Medialist 9.96: Verankern. Versprechen. Vernetzen.

Martin Recke (mr94@prenzlnet.in-berlin.de)
12 Dec 1996 22:54:14 GMT

Medialist 9.96: Verankern. Versprechen. Vernetzen.
Hgg. von Martin Recke


        Das Berlin-Brandenburger Medienrecht erlaubt mehr, als manch
        einer denkt.  Nichtkommerzielle Radios, vielsprachige
        Minderheitenprogramme, digitale Sendezentren  -- alles ist
        möglich, und vieles auch mit dem Geld der Medienanstalt
        Berlin-Brandenburg.  Dauerhaft jedoch will die MABB nicht als
        Programmfinanzier auftreten, hat Medienrats-Chef Ernst Benda
        jetzt noch einmal klargestellt.  

        Der SFB, der auf MABB-Geldern für SFB 4 Multikulti beharrt,
        schaut hier wohl in die Röhre.  Und das nicht zu Unrecht:  In
        einem Etat von fast 440 Millionen, wie er am Montag
        verabschiedet wurde (Zahlen folgen demnächst), sollte eigentlich
        die eine oder andere Million für Multikulti zu finden sein.

        Der Konkurrent aus Potsdam stellt derweil seine Zahlungen für
        die Ausländerprogramme der ARD ein.  Die übrigens auch auf SFB 4
        Multikulti laufen, nachmittags und abends.


Kaehne: Nichtkommerzielle Radios in Berlin-Brandenburg zulassungsfaehig
-- Vorreiter "Radio Paradiso"

In einer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der medienpolitischen
Sprecherin der Fraktion Buendnis 90/Die Gruenen, Alice Stroever,
erklaerte der Chef der Berliner Senatskanzlei, Volker Kaehne, dass
grundsaetzlich nichtkommerzielle Radios in Berlin und Brandenburg eine
Sendelizenz bekommen koennten. Kaehne nannte das kirchliche "Radio
Paradiso", das voraussichtlich im Februar 1997 seinen Sendebetrieb
aufnehmen wird, als Musterfall fuer die Moeglichkeit nach Abschnitt 5
des Medienstaatsvertrages Berlin-Brandenburg.

Auch sei grundsaetzlich gemaess den einschlaegigen Vereinbarungen des
Rundfunkstaatsvertrages vom 13. Oktober 1995 eine Foerderung der
technischen Infrastruktur moeglich. "Diese indirekte Foerderung koennte
auch nichtkommerziellen Veranstaltern zugute kommen." Darueber
hinausgehenden Handlungsbedarf, etwa nach dem Muster Niedersachsens oder
Hessens, nichtkommerzielle Radioveranstalter in Berlin und Brandenburg,
speziell gesetzlich und finanziell zu foerdern, schloss Kaehne dagegen
mit einem kurzen und kategorischen Nein aus.

Auch Verhandlungen mit Brandenburg, mit dem Ziel im Medienstaatsvertrag
beider Laender entsprechende Regelungen zu verankern, haelt der Berliner
Senat - so Kaehne - nicht fuer noetig. "Fuer Berlin hat der Gesetzgeber
entschieden, dass dem Anliegen durch die Foerderung offener Kanaele im
wesentlichen Rechnung getragen wird. In Brandenburg wird in der
Foerderung nichtkommerzieller Anbieter eine dort nicht fuer sinnvoll
gehaltene Konkurrenz zu den erfolgreichen Lokalstationen gesehen",
heisst es dazu in der Antwort der Senatskanzlei an die
Gruenen-Abgeordnete.

Hintergrund der Anfrage war unter anderem, dass es inzwischen eine Reihe
von Radioinitiativen in verschiedenen Berliner Bezirken gibt. Neben
einem Offenen Kanal im Fernsehen gibt es auch einen OK fuer Hoerfunk.
Dieser wird jedoch nur im Kabel, nicht aber terrestrisch verbreitet. Der
Hoerfunk-OK war juengst in die Schlagzeilen geraten, weil dort
Rechtsradikale regelmaessig Sendungen verbreitet hatten. Allerdings
konnte die zustaendige Medienanstalt Berlin-Brandenburg (MABB) die so
verbreiteten Sendungen inhaltlich nicht beanstanden. (boff)


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Rosenbauer:  Digitales ARD-Sendezentrum nach Potsdam  --
"ARD-Versprechen einlösen"  --  Verhandlungen über analogen Astra-Kanal

Der ORB will das geplante digitale Sendezentrum der ARD
in Potsdam angesiedelt sehen.  Der Sender erwarte, daß das "Versprechen
von Magdeburg" eingelöst werde, demzufolge die nächste
ARD-Gemeinschaftseinrichtung nach Potsdam vergeben werden soll.  Diese
Zusage sei nach der ARD-Entscheidung vom Sommer gegeben worden, als der
Kinderkanal von ARD und ZDF in Erfurt angesiedelt wurde, erklärte
ORB-Intendant Hansjürgen Rosenbauer am 10. Dezember vor Journalisten in
Potsdam-Babelsberg.

Die Bemühungen der Medienanstalt Berlin-Brandenburg, ein digitales
Sendezentrum in der Region zu schaffen (Medialist 7.96), treffen sich nach
Ansicht Rosenbauers mit den Bemühungen der ARD, gegen das "sich bildende
Monopol zu steuern".  Dies sei im Interesse nicht nur der
öffentlich-rechtlichen Anstalten, sondern auch der privat-kommerziellen
Veranstalter.  

Ein Digital-Sendezentrum in Babelsberg käme der Gesamtregion zugute und
sei auch von Vorteil für die Einspeisung der Dritten Programme.  Der
ehemalige ORB-Fernsehdirektor Michael Albrecht soll als ARD-Beauftragter
für digitales Fernsehen das ARD-Konzept "Vernetzen statt Versparten"
umsetzen.  Sein direkt dem ARD-Programmchef Günther Struve zugeordnetes
Büro werde vom ORB finanziert.

Wenn ein mit MABB-Mitteln gefördertes Sendezentrum in Babelsberg
angesiedelt würde, dann sei dies nur ein "fairer Ausgleich" für die
Finanzierung des Offenen Kanals (OK) im Berliner Kabelnetz, der nach
Angaben Rosenbauers jährlich mit 1,8 Millionen Mark aus dem Etat der
Medienanstalt gefördert wird.  Der OK würde so letztlich auch aus
Gebührenmitteln der Brandenburger finanziert, die ihn nicht sehen
können.

Rosenbauer billigte die MABB-Entscheidung, Teile des Jahresüberschusses
1995 für ein Digital-Sendezentrum zurückzustellen (Medialist 7.96).  Der
ORB sei dazu bereit, das bisher aus MABB-Rückzahlungen finanzierte
SFB-Radioprogramm Multikulti wieder mit Programmzulieferungen zu
unterstützen, sagte Rosenbauer.  Die Weltmusiksendung "Al Globe" war
nach dem Sendestart für einige Monate parallel auf SFB 4 Multikulti
verbreitet worden.

ORB und MDR werden nach Angaben Rosenbauers die ARD-Ausländerprogramme
künftig nicht mehr mitfinanzieren.  Die Sendungen seien in ihren
Sendegebieten nicht zu hören.  Bereits vor fünf Jahren habe er angeregt,
ein polnisches Programm einzurichten.  Heute sei auch ein russisches
Angebot denkbar.  Der ORB-Chef beklagte die "Unbeweglichkeit" der ARD,
die diese Pläne nicht aufgenommen habe.  Sein Sender spart dadurch
jährlich 270.000 Mark.


ORB bemüht sich wieder um analogen Astra-Kanal

Noch in diesem Jahr will der ORB wieder Gespräche mit der SES aufnehmen,
die das Satellitensystem Astra betreibt.  Nachdem der Hessische Rundfunk
inzwischen einen analogen Astra-Kanal erhalten hat, gibt es Rosenbauer
zufolge auch für den ORB die Chance, einen Kanal zu bekommen.  Noch im
Oktober hatte Rosenbauer die Pläne für eine analoge
Satellitenausstrahlung als gescheitert angesehen.

Der ORB-Chef schätzt, daß etwa zwanzig Prozent aller Brandenburger
Haushalte das ORB-Fernsehen mangels terrestrischer Fernsehantenne nicht
mehr empfangen können.   Der analoge Kanal könnte nach Einschätzung des
Senders Ende 1997 zur Verfügung stehen; mit einer digitalen Ausstrahlung
wird für den Sommer 1997 gerechnet.


Neue ORB-Direktoren im Amt

Mit Hannelore Steer und Volker von der Heydt ist die neue
ORB-Direktorenriege seit dem 1. Dezember komplett.  Werner B. Thiele
hatte schon zum 1. April die Verwaltungsdirektion von Lutz Marmor
übernommen, der zum NDR wechselte.  Die neue Hörfunkchefin Hannelore
Steer kündigte an, die Gespräche mit dem SFB über drei neue gemeinsame
Hörfunkprogramme möglichst noch im Dezember abzuschließen.  SFB und ORB
verhandeln seit diesem Herbst über weitreichende Kooperationspläne für
eine "Hochkulturwelle", ein "alternatives Kulturprogramm mit
schillernder Musikfarbe" und einen "Klassikkanal".

Der neue Fernsehdirektor Volker von der Heydt, der Michael Albrecht
abgelöst hat, stellte das neue Programmschema vor, das ab 4. Januar
gilt.  Ziel sei es, das Profil durch "Konzentration und klare Konturen"
zu schärfen.  Das Programm soll "nicht als Nostalgiesender" wahrgenommen
werden, so ORB-Chef Rosenbauer.  Nach ORB-Erhebungen erwarteten 88
Prozent der Zuschauer, daß das Programm Ost und West zusammenführen
soll.

Die Gebührenerhöhung zum 1. Januar verschafft dem ORB nach Angaben
seines Verwaltungsdirektors Werner B. Thiele Mehreinnahmen in Höhe von
26 Millionen Mark.  Aufgrund der anhaltenden Wanderungsbewegung aus
Berlin ins Brandenburger Land erwartet er einen jährlichen Zuwachs von
zwei Prozent, was zwei Millionen Mark entspreche.  Knapp 290 Millionen
Mark Erträge kalkuliert der ORB für 1997 ein.

Die Gebührenerhöhung entspreche nicht der bei der KEF angemeldeten
Bedarfssumme, so Thiele.  Das Programm könne nur aufgrund der in den
letzten Jahren aufgebauten Reserven ohne Einschnitte fortgesetzt werden.
Geplant sei, die Gebührenperiode bereits mit einem Defizit zu beginnen
und insgesamt 65 Millionen Mark aus dem Eigenkapital in den kommenden
fünf Jahren einzusetzen.  Das Eigenkapital betrage in diesem Jahr etwa
258 Mio. Mark und würde entsprechend abgeschmolzen, erklärte Thiele.

Einsparungen erwartet Thiele durch ARD-weite Rationalisierungsmaßnahmen
wie die Umstrukturierung der Gebühreneinzugszentrale (GEZ).  Ab Januar
wird der ORB ans ARD-weite "corporate network" angeschlossen, mit dem
erhebliche Telefongebühren gespart werden können.  Mit dem NDR laufen
derzeit Verhandlungen über den Beitritt zum gemeinsamen Rechenzentrum
(IVZ) von ORB, SFB und MDR in Berlin.  Geprüft werden derzeit Pläne,
auch die Radiowelle Antenne Brandenburg auf dem Babelsberger
Mediengelände anzusiedeln.  Sie ist bis heute in der Potsdamer
Puschkinallee untergebracht.
(mr)


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Benda: Keine dauerhafte MABB-Finanzierung für Multikulti -- Kritik an
Lojewski-Äußerungen

Der SFB kann nicht mit einer dauerhaften Finanzierung seines
Minderheitenprogramms SFB 4 Multikulti rechnen.  Dies stellte der
Vorsitzende des MABB-Medienrats Ernst Benda in einem Offenen Brief an
den SFB-Intendanten Günther von Lojewski klar, der vom 11. Dezember
datiert.  Benda forderte Lojewski zu einer Klarstellung auf und bat ihn
mitzuteilen, ob er tatsächlich dem Rundfunkrat erklärt habe, daß er noch
im September eine Zusage der MABB über rückfließende Mittel in Höhe von
2,6 Millionen Mark erhalten habe.

Eine solche Zusage hat es Benda zufolge nicht gegeben.  Die
Medienanstalt Berlin-Brandenburg habe dem SFB im September vielmehr
"entgegenkommenderweise" das Ergebnis des Haushaltsjahres 1995
mitgeteilt.  Über die Verwendung sei erst am 29. November entschieden
worden (Medialist 7.96).  Der Medienrat hatte Ende November beschlossen,
fünf Millionen Mark aus dem Überschuß für den Aufbau eines digitalen
Sendezentrums zurückzustellen.

Der SFB gehe offenbar davon aus, daß im MABB-Haushalt Mittel für Radio
Multikulti eingestellt seien, die nun einer anderen Verwendung zugeführt
würden, so Benda.  Die Finanzierung von Rundfunkprogrammen gehöre jedoch
nicht zu den Aufgaben der Medienanstalt.  Gegenüber dem SFB sei von
Anfang an darauf hingewiesen worden, daß es keine Aussicht auf eine
dauerhafte Finanzierung für Multikulti gebe.  Benda verwies auf
Schreiben des MABB-Chefs Hans Hege aus den Jahren 1993 und 1995.  Im
November 1995 habe Hege daran erinnert, daß aus der MABB-Beteiligung an
einer "Anschubfinanzierung" nicht auf dauerhafte Finanzierung
geschlossen werden könne.

Für den Medienrat liegt es nach Bendas Worten nahe, ein Programm wie
Multikulti aus dem allgemeinen Rundfunkgebührenaufkommen zu bezahlen,
das "auch ausländische Mitbürger in beträchtlichem Umfang aufbringen".
Auch am 2. Dezember habe Hege betont, daß der Medienrat eine
Gebührenfinanzierung befürwortet.  Schon aus haushaltrechtlichen Gründen
sei es der Medienanstalt nicht möglich, dauerhaft Beträge bestimmter
Höhe für die Programmfinanzierung in ihren Haushalt einzustellen.  Die
für ein "anspruchsvolles Programm" wie Multikulti unerläßliche
Planungssicherheit könne nicht auf Abführungen der Medienanstalt
gegründet werden.

Die Schaffung eines digitalen Sendezentrums für Berlin-Brandenburg komme
insbesondere den beiden öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten zugute,
betonte Benda.  SFB und ORB seien ohne ein Sendezentrum nicht in der
Lage, bei der Gestaltung digitaler Fernsehangebote mitzuwirken.  "Das
Feld würde vollständig den überregional agierenden privaten Anbietern
überlassen."  MABB-Direktor Hege habe daher vorgeschlagen, beim Aufbau
eines digitalen Sendezentrums die enge Zusammenarbeit zwischen den
Rundfunkanstalten und der MABB fortzusetzen.  (mr)


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