Für das Berliner Projekt sieht die EMG Investitionen in Höhe von rund zwanzig Millionen Mark vor. Nach drei bis vier Jahren will Wenzel die Gewinnzone erreichen und 50 000 Teilnehmer im mit rund 1,1 Millionen angeschlossenen Haushalten bundesweit größten Kabelnetz angeschlossen haben. 150 000 Teilnehmer nimmt die EMG als mögliche Zielgruppe an. Die EMG will sich auf technische Dienstleistungen beschränken. So sollen Server-Kapazitäten bereitgestellt und Kabelkanäle für die Verbreitung angemietet werden, Smart Cards (Chip-Karten im Kreditkarten-Format) für die Endanwender-Identifikation produziert und die Programme der Anbieter als Dienstleistung auf die EMG- Server übertragen werden. Keineswegs will die EMG das Netzmanagement übernehmen oder Set-Top-Boxen für die Endverbraucher vertreiben. Unklar ist noch, ob die EMG auch die Abonnentenverwaltung übernehmen wird. Als Programmformen plant die Firma interaktive Videospiele, einen Teleshopping- Kanal für mittelständische Unternehmen, Near-Video-on-Demand und (kostenfreie) türkische oder israelische Programme.
Das Unternehmen will seinen Dienst nur in Berlin anbieten. EMG-Chef Wenzel rechnet damit, daß es künftig mehrere derartige Anbieter in Deutschland geben dürfte. Der Plan, eine Media Service GmbH als Tochter von Bertelsmann, Kirch, Telekom sowie ARD/ZDF zu gründen, scheiterte im vergangenen Jahr am Einspruch der EU-Fusionskontrolle (Kifu 89/94). Sollte die MABB das EMG- Vorhaben mit einer Lizenz versehen, könnte in Berlin interaktives Fernsehen auch außerhalb des Telekom-Pilotprojekts angeboten werden, das im Februar mit 50 Teilnehmern gestartet worden war (Kifu 13/95). Die Telekom baut zur Zeit bundesweit das Hyperband im Breitbandkabelnetz auf sechs Kanäle aus, im Berliner Kabelnetz wird es Ende des Jahres insgesamt 18 Kanäle geben. Drei davon sind bereits mit Fernsehen im PAL-Format belegt, sieben nutzt das Telekom-Pilotprojekt. Es bleiben acht Kanäle, die zum Beispiel mit jeweils mehreren TV- oder Hörfunk-Programmen im digitalen Paket belegt werden könnten. Für ein solches bundesweit geschnürtes Paket aus vier türkischen und zwei italienischen Programmen laufen zur Zeit Gespräche zwischen der Telekom-Generaldirektion in Bonn und den Landesmedienanstalten, teilte Uwe Werner (Telekom Berlin) dem epd mit. Diese Pläne werden bei der MABB kritisch gesehen, da die Telekom hier quasi als Programmanbieter auftrete.
Die Elektronische Medien- und Forschungsgesellschaft (EMG) entstand 1990 mittels eines Kredits der PDS in Höhe von rund zwölf Millionen Mark, der inzwischen zurückgezahlt ist. Das Unternehmen erzielte 1994 einen Gewinn von einer Million Mark, unterhält in Oberhausen eine Produktionsstätte für die Produktion hochauflösenden Fernsehens (HDTV) und produziert für öffentlich- rechtliche wie für kommerzielle Anbieter. Am Haupteigentümer EGIT aus London sind in der Hauptsache Banken und Versicherungen beteiligt, darunter die Deutsche Handelsbank und die Berliner Bank. EMG-Geschäftsführer Wenzel zufolge soll seine Firma demnächst durch weitere Investoren verstärkt werden. Im Gespräch ist laut Branchenblatt Kabel & Satellit der US-Medienkonzern Time Warner. (mr)