Medialist 1.97: Geld und gute Worte

Martin Recke (mr94@prenzlnet.in-berlin.de)
10 Jan 1997 11:51:55 GMT

Medialist 1.97: Geld und gute Worte
Hgg. von Martin Recke


Debatte um Multikulti-Finanzierung und MABB-Überschüsse hält an --
Lojewski: Gebührenanteil der Medienanstalt reduzieren -- Hege: Keine
Programmfinanzierung aus MABB-Mitteln

Eine Gesetzesänderung hat SFB-Chef Günther von Lojewski gefordert, um
die Finanzierung des Ausländerradios SFB 4 Multikulti zu sichern.  Der
Anteil der Medienanstalt Berlin-Brandenburg (MABB) an der Rundfunkgebühr
solle so von zwei auf ein Prozent reduziert werden, forderte der
Intendant am 9. Januar vor dem Medienausschuß des Berliner
Abgeordnetenhauses.  MABB-Direktor Hans Hege plädierte demgegenüber
dafür, das Programm nach der Projektphase als "reguläres Programm der
öffentlich-rechtlichen Grundversorgung" fortzuführen.

Hege wies darauf hin, daß das Programm vom SFB auch bei der KEF als
Bestandteil der Grundversorgung angemeldet und von ihr anerkannt worden
sei, wenn auch die Berliner Anstalt die entsprechende Summe nicht beim
ARD-internen Finanzausgleich habe durchsetzen können.  Die KEF rechne
auch Abführungen der Landesmedienanstalten auf die Bedarfsvolumina an,
so der MABB-Chef.  Es wäre ein "Eigentor" für den SFB, wenn er vorab ein
Prozent des MABB-Gebührenanteils erhalten würde.  Insofern schneide sich
die Anstalt "ins eigene Fleisch", wenn sie auf einer Dauerfinanzierung
durch die MABB beharre.

SFB-Intendant Lojewski bezeichnete die Finanzierung des Programms
unverändert als "gefährdet" (Medialist 7.96, 8.96 und 9.96).  Eine
"Mischfinanzierung" auch aus Überschüssen der MABB sei auch durch den
Medienstaatsvertrag mit Brandenburg und das Berliner Zustimmungsgesetz
vorgesehen.  Nachdem die MABB im September mitgeteilt habe, daß für 1995
ein Überschuß von 4,3 Millionen Mark festgestellt worden sei, habe er
"nach Treu und Glauben" den daraus errechneten SFB-Anteil von 2,6 Mio.
in den Haushaltsplan 1997 eingestellt.  

MABB-Chef Hege hielt demgegenüber daran fest, daß aus einer solchen
Mitteilung keine Rückzahlungserwartungen abzuleiten seien.  Die MABB
habe in keinem Jahr ihre Überschüsse "einfach abgeführt", so Hege.  Nach
Gesetzeslage entscheide der Medienrat über die Verwendung der
MABB-Überschüsse.  Der SFB habe nicht die Verwendung der
Rundfunkgebühren zu überprüfen.  Hege wies Darstellungen des SFB-Chefs
zurück, er habe im Herbst dem SFB gegenüber Zusagen über Rückflüsse in
voller Höhe des Überschusses gegeben.

Nach Gesetzeslage gibt es inzwischen vier mögliche Verwendungszwecke für
die überschüssigen MABB-Mittel:  Neben der Rundfunkorchester und Chöre
GmbH (ROC), für deren Finanzierung die MABB rund 1,2 Millionen Mark pro
Jahr als Rückfluß an den SFB beisteuert, und einem Hörfunkprogramm
"für die ausländische Bevölkerung", das im Zustimmungsgesetz genannt
wird, können die Gelder auch für die Förderung einer digitalen
Infrastruktur und für Film- und Fernsehförderung eingesetzt werden.

Insgesamt verblieben der MABB nach Finanzierung ihrer Kernaufgaben mit
rund fünf Millionen Mark in den vergangenen Jahren meist etwa fünfzig
Prozent ihrer Mittel für diese Zwecke, so Hege.  Gut 1,6 Millionen davon
sind durch die Finanzierungszusage für die ROC in Höhe von mindestens
einer Million Mark bereits gebunden;  die MABB kehrt 60 Prozent der
nicht in Anspruch genommenen Mittel an den SFB aus, 40 Prozent gehen an
den ORB, der die Gelder zur Filmförderung ausgibt.  MABB-Direktor Hege
sieht hier insofern Konflikte, als "Haushaltsentscheidungen immer über
Prioritäten entscheiden".

Hege verteidigte die Entscheidung des Medienrats, rund fünf Millionen
Mark für den Aufbau einer digitalen Infrastruktur zurückzustellen.  In
München und Hamburg gebe es bereits digitale Sendezentren, in
Nordrhein-Westfalen das Projekt "Infocity NRW".  Die Region
Berlin-Brandenburg sei insofern benachteiligt.  Es gehe um Angebote aus
der Region, darunter vor allem von SFB und ORB, so Hege.  Hege
bestätigte, daß die Gebührenerhöhung für das laufende Jahr noch nicht im
MABB-Haushalt berücksichtigt sei.  Die Finanzierung der KEK berge jedoch
noch Finanzrisiken:  Die Ermittlung der Marktanteile könne die fünfzehn
Landesmedienanstalten bis zu 30 Millionen Mark kosten.

SFB-Chef Lojewski kritisierte, daß die Rückzahlungen der MABB in den
vergangenen Jahren stets erst Ende Dezember eintrafen und damit für die
Haushaltsplanung des folgenden Jahres nicht mehr berücksichtigt werden
könnten.  Die Zahlen würden belegen, daß die Medienanstalt ihre Aufgaben
auch mit einem Prozent des Gebührenaufkommens erfüllen könne.  Lojewski
forderte nun eine gesetzliche Verpflichtung für die MABB, ein Prozent
ihres Gebührenanteils an den SFB abzuführen.  Der Medienausschuß will
über die Forderung beraten.  (mr)


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Bangemann: Konvergenz erzwingt einheitliche Regelungen für Rundfunk und
Telekommunikation -- "Kein einzelnes Land darf bestehende Rechtsordnung
noch verschärfen"

EU-Kommissar Martin Bangemann hat gefordert, die "traditionelle
Einteilung" von Rundfunk- und Telekommunikationsregeln zu überprüfen.
Angesichts der Konvergenz durch die digitale Technik würden diese
Grenzen aus technischen wie wirtschaftlichen Gründen "im wesentlichen
zusammenbrechen", erklärte Bangemann am 9.  Januar vor Journalisten in
Potsdam-Babelsberg.  Dort hatte eine Beratergruppe zur
Informationsgesellschaft getagt, zu der 30 Vertreter
europäischer Unternehmen aus dem Medien- und Multimediabereich gehören.

Künftig muß es nach Vorstellungen dieser Gruppe auch möglich sein, daß
Netzbetreiber Inhalte anbieten.  Für diese Art Wettbewerb seien die
meisten EU-Länder derzeit nicht gerüstet, so Bangemann:  "Sektorale
Regeln bringen uns in Teufels Küche".  Die Beratergruppe habe sich zur
Aufgabe gemacht, die Umsetzung der Liberalisierungspläne im Bereich
Telekommunikation zu überprüfen.  Obwohl zum 1. Januar 1998 alle
verbleibenden Monopole fallen sollen, seien die entsprechenden
EU-Vorschriften bislang in vielen EU-Ländern nicht vollständig
umgesetzt.

Bertelsmann-Vorstand Thomas Middelhoff, der zur Beratergruppe gehört,
hob hervor, daß auch die laufenden Gesetzgebungsvorhaben von Bund und
Ländern diskutiert worden seien, ein "Multimediagesetz" des Bundes und
einen Mediendienste-Staatsvertrag der Länder zu schaffen.  Kein
einzelnes Land dürfe seine bestehende Rechtsordnung noch verschärfen,
forderte Bangemann.  Auch wenn die EU im Bereich der Kulturpolitik etwas
zurückhaltender sei, so gebe es doch Überlegungen, verbindliche Regeln
aufzustellen, falls dies nötig werde.

Zum in Babelsberg diskutierten Elf-Punkte-Programm der
Bangemann-Beratergruppe zählt auch, den elektronischen Kommerz zu
fördern, angesichts der Konvergenz von Medien und Telekommunikation alle
Regeln zu überprüfen und Regelungen für Fusionen zwischen Anbietern
elektronischer Dienste, dem audiovisuellen Sektor und der Werbung zu
entwickeln.  (mr)


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