Medialist 9.96: Verankern. Versprechen. Vernetzen. Hgg. von Martin Recke Das Berlin-Brandenburger Medienrecht erlaubt mehr, als manch einer denkt. Nichtkommerzielle Radios, vielsprachige Minderheitenprogramme, digitale Sendezentren -- alles ist möglich, und vieles auch mit dem Geld der Medienanstalt Berlin-Brandenburg. Dauerhaft jedoch will die MABB nicht als Programmfinanzier auftreten, hat Medienrats-Chef Ernst Benda jetzt noch einmal klargestellt. Der SFB, der auf MABB-Geldern für SFB 4 Multikulti beharrt, schaut hier wohl in die Röhre. Und das nicht zu Unrecht: In einem Etat von fast 440 Millionen, wie er am Montag verabschiedet wurde (Zahlen folgen demnächst), sollte eigentlich die eine oder andere Million für Multikulti zu finden sein. Der Konkurrent aus Potsdam stellt derweil seine Zahlungen für die Ausländerprogramme der ARD ein. Die übrigens auch auf SFB 4 Multikulti laufen, nachmittags und abends. Kaehne: Nichtkommerzielle Radios in Berlin-Brandenburg zulassungsfaehig -- Vorreiter "Radio Paradiso" In einer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der medienpolitischen Sprecherin der Fraktion Buendnis 90/Die Gruenen, Alice Stroever, erklaerte der Chef der Berliner Senatskanzlei, Volker Kaehne, dass grundsaetzlich nichtkommerzielle Radios in Berlin und Brandenburg eine Sendelizenz bekommen koennten. Kaehne nannte das kirchliche "Radio Paradiso", das voraussichtlich im Februar 1997 seinen Sendebetrieb aufnehmen wird, als Musterfall fuer die Moeglichkeit nach Abschnitt 5 des Medienstaatsvertrages Berlin-Brandenburg. Auch sei grundsaetzlich gemaess den einschlaegigen Vereinbarungen des Rundfunkstaatsvertrages vom 13. Oktober 1995 eine Foerderung der technischen Infrastruktur moeglich. "Diese indirekte Foerderung koennte auch nichtkommerziellen Veranstaltern zugute kommen." Darueber hinausgehenden Handlungsbedarf, etwa nach dem Muster Niedersachsens oder Hessens, nichtkommerzielle Radioveranstalter in Berlin und Brandenburg, speziell gesetzlich und finanziell zu foerdern, schloss Kaehne dagegen mit einem kurzen und kategorischen Nein aus. Auch Verhandlungen mit Brandenburg, mit dem Ziel im Medienstaatsvertrag beider Laender entsprechende Regelungen zu verankern, haelt der Berliner Senat - so Kaehne - nicht fuer noetig. "Fuer Berlin hat der Gesetzgeber entschieden, dass dem Anliegen durch die Foerderung offener Kanaele im wesentlichen Rechnung getragen wird. In Brandenburg wird in der Foerderung nichtkommerzieller Anbieter eine dort nicht fuer sinnvoll gehaltene Konkurrenz zu den erfolgreichen Lokalstationen gesehen", heisst es dazu in der Antwort der Senatskanzlei an die Gruenen-Abgeordnete. Hintergrund der Anfrage war unter anderem, dass es inzwischen eine Reihe von Radioinitiativen in verschiedenen Berliner Bezirken gibt. Neben einem Offenen Kanal im Fernsehen gibt es auch einen OK fuer Hoerfunk. Dieser wird jedoch nur im Kabel, nicht aber terrestrisch verbreitet. Der Hoerfunk-OK war juengst in die Schlagzeilen geraten, weil dort Rechtsradikale regelmaessig Sendungen verbreitet hatten. Allerdings konnte die zustaendige Medienanstalt Berlin-Brandenburg (MABB) die so verbreiteten Sendungen inhaltlich nicht beanstanden. (boff) --------------------- Rosenbauer: Digitales ARD-Sendezentrum nach Potsdam -- "ARD-Versprechen einlösen" -- Verhandlungen über analogen Astra-Kanal Der ORB will das geplante digitale Sendezentrum der ARD in Potsdam angesiedelt sehen. Der Sender erwarte, daß das "Versprechen von Magdeburg" eingelöst werde, demzufolge die nächste ARD-Gemeinschaftseinrichtung nach Potsdam vergeben werden soll. Diese Zusage sei nach der ARD-Entscheidung vom Sommer gegeben worden, als der Kinderkanal von ARD und ZDF in Erfurt angesiedelt wurde, erklärte ORB-Intendant Hansjürgen Rosenbauer am 10. Dezember vor Journalisten in Potsdam-Babelsberg. Die Bemühungen der Medienanstalt Berlin-Brandenburg, ein digitales Sendezentrum in der Region zu schaffen (Medialist 7.96), treffen sich nach Ansicht Rosenbauers mit den Bemühungen der ARD, gegen das "sich bildende Monopol zu steuern". Dies sei im Interesse nicht nur der öffentlich-rechtlichen Anstalten, sondern auch der privat-kommerziellen Veranstalter. Ein Digital-Sendezentrum in Babelsberg käme der Gesamtregion zugute und sei auch von Vorteil für die Einspeisung der Dritten Programme. Der ehemalige ORB-Fernsehdirektor Michael Albrecht soll als ARD-Beauftragter für digitales Fernsehen das ARD-Konzept "Vernetzen statt Versparten" umsetzen. Sein direkt dem ARD-Programmchef Günther Struve zugeordnetes Büro werde vom ORB finanziert. Wenn ein mit MABB-Mitteln gefördertes Sendezentrum in Babelsberg angesiedelt würde, dann sei dies nur ein "fairer Ausgleich" für die Finanzierung des Offenen Kanals (OK) im Berliner Kabelnetz, der nach Angaben Rosenbauers jährlich mit 1,8 Millionen Mark aus dem Etat der Medienanstalt gefördert wird. Der OK würde so letztlich auch aus Gebührenmitteln der Brandenburger finanziert, die ihn nicht sehen können. Rosenbauer billigte die MABB-Entscheidung, Teile des Jahresüberschusses 1995 für ein Digital-Sendezentrum zurückzustellen (Medialist 7.96). Der ORB sei dazu bereit, das bisher aus MABB-Rückzahlungen finanzierte SFB-Radioprogramm Multikulti wieder mit Programmzulieferungen zu unterstützen, sagte Rosenbauer. Die Weltmusiksendung "Al Globe" war nach dem Sendestart für einige Monate parallel auf SFB 4 Multikulti verbreitet worden. ORB und MDR werden nach Angaben Rosenbauers die ARD-Ausländerprogramme künftig nicht mehr mitfinanzieren. Die Sendungen seien in ihren Sendegebieten nicht zu hören. Bereits vor fünf Jahren habe er angeregt, ein polnisches Programm einzurichten. Heute sei auch ein russisches Angebot denkbar. Der ORB-Chef beklagte die "Unbeweglichkeit" der ARD, die diese Pläne nicht aufgenommen habe. Sein Sender spart dadurch jährlich 270.000 Mark. ORB bemüht sich wieder um analogen Astra-Kanal Noch in diesem Jahr will der ORB wieder Gespräche mit der SES aufnehmen, die das Satellitensystem Astra betreibt. Nachdem der Hessische Rundfunk inzwischen einen analogen Astra-Kanal erhalten hat, gibt es Rosenbauer zufolge auch für den ORB die Chance, einen Kanal zu bekommen. Noch im Oktober hatte Rosenbauer die Pläne für eine analoge Satellitenausstrahlung als gescheitert angesehen. Der ORB-Chef schätzt, daß etwa zwanzig Prozent aller Brandenburger Haushalte das ORB-Fernsehen mangels terrestrischer Fernsehantenne nicht mehr empfangen können. Der analoge Kanal könnte nach Einschätzung des Senders Ende 1997 zur Verfügung stehen; mit einer digitalen Ausstrahlung wird für den Sommer 1997 gerechnet. Neue ORB-Direktoren im Amt Mit Hannelore Steer und Volker von der Heydt ist die neue ORB-Direktorenriege seit dem 1. Dezember komplett. Werner B. Thiele hatte schon zum 1. April die Verwaltungsdirektion von Lutz Marmor übernommen, der zum NDR wechselte. Die neue Hörfunkchefin Hannelore Steer kündigte an, die Gespräche mit dem SFB über drei neue gemeinsame Hörfunkprogramme möglichst noch im Dezember abzuschließen. SFB und ORB verhandeln seit diesem Herbst über weitreichende Kooperationspläne für eine "Hochkulturwelle", ein "alternatives Kulturprogramm mit schillernder Musikfarbe" und einen "Klassikkanal". Der neue Fernsehdirektor Volker von der Heydt, der Michael Albrecht abgelöst hat, stellte das neue Programmschema vor, das ab 4. Januar gilt. Ziel sei es, das Profil durch "Konzentration und klare Konturen" zu schärfen. Das Programm soll "nicht als Nostalgiesender" wahrgenommen werden, so ORB-Chef Rosenbauer. Nach ORB-Erhebungen erwarteten 88 Prozent der Zuschauer, daß das Programm Ost und West zusammenführen soll. Die Gebührenerhöhung zum 1. Januar verschafft dem ORB nach Angaben seines Verwaltungsdirektors Werner B. Thiele Mehreinnahmen in Höhe von 26 Millionen Mark. Aufgrund der anhaltenden Wanderungsbewegung aus Berlin ins Brandenburger Land erwartet er einen jährlichen Zuwachs von zwei Prozent, was zwei Millionen Mark entspreche. Knapp 290 Millionen Mark Erträge kalkuliert der ORB für 1997 ein. Die Gebührenerhöhung entspreche nicht der bei der KEF angemeldeten Bedarfssumme, so Thiele. Das Programm könne nur aufgrund der in den letzten Jahren aufgebauten Reserven ohne Einschnitte fortgesetzt werden. Geplant sei, die Gebührenperiode bereits mit einem Defizit zu beginnen und insgesamt 65 Millionen Mark aus dem Eigenkapital in den kommenden fünf Jahren einzusetzen. Das Eigenkapital betrage in diesem Jahr etwa 258 Mio. Mark und würde entsprechend abgeschmolzen, erklärte Thiele. Einsparungen erwartet Thiele durch ARD-weite Rationalisierungsmaßnahmen wie die Umstrukturierung der Gebühreneinzugszentrale (GEZ). Ab Januar wird der ORB ans ARD-weite "corporate network" angeschlossen, mit dem erhebliche Telefongebühren gespart werden können. Mit dem NDR laufen derzeit Verhandlungen über den Beitritt zum gemeinsamen Rechenzentrum (IVZ) von ORB, SFB und MDR in Berlin. Geprüft werden derzeit Pläne, auch die Radiowelle Antenne Brandenburg auf dem Babelsberger Mediengelände anzusiedeln. Sie ist bis heute in der Potsdamer Puschkinallee untergebracht. (mr) --------------------- Benda: Keine dauerhafte MABB-Finanzierung für Multikulti -- Kritik an Lojewski-Äußerungen Der SFB kann nicht mit einer dauerhaften Finanzierung seines Minderheitenprogramms SFB 4 Multikulti rechnen. Dies stellte der Vorsitzende des MABB-Medienrats Ernst Benda in einem Offenen Brief an den SFB-Intendanten Günther von Lojewski klar, der vom 11. Dezember datiert. Benda forderte Lojewski zu einer Klarstellung auf und bat ihn mitzuteilen, ob er tatsächlich dem Rundfunkrat erklärt habe, daß er noch im September eine Zusage der MABB über rückfließende Mittel in Höhe von 2,6 Millionen Mark erhalten habe. Eine solche Zusage hat es Benda zufolge nicht gegeben. Die Medienanstalt Berlin-Brandenburg habe dem SFB im September vielmehr "entgegenkommenderweise" das Ergebnis des Haushaltsjahres 1995 mitgeteilt. Über die Verwendung sei erst am 29. November entschieden worden (Medialist 7.96). Der Medienrat hatte Ende November beschlossen, fünf Millionen Mark aus dem Überschuß für den Aufbau eines digitalen Sendezentrums zurückzustellen. Der SFB gehe offenbar davon aus, daß im MABB-Haushalt Mittel für Radio Multikulti eingestellt seien, die nun einer anderen Verwendung zugeführt würden, so Benda. Die Finanzierung von Rundfunkprogrammen gehöre jedoch nicht zu den Aufgaben der Medienanstalt. Gegenüber dem SFB sei von Anfang an darauf hingewiesen worden, daß es keine Aussicht auf eine dauerhafte Finanzierung für Multikulti gebe. Benda verwies auf Schreiben des MABB-Chefs Hans Hege aus den Jahren 1993 und 1995. Im November 1995 habe Hege daran erinnert, daß aus der MABB-Beteiligung an einer "Anschubfinanzierung" nicht auf dauerhafte Finanzierung geschlossen werden könne. Für den Medienrat liegt es nach Bendas Worten nahe, ein Programm wie Multikulti aus dem allgemeinen Rundfunkgebührenaufkommen zu bezahlen, das "auch ausländische Mitbürger in beträchtlichem Umfang aufbringen". Auch am 2. Dezember habe Hege betont, daß der Medienrat eine Gebührenfinanzierung befürwortet. Schon aus haushaltrechtlichen Gründen sei es der Medienanstalt nicht möglich, dauerhaft Beträge bestimmter Höhe für die Programmfinanzierung in ihren Haushalt einzustellen. Die für ein "anspruchsvolles Programm" wie Multikulti unerläßliche Planungssicherheit könne nicht auf Abführungen der Medienanstalt gegründet werden. Die Schaffung eines digitalen Sendezentrums für Berlin-Brandenburg komme insbesondere den beiden öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten zugute, betonte Benda. SFB und ORB seien ohne ein Sendezentrum nicht in der Lage, bei der Gestaltung digitaler Fernsehangebote mitzuwirken. "Das Feld würde vollständig den überregional agierenden privaten Anbietern überlassen." MABB-Direktor Hege habe daher vorgeschlagen, beim Aufbau eines digitalen Sendezentrums die enge Zusammenarbeit zwischen den Rundfunkanstalten und der MABB fortzusetzen. (mr) -- The Medialist distributes various news about media topics. It's in German. Die Medienliste verbreitet diverse Medienmeldungen mit dem Schwerpunkt Berlin. Sie erscheint in den Newsgroups de.soc.medien, bln.medien und prenzlnet.medien sowie auf http://userpage.fu-berlin.de/~mr94/medialist/. 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