Im Rest der Stadt sollte NBC zu sehen
sein, wogegen TRT klagt.

Das Verwaltungsgericht beschloß nun, daß auch in den Bereichen des
Kabelnetzes, in denen der türkische Bevölkerungsanteil unter fünf
Prozent liegt, das TRT-Programm eingespeist werden muß.  Das Gericht
habe damit "erstmals" selbst eine bestimmte Kanalbelegung festgelegt,
betonte die MABB in einer Presseerklärung vom 4. Februar.  Die 27.
Kammer des Gerichts stufte NBC anders als die MABB als Spartenprogramm
und damit nachrangig gegenüber dem Vollprogramm von TRT ein.

Die ebenfalls rechtswidrige räumliche Teilung kann nach Auffassung des
Gerichts nicht aus dem Medienstaatsvertrag Berlin-Brandenburg
abgeleitet werden.  Das Vertragswerk sieht nur zeitliche oder
turnusmäßige Kanalteilungen ausdrücklich vor.  Das Berliner Kabelnetz
muß, obwohl es aus verschiedenen Bereichen besteht, nach Ansicht des
Gerichts als Einheit betrachtet werden.

Die "Fünf-Prozent-Klausel", die der Medienrat seiner Entscheidung
zugrunde gelegt hatte, bezeichnete das Gericht in seiner Begründung
als "rechtlich bedenklich, jedenfalls aber beurteilungsfehlerhaft",
unter anderem weil die technische Aufteilung des Kabelnetzes nicht
entlang der Bezirksgrenzen möglich ist, auf die sich die von der MABB
zugrundegelegte Bevölkerungsstatistik bezieht.

Die Medienanstalt schätzt, daß durch die Neubelegung nun etwa 12.000
türkische Staatsbürger mehr mit TRT-INT erreicht werden als zuvor.
Dazu kämen weitere türkischsprachige Berliner.  Insgesamt betreffe die
Belegungsänderung etwa 850.000 Kabelhaushalte.  Der Medienrat habe das
Interesse am Empfang des "einzigen englischsprachigen Programms mit
Unterhaltung" höher bewertet, hieß es in der Presseerklärung.  Zudem
gebe es mit TD1 bereits ein flächendeckend zu sehendes
türkischsprachiges Vollprogramm.

Die Medienanstalt will Beschwerde gegen den Beschluß einlegen.  Eine
Entscheidung in der Hauptsache ist bis Ende dieses Jahres nicht zu
erwarten.  Am 31. Dezember endet wie in jedem Jahr die vom Medienrat
beschlossene Kabelbelegung.  Längerfristige Belegungsentscheidungen
hält die MABB nicht für praxisgerecht, erklärte MABB-Sprecherin
Susanne Grams am 4. Februar auf Anfrage.  (mr)


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