(epd) Drei digitale Programmpakete hat der MABB-Medienrat für den technischen Versuch zugelassen, mit dem Juli in der ersten Stufe die breite Einführung von digitalem Fernsehen (DVB) in Berlin vorbereitet werden soll. Die Kirch-Gruppe soll dem Beschluß vom 3. Mai zufolge die rundfunkrechtliche Zulassung für 21 Spartenprogramme und zwei Informationskanäle erhalten; als "erste Stufe" kann sie ab Juli fünf Übertragungskanäle nutzten. Premiere will sechs Programmkanäle über einen Übertragungskanal verbreiten und erhält dafür die Zulassung. Multithématique soll eine Lizenz für vier Spartenprogramme auf einem Übertragungskanal bekommen, sobald technische Umsetzung und Starttermin geklärt sind.
Die Lizenzen beschränken sich auf die Erprobung in Berlin-Brandenburg, stellt der MABB-Beschluß klar. Damit ist kein medienrechtlicher Anspruch auf bundesweite Weiterverbreitung verbunden, wie MABB-Direktor Hans Hege bereits im April erklärt hatte (Kifu 28/96). Für ein vom ZDF geplantes "near video on demand"-Angebot mit Ratgeber- und Servicesendungen sowie die digitale Verbreitung von Programmen, an denen das ZDF beteiligt ist, ist laut Medienrat keine besondere Zulassung nötig. Eine Zusammenarbeit mit der ARD, inbesondere also mit SFB und ORB, liege nahe.
Die erste Ausbaustufe eines digitalen Sendezentrums von Vebacom und EMG soll bereits am 15. Mai abgeschlossen sein. Damit sind die technischen Voraussetzungen für die Verbreitung von Programmen geschaffen, die bislang nicht im Kabel Platz fanden (Kifu 28/96). Programme wie BBC World, Home Order TV (H.O.T.), Nickelodeon und Viva 2 sollen dann versuchsweise verbreitet werden. Die Kapazitäten wurden vom Medienrat zunächst für die Zeit bis zum Ende des Versuchs zugewiesen; die neuen Programme bekommen Vorrang vor den im Telekom-Pilotprojekt seit Frühjahr 1995 verbreiteten. Der neue Versuch soll mit der Feststellung beendet werden, daß "die Voraussetzungen für die breite Einführung von DVB" vorlägen, heißt es im Medienratsbeschluß.
Der Medienrat kritisierte erneut, daß die Telekom "nach wie vor keine konkreten eigenen Planungen" für zusätzliche Dienstleistungen bei der Verbreitung der frei empfangbaren Programme vorgelegt habe. Er bekräftigte seinen Beschluß vom April, der "keine Grundlage" für einen Anspruch der Telekom sah, über das Netzmonopol hinausgehende technische und administrative Dienstleistungen unter Ausschluß von Konkurrenten zu erbringen. Das Interesse der Telekom an der Finanzierung des Kabelnetzausbaus will der Medienrat jedoch berücksichtigt sehen.
Neben der Telekom und der Vebacom/EMG können sich dem Beschluß zufolge weitere Unternehmen mit Dienstleistungen am Versuch beteiligen. Eine "Doppelverbreitung" von Programmen müsse wegen des zu erwartenden Kanalengpasses jedoch vermieden werden. Die Dienstleistungsunternehmen wurden aufgefordert, ihre Vorkehrungen für die "faire, angemessene und diskriminierungsfreie" Behandlung aller Anbieter darzulegen. Soweit Vereinbarungen zum Beispiel im Zusammenhang mit Lizenzen für Zugangskontrollsysteme den chancengleichen Zugang beeinträchtigen könnten, erwarte die Medienanstalt den Nachweis, daß der offene Zugang gewährleistet ist, hieß es im Beschluß. Für den Versuch ließ der Medienrat Digital-Decoder mit den Zugangskontrollsystemen Simulcrypt, Common Interface und Transcontrol zu. Jeder Nutzer solle mit jeder Set-Top-Box das gesamte Angebot nutzen und zwischen den Anbietern wechseln können, "ohne daß dies mehr als unvermeidbar erschwert" wird. (mr)