Medialist 6.96: =?iso-8859-1?Q?M=E4rkte?= und Klagen

Martin Recke (mr94@prenzlnet.in-berlin.de)
2 Dec 1996 22:45:36 GMT

Medialist 6.96: Märkte und Klagen
Hgg. von Martin Recke


        Der öffentlich-rechtliche Ereignis- und Dokumenationskanal
        schlägt knapp vier Monate vor dem geplanten Start erneut Wellen:
        n-tv will nun vor die Karlsruher Verfassungsrichter bringen, was
        Ministerpräsidenten und Anstaltsintendanten verabredet haben.
        Klagen gegen Phoenix -- weil jemand Konkurrenz auf seinem
        ureigensten Markt fürchtet?

        n-tv präsentiert sich inzwischen als "Nachrichten- und
        Wirtschaftssender", nach dem Einstieg der Verlagsgruppe
        Holtzbrinck (Handelsblatt) eine Folge von "Synergien" -- und der
        konsequenten Markterschließung.

        Apropos Markt:  Auf dem Berliner Hörfunkmarkt, so voll wie sonst
        keiner, ist offenbar doch noch Platz -- glaubt man der Studie,
        die im Auftrag der örtlichen Medienanstalt entstand.  Geld
        fließt hier jedenfalls in hinreichenden Mengen.
        

n-tv will gegen Phoenix klagen -- Programmstruktur "erkennbar die eines
Nachrichtenprogramms" -- "Gebührenfinanzierung von Spartenkanälen
verfassungswidrig"

Der Nachrichtensender n-tv will gemeinsam mit anderen Spartensendern
juristisch gegen den Ereignis- und Dokumentationskanal Phoenix vorgehen.
Mit dem geplanten Kanal setzten sich ARD und ZDF "über die gesetzlich
vorgegebenen Rahmen hinweg", erklärte n-tv-Chef Karl-Ulrich Kuhlo am 29.
November vor Journalisten in Berlin.  Kuhlo kündigte
Verfassungsbeschwerden gegen die Novelle des Rundfunkstaatsvertrages und
die Zustimmungsgesetze der Länder an.  Der Nachrichtenkanal wird in
dieser Sache vom Münchner Juraprofessor Matthias Schwarz vertreten.

Vor dem Verfassungsgericht will n-tv auch gegen Ländergesetze vorgehen,
mit denen der neue Rundfunkstaatsvertrag umgesetzt werden wird.  Sofern
diese Gesetze vorsehen sollten, daß Phoenix bevorzugt in die Kabelnetze
einzuspeisen ist, soll Beschwerde eingelegt werden.  Der in Berlin
ansässige Spartensender ist der Auffassung, daß die Gebührenfinanzierung
eines öffentlich-rechtlichen Spartenkanals außerhalb der Grundversorgung
verfassungswidrig ist.  Öffentlich-rechtliche Spartenkanäle seien nur
verfassungskonform, wenn die Programminhalte wegen fehlender
Wirtschaftlichkeit nicht angeboten werden könnten.  Dies sei für den
Bereich der Nachrichtensender nicht der Fall.

Kuhlo kritisierte, daß die Programmstruktur von Phoenix "für jeder
erkennbar der eines Nachrichten- und eines Informationsprogrammes"
entspreche, ähnlich CNN und n-tv.  Der n-tv-Geschäftsführer beruft sich
dabei auf eine epd-Meldung vom 26. Oktober, in der es unter der
Überschrift "Phoenix soll deutlichen Nachrichtenwert bekommen" hieß, das
Programm solle nach den Nachrichten "erst in der zweiten Programmlinie
Dokumentationen verbreiten".  Zudem habe sich BR-Intendant Albert
Scharf, der derzeit der ARD vorsitzt, einen öffentlich-rechtlichen
Nachrichtenkanal prinzipiell vorbehalten.

Den Programmplanern von ARD und ZDF warf Kuhlo vor, daß sie es mit
Phoenix auf n-tv abgesehen hätten.  Es sei "ungeheuerlich", daß die
Intendanten nun einen Nachrichtenkanal ins Leben riefen, obwohl dies in
einer Protokollnotiz zum neuen Rundfunkstaatsvertrag ausdrücklich
ausgeschlossen worden sei.  Dort sei auch festgelegt, daß es zwei
öffentlich-rechtliche Spartenprogramme geben soll.  Dennoch planten ARD
und ZDF bereits jetzt weitere Spartenprogramme, die digital verbreitet
werden sollen.

Kuhlo zitierte aus einem Zwischenbericht der ARD-Arbeitsgruppe
"Digitales Fernsehen":  "Hier gelten regelmäßig verminderte
Zulassungsanforderungen ... Da diese Pilotprojekte jedoch 'sanft' in den
Regelbetrieb übergehen sollen, bedürfte es nunmehr eines riskanten
rechtlichen Angriffs von dritter Seite, um die Angebote der ARD wieder
zu entfernen."  Er erhob den Vorwurf, daß damit "rechtswidrige Fakten"
geschaffen werden sollten, und kündigte an, diese "Angriffe auf
geltendes Medienrecht" nicht zuzulassen.

Medienjurist Matthias Schwarz, der den Nachrichtensender vertritt, will
auch prüfen, ob gegen Kanalbelegungsentscheidungen der
Landesmedienanstalten zugunsten von Phoenix verwaltungsrechtlich
vorgegangen werden könne.  Er führte zudem kartellrechtliche Bedenken
gegen die "weitreichende Konzentration" des öffentlich-rechtlichen
Rundfunks an, die von technischer Kooperation und gemeinsamem
Programmerwerb bis zu ARTE und 3sat reiche und durch die gemeinsamen
Spartenkanäle Phoenix und Kinderkanal noch verschärft werde.  Da die von
der KEF und dem Gebührenstaatsvertrag bewilligten Mittel für Phoenix
nicht ausreichten, komme es zudem zu einer Subventionierung durch ARD
und ZDF und damit zur Wettbewerbsverzerrung.

n-tv will auch das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb und das
Beihilferecht der Europäischen Gemeinschaft prüfen und ggf. heranziehen.
Die Finanzierung der Spartenkanäle durch die erhöhte Rundfunkgebühr sei
europarechtlich unzulässig.  Diesen Standpunkt will der Sender in Kürze
der Europäischen Kommission vortragen.  (mr)


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MABB-Studie:  Noch Chancen für weitere Sender in Berlin-Brandenburg --
"Echter Wettbewerb könnte erst noch einsetzen"

Eine überwiegende Zahl von Medienexperten in Berlin-Brandenburg sieht
noch Chancen für weitere Hörfunksender in der Region.  Dies ist eines
der Ergebnisse einer Studie, die Axel Zerdick und Klaus Goldhammer (FU
Berlin) im Auftrag der MABB herstellten.  Ein "echter Wettbewerb" auf
dem am dichtesten besetzten Radiomarkt Deutschlands könnte demnach "erst
noch einsetzen", folgern die Autoren.  Die Medienanstalt
Berlin-Brandenburg veröffentlichte am 28. November eine Kurzfassung der
Untersuchung.

Die werbetragenden Sender einschließlich der beiden
öffentlich-rechtlichen Anstalten SFB und ORB erwarten der Studie zufolge
für das Jahr 2000 eine Umsatzrendite von 15 Prozent.  Die Gewinnmargen
der bereits etablierten Stationen erscheinen noch immer "äußerst
attraktiv".  Dagegen hat sich die mit Verlusten verbundene Anlaufphase
für die neustartenden Sender in den letzten Jahren verlängert:  Die bis
1992 gestarteten Sender waren nach 30 Monaten in der Lage, ihre Kosten
durch Werbeeinnahmen zu decken, während die Stationen, die ihren Betrieb
1995 aufnahmen, mit einer Anlaufzeit von durchschnittlich 44 Monaten
rechnen.

Die jährlichen Kosten pro Programm betragen im Durchschnitt 7,68
Millionen Mark, für Personalkosten werden 38 Prozent, für Werbung und
Promotion 15 Prozent, für Rechte (wie GEMA) 10 Prozent aufgewandt.  Das
Gesamtvolumen des regionalen Hörfunkwerbemarkts schätzt die Studie für
das Jahr 2001 auf rund 206 Millionen Mark (brutto), gegenüber 168,75
Mio.  (geschätzt) im laufenden Jahr.  In diesem Jahr dürfte der
Werbemarkt demnach erstmals seit Jahren schrumpfen.  Die Einnahmen für
1995 beziffert die Untersuchung auf 182,97 Mio. (1994: 174,74 Mio.).
1991 lag die Summe noch bei 70 Millionen Mark.

Mit 52 Prozent stammt gut die Hälfte der Werbeeinnahmen von nationalen
Werbetreibenden, der Rest kommt aus der Region.  Die Fremdvermarkter
(Werbekombis) trugen 1995 59 Prozent dazu bei; es wird erwartet, daß
dieser Anteil bis zum Jahr 2000 auf 64 Prozent steigt.  Die
Mindesteinschaltquote ist hingegen deutlich gesunken:  Lag sie Anfang
der neunziger Jahre noch bei 100.000 Hörern, genügen inzwischen 43.000
Hörer pro Durchschnittstunde, um in den nationalen Werbebudgets
berücksichtigt zu werden, regional lassen sich Werbezeiten bereits mit
16.000 Hörern verkaufen.  

Von 1991 bis 1996 war die Zahl der Hörfunksender in der Region von 18
auf 25 angestiegen, die Zahl der werbetragenden Programme erhöhte sich
dabei von 5 auf 18, während die Zahl der werbefreien Programme von 13
auf 7 zurückging.  Der Hörfunkmarkt hat sich nach dem Urteil der
Experten stark differenziert:  Heute werden Programmformate für höchst
unterschiedliche Zielgruppen und Ansprüche angeboten, von Urban Dance
und Klassik bis zum Nachrichtenradio und Weltmusik-Sender.  Zerdick und
Goldhammer führen dies auf die Lizenzierungspraxis der MABB und den
"marktimmanenten Konkurrenzdruck" zurück.

In ihrem Fazit sehen Zerdick und Goldhammer den Berlin-Brandenburger
Hörfunkmarkt in einer "relativ ausgewogenen Situation".  Er sei zwar
voll, aber "längst nicht übervoll".  Steigende Werbeumsätze würden in
den kommenden Jahren auch Spielraum für weitere Programme eröffnen,
sofern die Telekom neue Frequenzen ausweise.  Die Lizenzierungspraxis
der Medienanstalt habe insofern tatsächlich Vielfalt gestaltet, da erst
ein gewisser Konkurrenzdruck eine Diversifizierung des Angebots erzeugt
habe.  (mr)


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n-tv steigert Umsatz um 25 Prozent -- Kuhlo: Nachrichtenkanal hat
"seinen Markt gefunden" -- Mehr Wirtschaftssendungen

Der Nachrichtenkanal n-tv erwartet in diesem Jahr mit etwa 145 Millionen
Mark um 25 Prozent gegenüber dem Vorjahr gesteigerte Bruttowerbeumsätze.
Diese Zahl nannte Wolfgang Fischer, der kaufmännische Geschäftsführer
des Senders, am 29.  November vor Journalisten in Berlin.  Im ersten
Jahr hätten die Bruttowerbeeinnahmen noch bei 52,5 Millionen gelegen,
verglich Fischer, der für 1997 mit gut 170 Mio. Mark rechnet.

Die Tagesreichweite von n-tv erreicht nach den Erwartungen der Station
im November einen Wert von etwa 3 Millionen Zuschauern nach 2,74 Mio. im
Vorjahreszeitraum und 2,43 Mio. im November 1994.  Wichtig sei jedoch
die Qualität der Zuschauer, so n-tv-Chef Karl-Ulrich Kuhlo.  Sein Sender
spreche insbesondere gehobene Zielgruppen an.  Die Verweildauer sei in
den ersten zehn Monaten auf 14,14 Minuten angestiegen, nachdem sie im
gleichen Vorjahreszeitraum noch 12,42 Minuten betragen habe.

Werbetreibende Unternehmen hätten in diesem Jahr deutlich stärker die
gehobenen Zielgruppen abgefragt, so Kuhlo.  Werbekunden wie die Telekom
hätten bestätigt, daß sie bei keinem anderen Sender "eine so positive
Resonanz" ihrer Werbekampagnen bekommen hätten.  n-tv habe "ganz
offensichtlich seinen Markt gefunden", meinte Kuhlo, der seine Station
als "Nachrichten- und Wirtschaftssender" bezeichnete.

Der Nachrichtensender kündigte an, die Wirtschaftssendung "Märkte am
Morgen" von drei auf fünf Stunden zu verlängern.  Sie wird künftig von
sechs bis elf Uhr ausgestrahlt.  Anfang 1997 soll ein Magazin mit dem
Arbeitstitel "n-tv - Ihr Geld" starten, das sich mit Themen wie
Vermögensbildung, Immobilien und Steuerfragen befassen soll.  (mr)


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Auch zu meiner Zeit war es Aufgabe der Schüler, himmelschreienden Unfug,
den Lehrer verbrochen hatten, zu korrigieren. 
Non scholae, sed vitae discimus.  
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