Medialist 6.96: Märkte und Klagen Hgg. von Martin Recke Der öffentlich-rechtliche Ereignis- und Dokumenationskanal schlägt knapp vier Monate vor dem geplanten Start erneut Wellen: n-tv will nun vor die Karlsruher Verfassungsrichter bringen, was Ministerpräsidenten und Anstaltsintendanten verabredet haben. Klagen gegen Phoenix -- weil jemand Konkurrenz auf seinem ureigensten Markt fürchtet? n-tv präsentiert sich inzwischen als "Nachrichten- und Wirtschaftssender", nach dem Einstieg der Verlagsgruppe Holtzbrinck (Handelsblatt) eine Folge von "Synergien" -- und der konsequenten Markterschließung. Apropos Markt: Auf dem Berliner Hörfunkmarkt, so voll wie sonst keiner, ist offenbar doch noch Platz -- glaubt man der Studie, die im Auftrag der örtlichen Medienanstalt entstand. Geld fließt hier jedenfalls in hinreichenden Mengen. n-tv will gegen Phoenix klagen -- Programmstruktur "erkennbar die eines Nachrichtenprogramms" -- "Gebührenfinanzierung von Spartenkanälen verfassungswidrig" Der Nachrichtensender n-tv will gemeinsam mit anderen Spartensendern juristisch gegen den Ereignis- und Dokumentationskanal Phoenix vorgehen. Mit dem geplanten Kanal setzten sich ARD und ZDF "über die gesetzlich vorgegebenen Rahmen hinweg", erklärte n-tv-Chef Karl-Ulrich Kuhlo am 29. November vor Journalisten in Berlin. Kuhlo kündigte Verfassungsbeschwerden gegen die Novelle des Rundfunkstaatsvertrages und die Zustimmungsgesetze der Länder an. Der Nachrichtenkanal wird in dieser Sache vom Münchner Juraprofessor Matthias Schwarz vertreten. Vor dem Verfassungsgericht will n-tv auch gegen Ländergesetze vorgehen, mit denen der neue Rundfunkstaatsvertrag umgesetzt werden wird. Sofern diese Gesetze vorsehen sollten, daß Phoenix bevorzugt in die Kabelnetze einzuspeisen ist, soll Beschwerde eingelegt werden. Der in Berlin ansässige Spartensender ist der Auffassung, daß die Gebührenfinanzierung eines öffentlich-rechtlichen Spartenkanals außerhalb der Grundversorgung verfassungswidrig ist. Öffentlich-rechtliche Spartenkanäle seien nur verfassungskonform, wenn die Programminhalte wegen fehlender Wirtschaftlichkeit nicht angeboten werden könnten. Dies sei für den Bereich der Nachrichtensender nicht der Fall. Kuhlo kritisierte, daß die Programmstruktur von Phoenix "für jeder erkennbar der eines Nachrichten- und eines Informationsprogrammes" entspreche, ähnlich CNN und n-tv. Der n-tv-Geschäftsführer beruft sich dabei auf eine epd-Meldung vom 26. Oktober, in der es unter der Überschrift "Phoenix soll deutlichen Nachrichtenwert bekommen" hieß, das Programm solle nach den Nachrichten "erst in der zweiten Programmlinie Dokumentationen verbreiten". Zudem habe sich BR-Intendant Albert Scharf, der derzeit der ARD vorsitzt, einen öffentlich-rechtlichen Nachrichtenkanal prinzipiell vorbehalten. Den Programmplanern von ARD und ZDF warf Kuhlo vor, daß sie es mit Phoenix auf n-tv abgesehen hätten. Es sei "ungeheuerlich", daß die Intendanten nun einen Nachrichtenkanal ins Leben riefen, obwohl dies in einer Protokollnotiz zum neuen Rundfunkstaatsvertrag ausdrücklich ausgeschlossen worden sei. Dort sei auch festgelegt, daß es zwei öffentlich-rechtliche Spartenprogramme geben soll. Dennoch planten ARD und ZDF bereits jetzt weitere Spartenprogramme, die digital verbreitet werden sollen. Kuhlo zitierte aus einem Zwischenbericht der ARD-Arbeitsgruppe "Digitales Fernsehen": "Hier gelten regelmäßig verminderte Zulassungsanforderungen ... Da diese Pilotprojekte jedoch 'sanft' in den Regelbetrieb übergehen sollen, bedürfte es nunmehr eines riskanten rechtlichen Angriffs von dritter Seite, um die Angebote der ARD wieder zu entfernen." Er erhob den Vorwurf, daß damit "rechtswidrige Fakten" geschaffen werden sollten, und kündigte an, diese "Angriffe auf geltendes Medienrecht" nicht zuzulassen. Medienjurist Matthias Schwarz, der den Nachrichtensender vertritt, will auch prüfen, ob gegen Kanalbelegungsentscheidungen der Landesmedienanstalten zugunsten von Phoenix verwaltungsrechtlich vorgegangen werden könne. Er führte zudem kartellrechtliche Bedenken gegen die "weitreichende Konzentration" des öffentlich-rechtlichen Rundfunks an, die von technischer Kooperation und gemeinsamem Programmerwerb bis zu ARTE und 3sat reiche und durch die gemeinsamen Spartenkanäle Phoenix und Kinderkanal noch verschärft werde. Da die von der KEF und dem Gebührenstaatsvertrag bewilligten Mittel für Phoenix nicht ausreichten, komme es zudem zu einer Subventionierung durch ARD und ZDF und damit zur Wettbewerbsverzerrung. n-tv will auch das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb und das Beihilferecht der Europäischen Gemeinschaft prüfen und ggf. heranziehen. Die Finanzierung der Spartenkanäle durch die erhöhte Rundfunkgebühr sei europarechtlich unzulässig. Diesen Standpunkt will der Sender in Kürze der Europäischen Kommission vortragen. (mr) --------------------- MABB-Studie: Noch Chancen für weitere Sender in Berlin-Brandenburg -- "Echter Wettbewerb könnte erst noch einsetzen" Eine überwiegende Zahl von Medienexperten in Berlin-Brandenburg sieht noch Chancen für weitere Hörfunksender in der Region. Dies ist eines der Ergebnisse einer Studie, die Axel Zerdick und Klaus Goldhammer (FU Berlin) im Auftrag der MABB herstellten. Ein "echter Wettbewerb" auf dem am dichtesten besetzten Radiomarkt Deutschlands könnte demnach "erst noch einsetzen", folgern die Autoren. Die Medienanstalt Berlin-Brandenburg veröffentlichte am 28. November eine Kurzfassung der Untersuchung. Die werbetragenden Sender einschließlich der beiden öffentlich-rechtlichen Anstalten SFB und ORB erwarten der Studie zufolge für das Jahr 2000 eine Umsatzrendite von 15 Prozent. Die Gewinnmargen der bereits etablierten Stationen erscheinen noch immer "äußerst attraktiv". Dagegen hat sich die mit Verlusten verbundene Anlaufphase für die neustartenden Sender in den letzten Jahren verlängert: Die bis 1992 gestarteten Sender waren nach 30 Monaten in der Lage, ihre Kosten durch Werbeeinnahmen zu decken, während die Stationen, die ihren Betrieb 1995 aufnahmen, mit einer Anlaufzeit von durchschnittlich 44 Monaten rechnen. Die jährlichen Kosten pro Programm betragen im Durchschnitt 7,68 Millionen Mark, für Personalkosten werden 38 Prozent, für Werbung und Promotion 15 Prozent, für Rechte (wie GEMA) 10 Prozent aufgewandt. Das Gesamtvolumen des regionalen Hörfunkwerbemarkts schätzt die Studie für das Jahr 2001 auf rund 206 Millionen Mark (brutto), gegenüber 168,75 Mio. (geschätzt) im laufenden Jahr. In diesem Jahr dürfte der Werbemarkt demnach erstmals seit Jahren schrumpfen. Die Einnahmen für 1995 beziffert die Untersuchung auf 182,97 Mio. (1994: 174,74 Mio.). 1991 lag die Summe noch bei 70 Millionen Mark. Mit 52 Prozent stammt gut die Hälfte der Werbeeinnahmen von nationalen Werbetreibenden, der Rest kommt aus der Region. Die Fremdvermarkter (Werbekombis) trugen 1995 59 Prozent dazu bei; es wird erwartet, daß dieser Anteil bis zum Jahr 2000 auf 64 Prozent steigt. Die Mindesteinschaltquote ist hingegen deutlich gesunken: Lag sie Anfang der neunziger Jahre noch bei 100.000 Hörern, genügen inzwischen 43.000 Hörer pro Durchschnittstunde, um in den nationalen Werbebudgets berücksichtigt zu werden, regional lassen sich Werbezeiten bereits mit 16.000 Hörern verkaufen. Von 1991 bis 1996 war die Zahl der Hörfunksender in der Region von 18 auf 25 angestiegen, die Zahl der werbetragenden Programme erhöhte sich dabei von 5 auf 18, während die Zahl der werbefreien Programme von 13 auf 7 zurückging. Der Hörfunkmarkt hat sich nach dem Urteil der Experten stark differenziert: Heute werden Programmformate für höchst unterschiedliche Zielgruppen und Ansprüche angeboten, von Urban Dance und Klassik bis zum Nachrichtenradio und Weltmusik-Sender. Zerdick und Goldhammer führen dies auf die Lizenzierungspraxis der MABB und den "marktimmanenten Konkurrenzdruck" zurück. In ihrem Fazit sehen Zerdick und Goldhammer den Berlin-Brandenburger Hörfunkmarkt in einer "relativ ausgewogenen Situation". Er sei zwar voll, aber "längst nicht übervoll". Steigende Werbeumsätze würden in den kommenden Jahren auch Spielraum für weitere Programme eröffnen, sofern die Telekom neue Frequenzen ausweise. Die Lizenzierungspraxis der Medienanstalt habe insofern tatsächlich Vielfalt gestaltet, da erst ein gewisser Konkurrenzdruck eine Diversifizierung des Angebots erzeugt habe. (mr) --------------------- n-tv steigert Umsatz um 25 Prozent -- Kuhlo: Nachrichtenkanal hat "seinen Markt gefunden" -- Mehr Wirtschaftssendungen Der Nachrichtenkanal n-tv erwartet in diesem Jahr mit etwa 145 Millionen Mark um 25 Prozent gegenüber dem Vorjahr gesteigerte Bruttowerbeumsätze. Diese Zahl nannte Wolfgang Fischer, der kaufmännische Geschäftsführer des Senders, am 29. November vor Journalisten in Berlin. Im ersten Jahr hätten die Bruttowerbeeinnahmen noch bei 52,5 Millionen gelegen, verglich Fischer, der für 1997 mit gut 170 Mio. Mark rechnet. Die Tagesreichweite von n-tv erreicht nach den Erwartungen der Station im November einen Wert von etwa 3 Millionen Zuschauern nach 2,74 Mio. im Vorjahreszeitraum und 2,43 Mio. im November 1994. Wichtig sei jedoch die Qualität der Zuschauer, so n-tv-Chef Karl-Ulrich Kuhlo. Sein Sender spreche insbesondere gehobene Zielgruppen an. Die Verweildauer sei in den ersten zehn Monaten auf 14,14 Minuten angestiegen, nachdem sie im gleichen Vorjahreszeitraum noch 12,42 Minuten betragen habe. Werbetreibende Unternehmen hätten in diesem Jahr deutlich stärker die gehobenen Zielgruppen abgefragt, so Kuhlo. Werbekunden wie die Telekom hätten bestätigt, daß sie bei keinem anderen Sender "eine so positive Resonanz" ihrer Werbekampagnen bekommen hätten. n-tv habe "ganz offensichtlich seinen Markt gefunden", meinte Kuhlo, der seine Station als "Nachrichten- und Wirtschaftssender" bezeichnete. Der Nachrichtensender kündigte an, die Wirtschaftssendung "Märkte am Morgen" von drei auf fünf Stunden zu verlängern. Sie wird künftig von sechs bis elf Uhr ausgestrahlt. Anfang 1997 soll ein Magazin mit dem Arbeitstitel "n-tv - Ihr Geld" starten, das sich mit Themen wie Vermögensbildung, Immobilien und Steuerfragen befassen soll. (mr) -- The Medialist distributes various news about media topics. It's in German. Die Medienliste verbreitet diverse Medienmeldungen mit dem Schwerpunkt Berlin. Sie erscheint in den Newsgroups de.soc.medien, bln.medien und prenzlnet.medien sowie auf http://userpage.fu-berlin.de/~mr94/medialist/. Die Liste ist moderiert. 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