In einem »Call for Proposals« rief die MABB an einer Beteiligung interessierte Unternehmen auf, Vorschläge für die Konkretisierung der Gesamtkonzeption zu machen. Insbesondere soll dargelegt werden, wie technisch und wirtschaftlich gewährleistet werden kann, daß alle zur digitalen Übertragung zugelassenen Programme und Angebote mittels einer einzigen Set-Top-Box empfangen werden können, die auch eine diskriminierungsfreie Abrechnung der Entgelte erlauben würde. Außerdem soll allen Veranstaltern und Anbietern der chancengleiche Zugang möglich sein, unabhängig davon, ob sie sich an technischen oder Vertriebsfunktionen beteiligen. Die einzureichenden Vorschläge sollen die Beteiligung unterschiedlicher Unternehmen und den Wettbewerb zwischen ihnen ermöglichen, aber auch der breiten Einführung förderliche Formen der Zusammenarbeit entwickeln. Dazu zählt die technisch einheitliche Spezifikation der Set-Top-Boxen, die Festlegung eines »Conditional Access«- Systems (CA) sowie die Bildung eines Pools zur Beschaffung der Set-Top-Boxen. Die Gesamtkonzeption soll außerdem die »Chancen interaktiver Kommunikation« durch Multimediadienste für das Endgerät PC offenhalten.
Die medienwirtschaftlichen Chancen für Berlin-Brandenburg sollen nach dem Willen des Medienrates genutzt und entwickelt werden. Der geplante Termin Anfang 1996 setzt voraus, daß die Grundentscheidungen bis zum Sommer dieses Jahres getroffen werden. Die Medienanstalt fordert auch zu Vorschlägen für ein weiteres Verfahren auf, der Medienrat will am 10./11. Mai über die weitere Konkretisierung der Gesamtkonzeption beraten und dabei die Vorschläge berücksichtigen, die bis zum 2. Mai vorliegen. Das Konzept der Media Service GmbH war im vergangenen Jahr gescheitert, als die Kommission der Europäischen Union den Zusammenschluß von Kirch, Bertelsmann und Telekom untersagte (Kifu 89/94).
Nach den Planungen der Medienanstalt soll Berlin zum »idealen Testmarkt für neue Dienste« werden. Die MABB hält für möglich, daß schon 1996 über 100.000 Haushalte mit einer Set-Top-Box ausgestattet sein können. Mit der geplanten DVB-Einführung will sie auf den Engpaß im Berliner Kabelnetz reagieren, der verhindert, daß die neu zugelassenen Fernsehprojekte wie Super RTL und Viva 2 noch im analogen Bereich übertragen werden können, ohne daß andere Programme dafür weichen müßten. Gleiches gilt für Südwest 3, BBC World, TF 1, France 2, für polnische, russische, türkische und andere fremdsprachige Programme, die nach MABB-Angaben in Berlin verbreitet werden wollen.
Die rechtliche Grundlage für die DVB-Einführung bilden die Rahmenbedingungen, die der Medienrat am 16. Dezember 1994 festgelegt hat (Kifu 2/95). Damals wurden für die Erprobung digitaler Kommunikationsdienste, Hörfunk- und Fernsehaustrahlung »erleichterte Bedingungen« durch die Anwendung der Versuchsklausel (§ 47 des Medienstaatsvertrages Berlin-Brandenburg) beschlossen. Anders als bei herkömmlicher Ausstrahlung kann demnach ein Veranstalter mehr als zwei Programme anbieten. Auch Teleshopping wird in erweitertem Umfang zulässig sein. Neue, entgeltfinanzierte Programme wie Pay-per-channel, Pay-per-view und near Video-on-demand werden ausdrücklich genannt. Die Medienanstalt kündigte an, die Gesamtkonzeption unter zwei medienrechtlichen Aspekten zu betrachten: Zum einen entscheidet die MABB über die Zuweisung der Übertragungskapazitäten für die digitale Übertragung im Berliner Kabelnetz, zum anderen bedarf die Gestaltung des Navigationssystems als Rundfunkprogramm der Zulassung.
Die Telekom wird bis Ende des Jahres fünfzehn Kanäle im Hyperband für die digitale Übertragung ausrüsten. Die MABB prüft zur Zeit, ob auch zwei Kanäle im bisher genutzten Sonderkanalbereich auf digitale Übertragung umgerüstet werden sollen, darunter der derzeit von Premiere genutzte Sonderkanal 14, um auch den Haushalten, deren Hausanlagen den Bereich oberhalb 300 MHz nicht übertragen, den Empfang digitaler Programme zu ermöglichen. Den Ausbau des Frequenzbereichs oberhalb 450 Mhz hält die Medienanstalt für notwendig, »nicht als Ersatz, sondern als Ergänzung«, um neben der Einführung digitaler Dienste auch den Wettbewerb mit anderen Netzen zu öffnen.
Das Konzept der EMG (Elektronische Medien- und Forschungsgesellschaft), über die digitalen Kanäle zusätzliche, überregional kostenfrei analog verbreitete Fernsehprogramme auszustrahlen (Kifu 21/95), stieß bei den Medienräten auf Zustimmung. Unter der Bedingung, daß diese Funktion des regionalen Sendezentrums (Multiplexing) in ein Gesamtkonzept eingebunden wird, nahm der Medienrat die Zuweisung der hierfür benötigten Kanäle in Aussicht. Er kündigte Auflagen zur Sicherung des chancengleichen Zugang an: So kämen Programme in Betracht, für die der Medienrat die Zulässigkeit der Weiterverbreitung bestätigt hat oder die den Versuchsbedingungen für die DVB-Einführung (siehe oben) entsprechen. Auf gesellschaftsrechtliche Veränderungen bei der EMG sollen die für Veranstalter geltenden Bestimmungen angewandt werden. Die Nutzeroberfläche als gemeinsame Programmführung bedarf der Zulassung als Rundfunkprogramm. Die digitalen Programme könnten zu Programmpaketen gebündelt werden, die gegebenenfalls zusammen mit der nötigen Set-Top-Box angeboten werden. Zusammenstellung der Pakete, Festlegung der Konditionen und Zusammenarbeit mit anderen Unternehmen bedürfen ebenfalls der Zustimmung der Medienanstalt.
Auf eine Ausschreibung der digitalen Übertragungskapazitäten wird verzichtet, die nach MABB- Ansicht bei 15 digitalen Kabelkanälen mit jeweils sechs bis zehn Programmen ein Engpaß »derzeit nicht absehbar« ist. Ausschlußfristen wird es nicht geben.
Die Berliner Senatskanzlei und die Brandenburgische Staatskanzlei begrüßten am 11. April in einer gemeinsamen Presseerklärung die MABB-Initiative. Der Wettbewerb der Netze, so hieß es, sei die Voraussetzung für den Weg in die Informationsgesellschaft. Die Telekom habe in Berlin-Brandenburg die Chance, »durch Wettbewerb wettbewerbsfähig« zu werden für die Zeit nach der Aufhebung des Monopols. Das Berliner Kabelnetz solle als Modellvorhaben selbständig unternehmerisch geführt werden. Zur Förderung der Digitalisierung in Produktion und Verteilung hätten beide Länder Förderungsprogramme beschlossen. (mr)