Medialist 7.96: Multikulti und Mammon

Martin Recke (mr94@prenzlnet.in-berlin.de)
6 Dec 1996 11:46:01 GMT

Medialist 7.96:  Multikulti und Mammon
Hgg. von Martin Recke


MABB bildet Rücklagen für digitales Sendezentrum -- Zwei Mio.  Mark aus
1995 an SFB und ORB -- SFB 4 Multikulti künftig nicht mehr aus
MABB-Mitteln finanziert  -- Auswahlentscheidung für türkisches Radio

Der MABB-Medienrat hat am 29. November beschlossen, rund fünf Millionen
Mark für die Beteiligung an einem regionalen Digital-Sendezentrum
zurückzustellen.  Diese Mittel stammen aus dem Überschuß des Jahres
1995, bestätigte MABB-Justitiarin Ingeborg Ludwig am 6. Dezember auf
Anfrage.  An die beiden öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten
fließen außerdem insgesamt etwa zwei Millionen Mark zurück, die nach dem
Gebührenschlüssel aufgeteilt werden.  Der SFB erhält wie geplant ca. 1,2
Mio. Mark, der ORB bekommt rund 0,8 Millionen.

Der SFB erhält diese Mittel für die Mitfinanzierung der
Rundfunkorchester und Chöre GmbH (ROC).  Für das vielsprachige Programm
SFB 4 Multikulti, bislang ebenfalls teilweise aus MABB-Mitteln
finanziert, hat die MABB keine Mittel mehr vorgesehen.  Der Medienrat
sei der Auffassung, dieses Programm sei Bestandteil der Grundversorgung
und müßte aus Rundfunkgebühren finanziert werden, so Ingeborg Ludwig.
Der Multikulti-Etat wird derzeit auch aus Mitteln des Bundesministeriums
für Arbeit und Soziales bestritten.

Die MABB führt zur Zeit Fachgespräche mit den beiden
öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und mit den Kabelnetzbetreibern
sowie der EMG, die ein digitales Sendezentrum für Berlin aufbaut.
SFB-Fernsehdirektor Horst Schättle bemüht sich zur Zeit darum, einen der
drei von der ARD geplanten Digital-Kanäle in Berlin anzusiedeln.  Der
bisherige ORB-Fernsehdirektor Michael Albrecht wird neuer
ARD-Koordinator für das Digitalfernsehen.

Es könnte sinnvoll sein, so Ludwig, das regionale Sendezentrum an diese
Pläne "anzudocken", zumal SFB und ORB ohnehin eine Lösung für ihre
regionalen Digitalfernseh-Pläne brauchen.  Die MABB wolle dafür Mittel
bereithalten, obwohl sie es im Prinzip vorziehe, an diesen Investitionen
nicht beteiligt zu sein.


SFB:  Finanzierung von Multikulti fraglich

Der SFB hat in seiner Finanzplanung für das Jahr 1997 derzeit 2,6
Millionen Mark aus MABB-Zuwendungen vorgesehen und will davon 1,3 Mio.
für die ROC verwenden.  SFB-Intendant Günther von Lojewksi hatte bislang
die Fortführung von SFB 4 Multikulti davon abhängig gemacht, daß die
bisherige Mischfinanzierung fortgesetzt wird.  Der SFB-Programmausschuß
wollte sich am 6. Dezember mit dieser Frage befassen.  Am 5. Dezember
war die Frage Thema der aktuellen Viertelstunde im Medienausschuß des
Berliner Abgeordnetenhauses.

Der SFB ist der Auffassung, daß der Medienrat mit seiner
Finanzentscheidung nicht konform zum Medienstaatsvertrag
Berlin-Brandenburg gehe.  Dies erklärte SFB-Sprecher Thomas Strätling am
6. Dezember auf epd-Anfrage.  Der Medienstaatsvertrag sehe Rücklagen nur
vor, "soweit dies für die stetige Erfüllung ihrer Aufgaben notwendig
sei."  Der Sender kritisiere vor allem das Verhältnis zwischen der Summe
der Rücklagen und der an die beiden Anstalten zurückfließenden Mittel.

MABB-Justitiarin verwies auf epd-Anfrage hingegen auf das Ende 1995
beschlossene Berliner Zustimmungsgesetz zur zweiten
Rundfunkstaatsvertragsnovelle, in dem der MABB ausdrücklich zur Aufgabe
gemacht wurde, Projekte neuer Verbreitungstechnik zu fördern.  Der SFB
würde auch auf diese Weise von den MABB-Mitteln profitieren, so Ludwig.

Das SFB-Radio Multikulti muß seit dem Start mit einem sehr knappen Etat
auskommen.  Die Welle hat so gut wie keine festen Stellen und leidet an
chronischem Personalmangel.  Die überwiegende Zahl der Verträge gilt
senderintern als "problematisch", Redakteure und selbst der Musikchef
sind als freie Mitarbeiter beschäftigt.  Nur durch das hohe Engagement
der Mitarbeiter sei der Sendebetrieb aufrechtzuerhalten, bisherige
Zusagen der Geschäftsleitung seien nicht eingehalten worden, heißt es.

Obwohl die Welle sowohl intern als auch nach außen ein gutes "Image"
genießt, gibt es noch immer keine Bestands- und Entwicklungsgarantie vom
Sender Freies Berlin.  Wellenchef Friedrich Voß hat inzwischen
angedroht, ab Januar nicht mehr zur Verfügung zu stehen, wenn bis dahin
nicht bereits gemachte Zusagen der Geschäftsleitung eingelöst würden.

MABB-Justitiarin Ingeborg Ludwig vermutet, daß SFB-Chef Lojewski
versuche, der Medienanstalt den "schwarzen Peter" zuzuschieben.   Die
MABB habe jedoch von Anfang an klargemacht, daß sie nur für die
Startphase Mittel zur Verfügung stellen wolle.


MABB: Türkisches Radio ausgewählt

Der Medienrat beschloß am 29. November außerdem, die Markaria
Handelsgesellschaft für ein türkischsprachiges Radioprogramm auf der
Frequenz 94,8 MHz auszuwählen.  80 Prozent davon hält nach MABB-Angaben
die türkische Rumeli-Holding, zu je zehn Prozent sind Herbert F.
Schnaudt (zwischenzeitlich Geschäftsführer von Spreeradio) und
Heinz-Werner Ehlgen aus Frankfurt als Gesellschafter beteiligt.  

Deren Einfluß soll dadurch sichergestellt werden, daß zentrale
Entscheidungen im Gesellschafterkreis mit 90 Prozent der Stimmen
getroffen werden müssen.  Bis zu dieser Entscheidung war auch noch
"Radio Istanbul" mit Beteiligung von Georg Bogner, Harald Albrecht und
Zafer Ilgar in der Auswahl.  Insgesamt hatten sich vier Gruppen um
dieses Programm beworben (Kifu 36/96).  (mr)


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