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erstellt am: 18.02.2005

zuletzt geändert am: 09.03.2005



Linguistische Pragmatik: Eine Übersicht

ROBERT HAGEN

FREIE UNIVERSITÄT BERLIN

hagen@lingrom.fu-berlin.de


Inhalt

1. Definition des Gegenstands der linguistischen Pragmatik
2. Sprechakte
3. Informationsstruktur
4. Präsupposition
5. Konversationelle Implikaturen (nach Grice)
6. Anaphern
7. Deixis/indexikalische Ausdrücke
8. Relevanztheorie (Sperber & Wilson)
9. Diskursrepräsentationstheorie (DRT) (Kamp u.a.)
10. Konversationsanalyse (conversational analysis)
11. Diskursanalyse/Gesprächsanalyse
12. Zusammenfassende Graphik
13. Übergänge zur Soziolinguistik
14. Übergänge zur Philosophie
15. Internetressourcen
16. Literatur


1. Definition des Gegenstands der linguistischen Pragmatik

Es gibt keine einheitliche Definition des Gegenstands der linguistischen Pragmatik. Das einzige, was allen Definitionsversuchen gemeinsam ist, ist, dass unter Pragmatik all die Aspekte von sprachlicher Bedeutung und Interpretation fallen, die nicht von der Semantik erfasst werden. Damit hängt die Definition der Pragmatik von der der Semantik ab, für die es gleichfalls keine einheitliche Definition gibt.

Es lassen sich im Wesentlichen zwei brauchbare Definitionen ausfindig machen. Sie sind keineswegs deckungsgleich.

Definition 1: Linguistische Pragmatik befasst sich mit Handlungsaspekten von Äußerungen (Performativität von Sprache). Das zentrale Paradigma der Pragmatik besteht in der Sprechakttheorie (s.u.).

Definition 2: Die linguistische Pragmatik befasst sich mit denjenigen Aspekten sprachlicher Bedeutung, die vom (sprachlichen und situativen) Kontext abhängig sind. Zentral sind die sprachlichen Phänomene der Anaphorizität (s.u.) und Indexikalität (s.u.). Die Semantik befasst sich demgegenüber mit dem kontextinvarianten Kern von Wörtern und Sätzen.

Die Lage wird noch unübersichtlicher, wenn man Semantik klassisch sprachphilosophisch (und formal-logisch: Tarski, Frege) so definiert: Die Bedeutung eines Satzes/einer Äußerung besteht in der Menge der Bedingungen, die erfüllt sein müssen, wenn er wahr ist.1 Unter anderem fällt jetzt die Grenze zwischen Semantik und Pragmatik verschieden aus, je nach dem ob man sich an (kontextfreie) Sätze oder (in verschiedene Kontexte eingebettete) Äußerungen hält.

Um die Verwirrung komplett zu machen, sei hinzugefügt, dass Searle sich in seiner Definition von Semantik und Pragmatik nicht an Definition 1 (von oben) hält, sondern an die zweite. Insoweit er von bedeutungsmäßig kontextinvarianten Wörtern und Wendungen ausgeht (wie z.B. »Ich verspreche, dass ...«), die performativen Charakter haben, integriert er die Sprechakttheorie zum Teil in die Semantik.

Vertritt man eine radikal Wittgensteinianische Auffassung (übereinstimmend mit dem »späten« Wittgenstein der Philosophischen Untersuchungen (WITTGENSTEIN 1984b) und anderer Schriften), gibt es Semantik eigentlich gar nicht, keine Semantik kontextfreier Bedeutungen jedenfalls – und zwar egal, welche der beiden o.g. Definitionen ich wähle. Die Unterscheidung zwischen Semantik und Pragmatik wäre hinfällig. Diese Auffassung lässt sich auf die Formel bringen: »Die Bedeutung eines Wortes besteht in seiner Verwendung2

In der Praxis verfährt man i.d.R. ganz unphilosophisch (um nicht zu sagen: pragmatisch ...) und sagt: Linguistische Pragmatik beschäftigt sich mit: erstens, zweitens, drittens ... Dem schließe ich mich im Folgenden an.

2. Sprechakte

Die Sprechakttheorie wurde von AUSTIN (1972) begründet und von SEARLE (1971) weiterentwickelt. Für Austin sind Äußerungen eine Form von Handlungen (daher der Originaltitel »How to do things with words«). Sprachlichen Äußerungen kommt – entgegen traditionellen Konzeptionen – eine weitere Dimension zusätzlich zu der des Wahrheitsgehalts (bzw. der Wahrheitsfähigkeit, Fachausdruck: Propositionalität, propositionaler Gehalt) zu. Für Äußerungen gelten Bedingungen der Angemessenheit (appropriateness), die nicht allein mit Bedingungen der Wahrheit zu tun haben. Austin nennt sie »felicity conditions«. Sprechhandlungen bzw. Sprechakte können meistens mit Hilfe von performativen Verben (in der ersten Person Singular Präsens) explizit gemacht werden, wie »versprechen«, »kündigen«, ... Diese Verben sind (im Deutschen) oft zusätzlich von der Formel »hiermit« begleitet. Die Besonderheit von performativen Äußerungen gegenüber assertorischen (= behauptenden) Äußerungen ist, dass zu es zu den Bedingungen ihrer Wahrheit gehört, dass der fragliche Satz (mit dem man z.B. etwas verspricht) selbst geäußert wird.3 Es gibt verschiedene Typen von sprachlichen Handlungen (d.i. Sprechakten). Sie unterscheiden sich darin, welche illokutionäre Rolle sie haben. Austin unterscheidet zwischen verschiedenen Sprechakttypen mit ihren spezifischen illokutionäre Rollen (AUSTIN 1972: 169) (oft auch kurz »Force«4): verdiktive (z.B. Beurteilen (S. 170f.)), exerzitive (z.B. Befehlen (S. 173f.)), kommissive (Versprechen (S. 176)), konduktive ((engl.) »behabitive«) (z.B. Sich-Entschuldigen, Sich-Bedanken (S. 179)) und expositive Sprechakte (z.B. Behaupten (S. 181f.).5 Effekte von Äußerungen beim Hörer, die über die Folgen der durch Konventionen geregelten Illokutionen hinausgehen, nennt Austin perlokutionäre Effekte. Dazu zählt er etwa »Drohen« und »Beleidigen«.

Searle formalisiert den Ansatz weiter. Die vormaligen »felicity conditions« tauchen bei ihm unter den Namen »preparatory conditions« und »propositional content conditions« auf. Jeder Sprechakttyp ist, neben den inhaltlichen und Einleitungsbedingungen, v.a. durch bestimmte »essential conditions« gekennzeichnet. (Siehe auch SEARLE (1991).) Die »wesentliche Bedingung« gibt an, welche Folgen der Sprechakt kraft seiner (gelungenen, »felicitous«) Äußerung hat. Die Folgen bestehen z.B. im Erwerb von Verpflichtungen oder dem Erteilen von Berechtigungen. Berühmtheit hat seine Analyse des Sprechakts des Versprechens erlangt, die er mit den hier skizzierten Mitteln durchführt. Sie sieht wie folgt aus (SEARLE 1991: 259ff.):

Wenn ein Sprecher S einen Satz T in der Gegenwart eines Hörers H ausspricht, dann verspricht S gegenüber H, dass p, genau dann wenn die folgenden Bedingungen erfüllt sind:

  1. Input- und Output-Bedingungen

  1. Bedingungen bezüglich des propositionalen Inhalts (»propositional content conditions«)

  1. Einleitungsbedingungen (»preparatory conditions«)

  1. Aufrichtigkeitsbedingung (»sincerity condition«)

  1. Wesentliche Bedingung (»essential condition«)

Liegt eine Diskrepanz zwischen Sprechakt indizierenden Elementen (wie zum Beispiel performativen Verben, dem Satztyp, usw.) und dem tatsächlich intendierten Sprechakttyp vor, spricht Searle von »indirekten Sprechakten«. Ein Beispiel wäre »Könnten Sie mir sagen, wie spät es ist?«, oder »Würde es Ihnen etwas ausmachen, heute eine Stunde früher zu kommen?« (geäußert vom Chef gegenüber einem Angestellten).

3. Informationsstruktur

Folgendes sind zentrale Begriffe im Zusammenhang der Informationsstruktur:

Man beachte: Bei der Unterscheidung zwischen »alt« und »neu« bzw. »bekannt« und »noch nicht bekannt« (sowie »erwartet« vs. »unerwartet«) sind zwei Dimensionen zu unterscheiden, entlang welcher diese Unterscheidung getroffen werden kann: (a) Bekanntheit vs. Unbekanntheit des Referenten eines Ausdrucks; (b) Bekanntheit vs. Unbekanntheit einer (vollständigen oder offenen) Proposition (ausgedrückter Sachverhalt). Beispiel für vollständige eine Proposition (genauer gesagt, für einen Satz, der eine solche ausdrückt): »John ist gerade im Haus.« Beispiel für eine offene Proposition: »Jemand ist gerade im Haus.« bzw. »___ ist gerade im Haus.«

Informationsstruktureller Fokus

(Informationsstruktureller) Fokus lässt sich am elegantesten als diejenige Position in einer Antwort auffassen, der das von einer vorigen Frage Erfragte benennt.

Beispiele:

  1. »Wo ist das Salz« - »Es steht [auf dem Tisch]F«

  2. »Wer hat John F. Kennedy erschossen?« - »[Kennedy]T wurde [von XYZ]F erschossen.«

  3. »Wer war der xte Präsident der Vereinigten Staaten?« - »Das war [Nixon]F

Der common ground oder Präsuppositionsrahmen von (2) ist: »Kennedy wurde von ____ erschossen.«

Topic und common ground werden oft auch weggelassen (Ellipse, topic-drop).

  1. »Wie komme ich zur nächsten U-Bahmhof?« - »Um zum nächsten U-Bahnhof zu gelangen ... Da gehen Sie am besten ...«

Es gibt auch Fragen, die einen Fokus aufweisen. Das trifft insbesondere ausnahmslos für Warum-Fragen zu.

Beispiele:

  1. »Warum ist das Flugzeug [abgestürzt]F

  2. »Warum sagst du mir das [erst jetzt]F

  3. »Warum [dreht sich die Erde um die Sonne]F

Unterschiedliche Fokus-Setzungen bewirken unterschiedliche Interpretationen der Frage – und verändern den Bereich möglicher (angemessener) Antworten. Ähnliche Interferenzen zwischen Fokus-Position und Bedeutung gibt es in Fällen wie:

  1. »Glücklicherweise kann das [mir]F nicht passieren!«6

(Für weitere Beispiele und Typen von solchen Interferenzen siehe KADMON (2001: 253ff.).)

Es lassen sich weitere Formalisierungen der Fokus-Phänomene leisten. (Siehe KADMON (2001: 250ff.), JACKENDOFF (1972: 250ff.) und ROOTH (1985, 1992).) Bei Warum-Fragen, wie auch in anderen Fällen von Fokus, lässt sich meistens relativ klar eine vorausgesetzte und bekannte Menge von möglichen Antworten identifizieren. In der Antwort wird dann eine Auswahl aus dieser Menge getroffen. Die Auswahlmenge wird als »Kontrastklasse« bezeichnet. Der Hintergedanke ist: Die jeweilige Antwort könnte auch in einer expliziteren Form gegeben werden, der Art: »Wer war das?« - »Es war A, und nicht B oder C oder ... .« Da nach der Antwort ein »Kontrast« zwischen A und den anderen (B, C, usw.) besteht, wird die Menge {A, B, C, ...} als »Kontrastklasse« bezeichnet. (Achtung: Das hat nichts mit dem »kontrastiven« oder »Kontrast-« Fokus zu tun!) Bei den Warum-Fragen kommt der Kontrast und die Auswahlmenge so ins Spiel:

  1. »Warum sagst du mir das [erst jetzt]F, und nicht gestern oder vorgestern oder vor drei Tagen ...?«7

Fokus- und Topic-Beziehungen schlagen sich auch syntaktisch nieder. Im Deutschen, Italienischen und Französischen liegt/liegen die fokussierte(n) Konstituente(n) i.d.R. eher rechts, Topic weiter links, manchmal auch dem eigentlichen Satz vorangestellt.8 Es kann als morphologisch, also kasusmäßig, nicht markierte Konstituente auftreten (sog. »freies Thema«, »hanging topic«), oder syntaktisch angebunden, im Italienischen als sog. »clitic left dislocation«.9

Beispiel:

  1. »[Gianni]T, è da anni che non l'ho visto più.«

Kontrastiver Fokus

Kontrastiver Fokus setzt voraus, dass (beim Hörer, wie der Sprecher annimmt) eine konträre Annahme vorliegt, die der Sprecher korrigieren will.

Beispiel:

  1. »[Bush]KF hat die Wahl gewonnen (..., nicht Kerry).«

Im Deutschen ebenso wie im Italiensischen (aber nicht im Französischen10) werden kontrastive Foki nach links verschoben. Im Italienischen dürfen in diesem Fall keine »resumptive clitics« gesetzt werden.

Beispiel:

  1. »[Gianni]KF (*l') ho visto ieri (..., non Giorgio).«

Emphatischer Fokus

Emphatischer Fokus induziert Präsuppositionen (s.u.), die per Implikatur (s.u.) vom Hörer erschlossen werden können.

Beispiel:

  1. »[Ich]EF habe die Klausur (schon) bestanden.«

Implikatur/Präsupposition: Die meisten der anderen Kursteilnehmer nicht. Ist diese Interpretation intendiert, hat der Satz außerdem i.d.R. eine besondere Intonationskurve. Am Ende sinkt der Ton nicht wie bei gewöhnlichen Behauptungen ab, sondern bleibt auf einem relativ hohen Niveau, wie das sonst der Fall ist, wenn eine Fortsetzung, z.B. ein Nebensatz, folgt.

Informationsstruktur und Prosodie

Fokus wird in vielen Sprachen (u.a. Engl., Dt., Ital., Frz., Span. (?) ...) durch so genannten »pitch accent« markiert. Darunter versteht man eine Eigenschaft der Prosodie (= Sprachmelodie). Zu unterscheiden sind (relativ) hohe und (relativ) tiefe Tonhöhen, die im Melodieverlauf entweder aufsteigend oder abfallend sein können. »Pitch accent« ist zu unterscheiden von »stress accent«. Letzterer bezeichnet die Lautstärke. (Möglicherweise spielt er bei kontrastivem Fokus (zusammen mit dem »pitch accent«) eine Rolle.) Common ground wird phonetisch oft durch beschleunigtes, oft auch nur rudimentär artikuliertes Aussprechen realisiert.

Die Kurve der Satzmelodie insgesamt wird als »intonation contour« (meine Übersetzung: »Intonationskurve«) bezeichnet.

»Pitch accent« und »intonation contour« regulieren/kodieren nicht allein Aspekte der Informationsstruktur, sondern transportieren auch wesentliche (teils offenbar recht komplexe) Aspekte im Bereich Force (Illokution). Man denke z.B. an verschiedene Ausspracheweisen von (dt.) »ja« mit unterschiedlichem Melodieverlauf und die dadurch induzierten Interpretationen/Intentionen.11 Ähnlich auch bei verschiedenen Typen von »hmm«. (Zum Teil auch gedoppelt [»hmm«, »hmm«]). Diese »hmm«s scheinen besonders gehäuft beim Telefonieren aufzutreten (nach meinem Eindruck).

4. Präsupposition

In der Einleitung habe ich auf die klassische Definition von Satzbedeutung (und der Bedeutung behauptender Äußerungen) hingewiesen: Die Bedeutung eines Satzes besteht in der Menge der Bedingungen, die erfüllt sein müssen, wenn er wahr ist (kurz: Semantik der Wahrheitsbedingungen). Bei der so definierten Satzbedeutung spricht man auch von Propositionen (die von Sätzen ausgedrückt werden), sowie von der »Extension« (eines Satzes).12 Bei näherer Betrachtung zeigt sich jedoch, dass es noch andere Bedingungen gibt, die mit der Bedeutung eines Satz bzw. einer Äußerung zu tun haben, aber keine Wahrheitsbedingungen sind. Vielmehr müssen bei einer Reihe von Sätzen (der überwiegenden Mehrheit) noch andere Bedingungen gewährleistet sein, damit der Satz überhaupt sinnvoll behauptet werden kann (oder damit andere Arten von Sprechakten »gelingen« können (s.o.)). Sind diese Art von Bedingungen nicht erfüllt, kann der Satz gar nicht erst auf seine Wahrheit hin überprüft werden. Er ist damit weder wahr noch falsch, sondern »sinnlos« oder nicht-interpretierbar. Diese Kategorie von Bedingungen nennt man Präsuppositionen.

Es gibt eine Reihe unterschiedlicher (Unter-) Typen von Präsupposition. Einen Typ haben wir bereits im Zusammenhang mit dem (informationsstrukturellen) Fokus (s.o.) kennen gelernt. In diesen Fällen könnten die Sätze allerdings möglicherweise auch ohne Kenntnis der fraglichen Präsupposition (des common ground) verstanden werden (angemessen interpretiert werden) – nichtsdestotrotz liegt die Pointe der Äußerung, also das, worüber seitens des Sprechers ein Wahrheitsanspruch erhoben wird, allein im Teil, der fokussiert wird. (Um diesen Typ der Präsupposition durch obige Definition mit zu erfassen, müsste man sie also etwas lockern.) Außerdem gehören die Überlegungen zu im Raum stehenden Fragen und Auswahlklassen hier her (s.o.).

Ein anderer Typ sind Existenzpräsuppositionen. Das klassische Beispiel ist:

  1. Der gegenwärtige König von Frankreich ist kahlköpfig.

Der Satz ist weder wahr noch falsch, weil Frankreich gegenwärtig keinen König hat.13

Es sind unterschiedliche Tests vorgeschlagen worden, wie man den Präsuppositionsstatus einer Äußerungsbedingung prüfen kann. Dabei wurde bislang kein für alle Fälle anwendbarer Standardtest gefunden. Man ist also auf eine Reihe unterschiedlicher Tests angewiesen. (Vgl. KADMON 2001: 115ff.) Einer der Tests ist die Negation. Man prüft, ob die vermeintliche Präsupposition auch unter Negation erhalten bleibt. Wenn ja, handelt es sich »erwiesenermaßen« um eine Präsupposition.

Für Beispiel (14) funktioniert der Negations-Test:

  1. Der gegenwärtige König von Frankreich ist nicht kahlköpfig.

Die Aussage in (15) ist ebenfalls weder wahr noch falsch, weil Frankreich gegenwärtig keinen König hat.

Ein anderer Typ von Präsupposition wird durch bestimmte Partikeln und Adverbien erzeugt, z.B. »auch«, »nur«, »sogar«, und andere. Diese Partikeln und Adverbien induzieren zum Teil auch einen (bestimmten Typ) Fokus. Sie werden daher auch Fokuspartikeln genannt. Ist der ganze Satz vom Fokus umfasst, spricht man von Modalpartikeln (und Modaladverbien). (Siehe KÖNIG 1991.)14

Ein Beispiel für eine Präsupposition einer Fokuspartikel ist:

  1. »Ich fahre auch einen BMW.«

Voraussetzung für die Äußerung von diesem Satz (16) ist, dass jemand – der Hörer, oder jemand, den der Hörer kennt, und der Sprecher gerade davon ausgeht, dass er ihn kennt, oder jemand, von dem gerade die Rede war und von dem dabei gesagt wurde, dass er einen BMW fährt – dass also jemand gleichfalls einen BMW fährt.15

Der gleiche Satz lässt auch eine Interpretation zu, in der »auch« als Modalpartikel verwendet würde. In der Aussprache würden sich beide Sätze allerdings unterscheiden. Sowohl in der Intonationskurve, als auch darin, dass »auch« in (16) einen stress accent trägt (durch Unterstreichung angedeutet), in (17) dagegen nicht. Außerdem wäre in dieser Verwendung noch das Auftreten der zusätzlichen (modalen) Partikel »ja« (unbetont) wahrscheinlich. Auch die (modale) Partikel »schließlich« könnte noch mit hinzutreten. Dann wäre die präsuppositionale und implikaturenmäßige Intention noch deutlicher:

  1. »Ich fahre ja auch schließlich [einen BMW]F

Meines Erachtens wird hier ein bestimmter diskursiver Zusammenhang vorausgesetzt, nämlich einer, in dem etwas argumentativ begründet werden soll. Mit der Äußerung wird dann der Grund oder das Argument geliefert. Eine Studie zu solchen Präsuppositionen induzierenden Partikeln in Dialekten des Veneto (Italien) liefern MUNARO & POLETTO (2003) (ms.). Ein Beispiel ist »po« in »Quando eli rivadi, po?« (»Wann sind-sie angekommen, PO?«) (Dialekt: Pagotto) Satzfinales »po« induziert bei Fragen eine bestimmte Präsupposition. Es wird vorausgesetzt, dass bereits mehrere Optionen für eine mögliche Antwort durchgespielt wurden und keine davon ein befriedigende Antwort darstellte. Ähnlich funktioniert (dt.) »dann« in »Wo sind sie denn dann?«.

Von Präsuppositionen sind auch Fragen betroffen, insbesondere W-Fragen. Die Frage »Wer hat an der Uhr gedreht?« setzt voraus, dass jemand an der Uhr gedreht hat – oder jedenfalls, dass sie falsch geht ...

Einige Präsuppositionen gehen auf die Semantik von bestimmten Verben zurück: z.B. »aufhören (zu regen, mit dem Rauchen ...)« (Präsupposition: Der Vorgang oder die (evt. wiederholte) Handlung fand bis zum fraglichen Zeitpunkt statt bzw. wurde bis dahin ausgeführt.), »(da-, bestehen-) bleiben«, »andauern«.16 Unter solche mit Präsuppositionen verbundene Verben fallen insbesondere solche, die propositionale Einstellungen ausdrücken (oder implizieren), zum Beispiel »glauben«, »beabsichtigen«, »wissen«, »hoffen«, »(be-) fürchten«, usw. Die Verben drücken dann eine propositionale Einstellung aus, wenn sie von einem »dass«-Satz (oder einem Infinitiv-Satz) gefolgt sind: »S glaubt, dass p«, »S befürchtet, dass p« etc. (p steht für die Proposition). Es lassen sich zwei Klassen dieser psychologischen Verben unterscheiden, die je einen unterschiedlichen Typ einer Präsupposition nach sich ziehen: (a) sog. faktive Verben und (b) sog. epistemische Verben. Für die faktiven Verben gilt, dass wenn ihr (semantisches) Subjekt17 in der zweiten oder dritten Person steht, vorausgesetzt wird, dass p wahr ist bzw. vom Sprecher für wahr gehalten wird. Zu diesen Verben gehören u.a. »wissen«, »bedauern«, »sich freuen über«. Für die epistemischen Verben gilt das Gegenteil: Sie induzieren die Präsupposition, dass p gerade nicht der Fall ist, bzw. dass der Sprecher das glaubt (gleichfalls auf (semantische) Subjekte der zweiten und dritten Person eingeschränkt). Zu ihnen gehören (bestimmte Fälle von) »glauben«18, (bestimmte Fälle von) »meinen«19, (bestimmte Fälle von) »denken«20, »(be-) fürchten«, »hoffen«. Die letzte Kategorie (der epistemischen Verben) lässt sich nochmals dahingehend weiter differenzieren, welche Bedingungen für die Proposition gelten, die vom »dass«-Satz (oder dem Infinitiv-Nebensatz) ausgedrückt wird. Entweder es gibt keine weitere Einschränkung (wie bei »glauben«), oder die Proposition ist für den Referenten des (semantischen) Subjekts negativ (wie bei »befürchten«) oder positiv (wie bei »hoffen«). Analoge Unterscheidungen lassen sich auch für faktive Verben treffen (positive Effekte bei »sich freuen über«, negative (nicht unbedingt für das Subjekt allein allerdings) bei »bedauern«.21

Für faktive und epistemische Verben gelten andere Bedingungen (Präsuppositionen betreffend, aber auch Implikatur (s.u.) und Illokution (s.o.) tangierend), wenn das (semantische) Subjekt in der ersten Person steht – also den Sprecher bezeichnet. Sie haben dann (v.a. im Präsens) expressive (Gefühle und Haltungen ausdrückende) und/oder illokutionäre bzw. illokutionsmodifizierende Funktionen. Im Fall von »Ich glaube, M. ist zur Zeit in Hamburg.« kann zum Beispiel Unsicherheit hinsichtlich des Wahrheitsgehalts der Behauptung zum Ausdruck gebracht werden. Die illokutionäre Rolle der Assertion (Behauptung) wird also modifiziert (hier: abgeschwächt, eingeschränkt).22

Für Verben der propositionalen Einstellung wie »bezweifeln«, »bestreiten«, »dementieren« gelten noch komplexere Bedingungen. Für »bedauern« und »sich empören darüber, dass ...« kommt noch eine moralische Dimension hinzu.

»Preparatory rules« bzw. »felicity conditions« von Sprechakten können m.E. auch als eine Variante von Präsuppositionen aufgefasst werden.

Da die Präsuppositionen von Äußerungen vom Hörer in irgendeiner Weise »mit verstanden« oder gegebenenfalls ergänzt werden müssen, sind sie aufs Innigste mit Implikaturen (s.u.) verbunden. Wenn Äußerungen mit bestimmten Präsuppositionen verbunden sind, diese aber noch gar nicht in den Diskurs eingeführt wurden (nichts Entsprechendes gesagt wurde), werden sie unter günstigen Umständen (das heißt: meistens) vom Hörer stillschweigend ergänzt. Die spezielle Form der Ergänzung seitens des Hörers nennt man Akkommodierung ((engl.) accommodation).

Zu Präsuppositionen siehe außerdem LEVINSON (1983: 167ff.)

5. Konversationelle Implikaturen (nach Grice)

Oft meinen und verstehen wir mehr als wir eigentlich sagen. Zum Beispiel:

  1. »Der Zug hatte Verspätung und die Anschlusszüge konnten nicht mehr erreicht werden.«

Verstanden wird: »... und deswegen konnten ...«

(Außerdem ergänzen wir z.B. auch, dass es sich mutmaßlich um die Anschlusszüge des zuvor erwähnten Zuges handelt.)

Vergleiche:

  1. »Die Anschlusszüge konnten nicht mehr erreicht werden und der Zug hatte [außerdem ohnehin auch schon] Verspätung.«

(19) legt definitiv eine andere Lesart als (18) nahe (angedeutet durch die (Präsuppositionen induzierenden (s.o.) Partikeln in eckigen Klammern). Demnach können die beiden »und«s, um die es hier geht, nicht die gleiche »Bedeutung« haben – insbesondere nicht die der logischen Konjunktion. Denn für die gilt:

p & q g.d.w. q & p

(Wenn »p und q« wahr ist, dann auch »q und p« (und umgekehrt).)

Für das Funktionieren der Implikaturen macht Grice eine kooperative Einstellung in der Kommunikation verantwortlich. Er identifiziert im Einzelnen die folgenden konversationellen Maximen, die er in vier Kategorien einteilt (GRICE 1989: 26f):

  1. Maximen der Quantität:

  1. Maximen der Qualität:

  1. Maxime der Relation:

  1. Maximen der Art und Weise (»manner«):

Einige Implikaturen werden von bestimmten Verben nahegelegt. Zum Beispiel »versuchen«. Wenn man sagt, jemand versuchte zu entkommen, wird der Hörer meistens via Implikatur schlussfolgern, dass es »ihm« nicht gelang zu entkommen.

Auch (bewusste) Verletzung (»flouting«) der Maximen kann produktiv eingesetzt werden. So erklärt Grice die Möglichkeit und das Verstehen von Metaphern, Ironie, etc.

Präsuppositionen (s.o.) sind ein potenzielles Vehikel von Implikaturen. Verwendet ein Sprecher Sätze, die Präsuppositionen mit sich führen, die aber vom Diskurs bis dahin nicht gedeckt sind, wird der Hörer sie unter günstigen Umständen (durch Akkommodierung) ergänzen. Darauf gestützt kann der Sprecher Präsuppositionen gezielt für Implikaturen einsetzen. Zum Beispiel:

  1. »Ich habe auch keine Lust. Aber die Arbeit muss einfach schleunigst erledigt werden.«

»Auch« ist hier mit der Präsupposition verbunden, dass jemand anderes gleichfalls keine Lust hat. Der Hörer wird schließen, er sei derjenige, der angeblich keine Lust hat, und die Äußerung als Kritik an seiner Arbeitseinstellung auffassen.

Auf ähnliche Weise können auch indirekte Sprechakte (s.o.) analysiert werden. Anstatt einen Sprechakt direkt auszudrücken, wird nur eine ihrer Voraussetzungen (preparatory oder propositional content conditions) genannt. Zum Beispiel wenn »Es zieht.« als Aufforderung oder Bitte, das Fenster zu schließen, gebraucht wird.

6. Anaphern

Unter Anaphern versteht man Ausdrücke, die eine rückbezügliche Bedeutung haben. Anaphorische Ausdrücke haben – im Gegensatz etwa zu Eigennamen – keine feststehende Referenz, sondern ihre Referenz hängt systematisch vom gegebenen Kontext ab. Ihre Referenz wird von einem anderen Ausdruck festgelegt, der im Diskurs vorher auftrat. Das können Gesprächsfragmente sowohl des Sprechers selbst als auch von anderen beteiligten Personen sein. Der Vorläufer-Term, auf den sich die Anapher bezieht, sein Ankerpunkt so zu sagen, nennt man »Antezedens« oder »Antezedens-Ausdruck«. Der Antezedens-Ausdruck einer Anapher kann selbst ebenfalls eine Anapher sein, die dann zu ihrer Interpretation (der Festlegung ihrer Referenz) ihrerseits eines Antezedens-Terms bedarf. In diesem Fall spricht man von Anapher-Ketten oder anaphorischen Ketten. Zwischen Anapher und ihrem Antezedens besteht eine Koreferenz-Beziehung23.

Der offenkundigste Typ von Anaphern sind Personalpronomina (der dritten Person Singular und Plural), also ((dt.) »er«, »sie«, »es« und »sie«, sowie die Formen in den anderen Kasus). Die Pronomina tragen (fast) keinerlei semantische Information - »fast«, weil sie in einigen Fällen zumindest über das (biologische) Geschlecht des (intendierten) Referenten Auskunft geben. Die anaphorischen Pronomina müssen (im Deutschen) in Numerus und Genus mit dem Antezedens-Ausdruck kongruieren.24 Possessivpronomina (»sein«, »ihr«, »mein« ...) kongruieren (im Deutschen) darüber hinaus hinsichtlich Person (erste, zweite, dritte), Numerus und grammatischem Genus des Besitzers.25

Der Antezedens-Ausdruck muss nicht unbedingt ein referierender Ausdruck (etwa ein Eigenname, oder eine Beschreibung einer oder mehrerer Personen oder Dinge, oder auch ein deiktischer Term (s.u.)) sein.26 Das Antezedens kann auch in einer Verbalphrase bestehen (21), in Adjektiven (22), Adverbien (23) und (örtlichen (24), zeitlichen (25), instrumentellen (26) ...) Adverbialen, in einer vorangehenden Äußerung im Wortlaut (in einem metasprachlichen Kommentar) (27), in einer Proposition27 (dem Inhalt einer Äußerung unabhängig vom Wortlaut) (28) und einer Illokution (29).

  1. (engl): »I VP[pull it up]i, and by doing soi I ... .«28

  1. »Ich habe mir die Haare [blau]i gefärbt. Soi gefallen sie mir am besten.«

  2. »Er kam [polternd]i zur Tür rein. Weil er in dieser Manieri eintrat, befürchteten wir einen seiner berüchtigten Wutausbrüche.«

  3. »Ich lege dir den Schlüssel [unter die Gießkanne]i . Dorti findet man ihn nicht so leicht.«

  4. »[Früher]i war alles besser. Damalsi kosteten die Zigaretten nur halb so viel.«

  5. »Du kannst auch [mit Kreditkarte]i zahlen. An manchen Kartenautomaten kannst du sogar nur soi zahlen.«

  6. »Du wolltest doch heute schon [um fünf]i da sein.« - »Dasi habe ich nicht gesagt.«

  7. »Peter sagte, [der Supermarkt sei auch sonntags geöffnet]i. Dasi kann ich gar nicht glauben.«

  8. »Force[Ich möchte mich für mein Verhalten bei dir entschuldigen.]i Kannst du dasi annehmen?«

Nicht alle anaphorischen Ausdrücke sind von dem Typ eines Pronomens. Ein großer Teil definiter DPs, also grob gesagt Konstituenten, die mit einem bestimmten Artikel anfangen, funktioniert als Anaphern. Die lexikalischen Anaphern29 enthalten im Unterschied zu den reinen Anaphern (den Pronomina) semantische Informationen. Die Informationen restringieren die Menge der als Antezedens-Ausdrücke in Frage kommenden Elemente. Die so zu Stande kommende Kongruenz und Koreferenz läuft also über semantische Merkmale und nimmt keine Rücksicht auf grammatische Merkmale (jedenfalls nicht auf grammatisches Genus). Ein Beispiel:

»Beim gestrigen Parteitag referierte Olaf Helmersoni über eine Stunde lang über die Vorzüge des staatlichen Rentensystems. Der Redneri fiel durch seine Zerstreutheit und die mangelnde inhaltliche Sachkenntnis auf.«

Man beachte, dass in diesem und analogen Fällen die Setzung eines unbestimmten Artikels nicht möglich gewesen wäre. Ein unbestimmter Artikel (»... Ein Redner ...«) hätte zwingend eine andere Lesart nach sich gezogen, nämlich dass der so bezeichnete Redner verschieden von Olaf Helmerson ist.

Der Antezedens-Ausdruck kann in manchen Fällen auch vor der Anapher auftreten. Zum Beispiel:

  1. »Seinei Akten bewahrt der vorsichtige Staatsanwalti im Falle derartiger Mafia-Prozesse immer im Safe auf.«

Gleichwohl gibt es offenbar bestimmte Prinzipien, wann ein derartiger »vorgezogener Rückbezug« erfolgen darf. Es lässt sich zeigen, dass hier bestimmte syntaktische Beziehungen einschlägig sind. Hierzu gibt es Untersuchungen und Erklärungen seitens der generativen Grammatik. Entscheidend ist für die Möglichkeit der Bindung der Anapher durch das Antezedens u.a. die Position im syntaktischen Strukturbaum.30

Die Logik der (reinen und lexikalischen) Anaphern und deren Koreferenz-Beziehungen zu zuvor einführten »Diskursreferenten« ist einer von mehreren Gegenständen, mit denen sich die Diskursrepräsentationstheorie beschäftigt (s.u.).

7. Deixis/indexikalische Ausdrücke

Deiktische oder indexikalische Ausdrücke31 teilen einen Wesenszug mit den Anaphern: ihre systematische Kontextabhängigkeit und Abwesenheit einer gleichbleibenden Referenz.32 Nur, wo es sich bei Anaphern um den diskursiven Kontext drehte, ist für deiktische Ausdrücke der (nicht-sprachliche) situative Kontext relevant. Die jeweilige Bedeutung ist also je nach situativem Kontext eine andere. Es gibt verschiedene Typen von Deixis: (a) personale, (b) ostensive/demonstrative, (c) räumliche (spaziale), (d) zeitliche (temporale). Bei der Identifikation des jeweiligen Referenten muss von einem »deiktischen Zentrum« ausgegangen werden. Das ist oft die Person bzw. der Ort des Sprechers (zum Zeitpunkt der Äußerung) oder der Zeitpunkt des Sprechens (bzw. Schreibens). Das deiktische Zentrum muss nicht immer an den Sprecher geknüpft sein.

(a) Personale Deixis

Die Bedeutung der Personalpronomina der ersten und zweiten Person (Singular und Plural) – also »ich«, »du«, »wir«, »ihr«, sowie die anderen Kasus-Varianten und Possessivpronomina – haben eine je unterschiedliche Referenz, je nach dem wer gerade der Sprecher der Äußerung ist, in der sie vorkommen, und (im Fall der zweiten Person), wer der oder die Angesprochene(n) ist bzw. sind. Für das Pronomen der ersten Person Plural sind (mindestens33) zwei Lesarten möglich: eine inklusive (den Angesprochenen und ggf. eine Gruppe, der er angehört, einschließende) und eine exklusive (diese ausschließende). Im Spanischen dürfte – wie die Etymologie nahe legt – das Pronomen »nosotros« (wörtlich: »wir anderen«) ursprünglich eine rein exklusive Bedeutung gehabt haben. Für das Französische ist anzumerken, dass unpersönliche Wendungen (i.d.R. mit »on«, z.T. auch mit Reflexiv-Konstruktionen gebildete) Wendungen den Gebrauch von »nous« bzw. den entsprechenden Verbformen tendenziell verdrängt (hat). (Bsp.: (frz.) »On y va?«)

(b) Demonstrativa

Ähnlich wie im Fall der Anaphern lässt sich zwischen reinen und lexikalischen demonstrativen Ausdrücken34 unterscheiden. In die erste Klasse fallen: »der da«, »jener dort«, »in etwa so«, »das hier«, usw. In die zweite Kategorie: »Der schlanke Mann dort hinten«, »die offen stehende Tür dort«, u.a.m. Die lexikalischen Demonstrativa enthalten zusätzliche semantische Informationen, die den Bereich möglicher Bezugsobjekte und -Personen einschränken. Sie enthalten insbesondere sortale Terme wie »Mann« oder »Tür«, also Bezeichnungen für Gattungen. Man kann argumentieren, dass auch für das Verständnis von rein deiktischen Ausdrücken stillschweigend ein generisches Sortal mit verstanden werden muss, wie etwa »Mensch« oder »Person« in »der da«35, oder der Term »Farbe« bei (einer Lesart von) »in etwa so«. Demonstrative Ausdrücke und Wendungen zeichnen sich außerdem dadurch aus, dass sie oft von bestimmten Gesten (Zeige-Bewegungen, Blickrichtung, Kopfdrehung, ...) begleitet werden.

Viele Sprachen verfügen bei den Demonstrativpronomina über Paradigmen, deren Elemente eine Angabe darüber machen, wie nah oder fern der Referent ist:

(dt.) »dieser« vs. »jener«, (it.) »questo« vs. »quello«, (frz.) »ceci« vs. »cela«.36

(c) Räumliche Deixis

Bei der räumlichen Deixis (deiktische Orts- und Richtungsangaben) ist besonders deutlich, dass eine implizite Bezugnahme auf ein deiktisches Zentrum im Spiel ist. Im einfachsten Fall spezifiziert die deiktische Ortsangabe, ob der gemeinte Ort nahe am deiktischen Zentrum ist (oder mit ihm zusammenfällt) oder relativ entfernt davon ist. Im zweiten Fall ist in der Regel auch ein demonstrativer Aspekt mit im Spiel (sowie begleitende Zeigegesten):

(dt.) »hier« vs. »da« (unbestimmt) vs. »dort«, (it.) »qui/qua« vs. »là/lì«, (frz.) »ici« vs. »là«.

Ähnlich sind die einfachen Fälle der deiktischen Richtungsangabe. Es wird nur spezifiziert, ob die Bewegung zum Zentrum hin oder von ihm weg erfolgt (oder erfolgen soll, wird etc.):

(dt.) »hierher« vs. »dahin« (unbestimmt) vs. »dorthin«, (it.) »qui/qua« vs. »là/lì«, (frz.) »ici« vs. »là«).

In diesen Fällen ist das deiktische Zentrum in der Regel der augenblickliche Aufenthaltsort des Sprechers.

Andere deiktische Orts- und Richtungsbestimmungen geben zusätzliche Hinweise über die Richtung des Orts oder Ziels relativ zum deiktischen Zentrum. Beispiele sind »(nach) oben«, »(nach) unten«, »(nach) rechts/links«. »gegenüber«. Für diese Fälle wird zusätzlich eine bestimmte Orientierung an den drei Raumdimensionen vorausgesetzt. Im Falle der »rechten Hand« ist das deiktische Zentrum normalerweise die Personen, dessen Hand sie ist. »Gegenüber« kann auch bezüglich eines vorher erwähnten Gebäudes gemeint sein. Auch Bestimmungen wie »X ist rechts von Y.« und »V liegt direkt gegenüber von W.« sind auf eine bestimmte Perspektive – mithin ein deiktisches Zentrum – angewiesen. Welche Konventionen hinsichtlich des jeweils anzunehmenden deiktischen Zentrums gelten, ist von Sprache zu Sprache verschieden.37

Es gibt auch Verben, deren Bedeutung teils deiktischen Charakter haben. Dazu gehören »kommen«, »(weg-) gehen«, »bringen« und »holen«, sowie Zusammensetzungen mit »hin-«, »her-«, »davon-« und »weg-«. Die Setzung des deiktischen Zentrums bringt eine bestimmte Perspektive ins Spiel, unter der die Handlung beschrieben wird.

(d) Temporale Deixis

Im einfachsten Fall ist die relationale Zeitangabe auf den Zeitpunkt der aktuellen Äußerung bezogen. Beispiele sind »jetzt«, »vorhin«, »gestern«, »morgen« usw. Die Logik der temporalen Deixis ist (in romanischen Sprachen, dem Deutschen und Englischen) die Grundlage des verbalen Tempus- und Aspektsystems.

8. Relevanztheorie (Sperber & Wilson)38

Ausgehend von Grice' Beobachtungen im Zusammenhang der konversationellen Implikaturen (s.o.) und Maximen entwickeln Sperber und Wilson Grice' Theorie weiter. Unter anderem beleuchten sie weitere Aspekte des Phänomens, mehr zu meinen und zu verstehen als gesagt wird. Das Ziel der sog. Relevanztheorie besteht darin, ein Modell der diesen pragmatischen Verständnisleistungen zugrunde liegenden Kognition zu entwickeln. Abweichend von Grice nehmen sie an, dass letztlich nur eine konversationelle Maxime wirksam ist – nämlich »Be relevant!« - die anderen von Grice genannten seien auf diese zurückzuführen.

Sperber und Wilson führen in das ursprüngliche Konzept der Implikatur (s.o.) eine Unterscheidung ein: Einige der Griceschen Implikaturen bewerkstelligen eine inhaltliche Anreicherung und Präzisierung (»pragmatic enrichment«) des wörtlich Gesagten. Die Anreicherung ist aber an der logischen Form und der gegebenen Semantik der Wörter orientiert. Diese nennen die Relevanztheoretiker Explikaturen. Den Begriff der Implikatur reservieren sie für weiter gehende Implikaturen, die sich auf Präsuppositionen und Konsequenzen des Gesagten (und des per Explikatur Explizierten) beziehen – wie etwa bei indirekten Sprechakten (s.o.).

Die empirische Tatsache, die durch die Theorie kognitionswissenschaftlich erhellt werden soll, stellt also die Diskrepanz zwischen wörtlich Gesagtem und effektiv Gemeintem und Verstandenem dar. Äußerungsbedeutungen sind vom Sprachmaterial her unterdeterminiert. Die genanten und andre Autoren zeigen im Einzelnen u.a. folgende Quellen der Unterdeterminierung auf:

Zum Beispiel: »Das Programm ist benutzerfreundlich.« (Nach welchem Bewertungsmaßstab, verglichen mit welchen anderen Programmen, in Bezug auf welche Anwendungen, für Anfänger oder Fortgeschrittene ...?) Ähnlich: »Das ist zu viel/genug.« (Für wen, bezüglich was, für welchen Zweck ...?)

Beispiel: »M. ist jetzt nicht zu sprechen. Er ist im Augenblick beschäftigt.« (»Beschäftigt in welchem Sinn? Angestellt? Mit dem Spitzen von Bleistiften? Mit dem Sortieren unwichtiger Unterlagen?)

Beispiele: »Etwas muss passiert sein.«, »Es kommt nichts im Fernsehen heute.«.

Wenn es nun um ein Modell kognitiver Operationen geht, steht am Anfang folgendes Problem, das das interpretierende System lösen muss: Angesichts der Tatsache, dass ein und die selbe Äußerung in verschiedenen Kontext ganz unterschiedlich gemeint sein kann, ergeben sich im Prinzip eine erhebliche Menge von möglichen Interpretationen. Die Frage ist also: Wie kann das System »in Echtzeit« (»on-line«) Hypothesen aufstellen, bewerten und verwerfen oder akzeptieren?

Sperbers und Wilsons Vorschlag geht in zwei Schritten vor.39

Schritt 1: Sie definieren das Konzept der Relevanz genauer: Relevanz ist eine Eigenschaft von Inputs in das kognitive System, perzeptueller (Wahrnehmung) oder konzeptueller (sprachähnlicher) Art. Der Grad der Relevanz hängt von zwei Größen ab. Erstens, von den kognitiven Konsequenzen, die ein Input für das System hat. Die Relevanz ist um so größer, je zahlreicher oder tiefgreifender die Konsequenzen sind.40 Zweitens, der Grad der des prozessualen Aufwandswork load«), der nötig ist, diese Konsequenzen ausgehend vom Input abzuleiten. Die Relevanz ist um so niedriger je größer der Aufwand. Je niedriger der Aufwand ist, desto leichter ist eine Ableitung oder Hypothese zugänglichaccessible«).

Schritt 2: Sie formulieren das Relevanzprinzip der Kommunikation: Jede kommunikative Handlung macht von einer Unterstellung ihrer eigenen optimalen Relevanz Gebrauch. Das heißt, die Botschaft ist jedenfalls so relevant, dass sie der Aufmerksamkeit des Adressaten in Anbetracht der gebenen Situation und vor dem Hintergrund der Kenntnis desselben wert ist.

Daran anschließend formulieren sie folgende Hypothese, wie die Prozedur des Gewinnens einer Interpretation im Kern abläuft: Prüfe Hypothesen der möglichen Interpretation in der Reihenfolge ihrer Zugänglichkeit (erst die leichter zugänglichen, die mit weniger »work load« verbunden sind). Prüfe so lange, bis eine Hypothese gefunden ist, die die Erwartung der Relevanz erfüllt und beende dann die Operation.

Das Prinzip der kognitiven Operation folgt also im Kern einem Ökonomie-Prinzip. Es befolgt eine Maxime des größten Nutzens (Relevanz) bei geringstem Aufwand (»least effort«).

9. Diskursrepräsentationstheorie (DRT) (Kamp u.a.)41

Die zentrale Idee der Diskursrepräsentationstheorie (DRT) lässt sich so zusammenfassen: Die Bedeutung einer Äußerung besteht in ihrem Potenzial, die je aktuell im Raum stehenden (diskursiven) Annahmen (der Gesprächsteilnehmer) zu verändern. Die Theorie ist stark formalisiert. Die Formalisierung erfolgt in zwei Stufen: Zunächst werden die logischen Beziehungen im Diskurs durch Diagramme dargestellt. Diese werden Diskursrepräsentationsstrukturen (DRS) genannt. Die so dargestellten Beziehungen werden dann in einer zweiten Formalisierungsstufe mit Mitteln der mathematischen Modelltheorie beschrieben. Die erste Form der Modellierung ist leichter zugänglich und anschaulicher. Man kann die Theorie auch ohne den mathematischen Zusatzapparat anwenden. Ein Vorläufer der DRT besteht in der File Change Semantics von Irene Heim (s. HEIM 1982). Es gibt noch andere verwandte Modelle anderer Autoren. Alle Varianten können als Ausprägungen einer »dynamischen Semantik« charakterisiert werden, insofern Bedeutung wesentlich als eine diskursive Veränderung aufgefasst wird.

Im Zentrum der DRT stehen unter anderem Bindungsbeziehungen zwischen Anaphern und ihren Antezedens-Termen (und ihren Referenten) sowie Wechselbeziehungen zwischen diesen Bindungsverhältnissen und anderen logischen Verhältnissen – vor allem Quantifikation und Konditionalen. Am Anfang steht die Beobachtung, dass wenn ein Referent neu (in den Diskurs) eingeführt wird, dies i.d.R. mittels eines unbestimmten Artikels erfolgen muss.42 Der Referent wird »Diskursreferent« genannt. Für diesen wird eine Art Karteikarte angelegt (eine DRS, bei Heim: »file«), auf der alle im Laufe des Diskurses getroffenen Aussagen über den Referenten (genauer gesagt, die Prädikate, die für ihn mutmaßlich gelten) festgehalten werden. Außerdem muss protokolliert werden, mit welchen alternativen Bezeichnungen auf den Diskursreferenten Bezug genommen wird, insbesondere durch wechselnde Namen und lexikalische Anaphern (s.o.). Dies erfolgt durch die Eintragung von Identitätsbeziehungen auf der Karteikarte. Abgesehen von Eigennamen müssen alle späteren Bezugnahmen auf den Diskursreferenten mit DPs erfolgen, die mit einem bestimmten Artikel markiert sind, oder mit Pronomina.

Es zeigt sich, dass sich die möglichen anaphorischen Bindungsbeziehungen eingeschränken, wenn hypothetische Aussagen gemacht werden (Konditionale) oder wenn Quantifikation im Spiel ist. Von Quantifikation spricht man u.a., wenn Ausdrücke wie »alle«, »viele«, »manche«, »oft«, »selten«, »immer«, »die meisten« vorkommen. Manchmal sind quantifizierende logische Strukturen allerdings auf der Oberfläche nicht sichtbar. Sie beeinflussen aber die Möglichkeiten und Lesarten von definiten und indefiniten DPs. Eine gewisse Berühmtheit haben in diesem Zusammenhang die sog. »donkey-Sätze« erlangt, die solche verdeckten Quantifikationen (und Konditionale) illustrieren. Sie heißen so, weil in ihnen ein Esel vorkommt:

  1. »Ein Bauer, der seinen Esel liebt, schlägt ihn.«

Die Bedeutung dieses Satzes lässt sich paraphrasieren mit:

  1. »Für alle Bauern dieser Welt gilt: Wenn einer dieser Bauern einen Esel besitzt und wenn er ihn liebt, dann schlägt er ihn.«

10. Konversationsanalyse (conversational analysis)

Die Konversationsanalyse untersucht die Regulierung des Beginnens und Endens bzw. Abbrechens von einzelnen Redebeiträgen (turn takings) in einem Dialog oder Gespräch mit mehreren Teilnehmern. Ausgangsbeobachtung war, dass die Zahl und v.a. Dauer von Überlappungen zwischen mehreren Beiträgen unterschiedlicher Gesprächsteilnehmer deutlich niedriger ist als aus statistischen Erwägungen heraus zu erwarten wäre. Man konnte einzelsprachlich verschiedene Signale belegen, die die turn takings steuern. Sie betreffen u.a. Pausenlängen, Intonationskurven, Sprechgeschwindigkeit u.a.m.43

11. Diskursanalyse/Gesprächsanalyse

Die Diskursanalyse (manchmal auch Gesprächsanalyse genannt) wendet verschiedene Elemente der bisher dargestellten Theorien und Konzepte an und analysiert Texte (etwa Bedienungsanleitungen zur Prüfung auf Verständlichkeit) und Gespräche (z.B. zwischen Kunde und Kundendienst).44 Versucht auch praktische Elemente in die (eher theoretische) Linguistik einzuführen, die bspw. für Kommunikationstrainer umgesetzt werden können.45

12. Zusammenfassende Graphik

13. Übergänge zur Soziolinguistik

Sozio-linguistische Studien und Theorien zu Höflichkeit. Siehe z.B. BROWN & LEVINSON (1999).

Sprache und Konfliktbewältigung: Goffmans Konzept »face« (»das Gesicht wahren« und »das Gesicht verlieren«) und andere soziologische Erklärungsmodelle (vgl. GOFFMAN 1997).

14. Übergänge zur Philosophie

HABERMAS, Jürgen (1991): Theorie des kommunikativen Handelns, 2 Bände, Frankfurt a. M.

BUTLER, Judith (1998): Hass spricht. Zur Politik des Performativen, Berlin. [Originaltitel: Excitable Speech.] Betrachtungen zu verletzender Rede (z.B. rassistischer) und ihrer Abgrenzung zum (i. d. amerikanischen Verfassung verbrieften) Recht auf freie Meinungsäußerung – u.a. unter Rückgriff auf Althussers Konzept des Identität und Selbstwert (evt. z.T. auch Selbstbewusstsein) stiftenden »Angesprochen-Werdens« (Bsp.: Polizist ruft dich auf der Straße.) und auf Derrida.

DERRIDA, Jacques (1988): »Signatur, Ereignis, Kontext«, in: ders.: Randgänge der Philosophie, Wien. Kritisiert eine mutmaßliche Überschätzung der Rolle von Sprecher-Intentionen (Sprecher-Absichten) in der Bedeutungskonstitution und verweist stattdessen auf die historische Dimension der Bedeutung von Wörtern und Wendungen. In der geschichtlichen Dimension ziehen Ausdrücke typische Kontexte ihrer (u.a. auch performativen, perlokutionäre Effekte erzielenden und (ab-) wertende Konnotationen transportierenden) Verwendung mit sich und »vererben« sie. Die Folge ist, dass die de facto erzielten Wirkungen von Äußerungen (ergo: Bedeutung) über die (bewussten) Absichten hinausgehen. Die Kritik ist in erster Linie an die Sprachphilosophie Searles (s.o.) gerichtet, betrifft aber auch Grice (s.u.) und den zeitgenössischen sprachphilosophischen mainstream. Es existiert übrigens eine Replik Searles darauf und eine erneute Erwiderung Derridas.46

GRICE, H. Paul (1993a, b). Analysiert Sprecher-Bedeutungen als Absichten, im Hörer eine Wirkung zu erzielen, die Wirkung nämlich, dass er etwas tut oder von da an (bis auf weiteres) glaubt. Das wird dann modifiziert in: Der Hörer soll etwas tun oder glauben auf Grund der Erkennens, dass der Sprecher eben diese (zuvor genannte) Absicht hat. Das geht dann noch weiter in dieser Art der Verschachtelung (Iteration, Rekursion): Der Sprecher hat die Absicht, dass der Hörer auf Grundlage der Erkenntnis der Absicht der Sprecher, dass dieser (der Hörer) erkennt, dass der (der Sprecher) die Absicht hat, dass usw. usw. Das Programm trägt den Namen »intentionalistische Semantik« und wurde von George MEGGLE (1993) fortgeführt und weiter formalisiert. Es ist programmatisch eingebettet in ein (metaphysisches) reduktionistisches Programm, das letztlich das Ziel verfolgt, neuronale Korrelate von Intentionen identifizieren zu können. Die intentionalistische Semantik lässt sich aber auch unabhängig davon betreiben und diskutieren. Eine eindrucksvolle Kritik (um nicht zusagen: Widerlegung) des zuletzt genannten reduktionistischen Programms und der darin enthaltenen Bedeutungskonzeption lieferte Stephen SCHIFFER (1987). Grice entwickelt seine Theorie in mehreren Artikeln (mit tricky Beispielen, denen er gerecht zu werden sucht), die teils auf Kritikpunkte eingehen, die Searle in wieder anderen Artikeln erhoben hat (durchexerziert an ebenso tricky Beispielen). Grice Ideen werden später von David LEWIS (1974) aufgegriffen und um das Moment sprachlicher Konventionen erweitert. Das ganze wird in einem spieltheoretischen Kalkül entwickelt47.

STRAWSON (1964). Verweist auf das Merkmal der Durchsichtigkeit (»avowability«) von Sprecherabsichten als wesentlich für Illokutionen, im Gegensatz zu perlokutionären Effekten (z.B. Beleidigen, Überreden, Belügen, zum Abschluss einer überteuerten Lebensversicherung bringen ...), bei denen dem Hörer die wahren Sprecherabsichten gerade verborgen bleiben sollen (wenn es nach dem Sprecher geht). Dass die Unterscheidung zwischen Illokution und Perlokution möglicherweise nicht trennscharf zu treffen ist und eine Grauzone des Übergangs zwischen beiden besteht, zeige ich in <http://www.lingrom.fu-berlin.de/hagen/austin.htm>>. Es bildet auch ein Argument von BUTLER (1998) (s.o.), die allerdings die Terminologie selbst etwas durcheinander wirft. Vielleicht ist die Existenz einer Grauzone ein Grund dafür, dass diese Unterscheidung in einführenden Büchern und Artikeln zur Pragmatik oft fehlerhaft dargestellt wird.

Donald DAVIDSON (1986a, b)48: Ähnlich wie sich das Grice im Zusammenhang mit dem postulierten Kooperativitätsprinzip und den konversationellen Implikaturen vorstellt (s.o.), beinhaltet das Verstehen von sprachlichen Äußerungen eine in gewissem Sinn einfühlsame, dem Sprecher gegenüber »wohlwollende« Einstellung. Für die Bedeutung von Wörtern, Sätzen und Äußerungen ist eine Interpretationsleistung konstitutiv. Durch die Interpretation des Gesagten gelangt der Hörer zum Gemeinten. In gewissen Sinn muss der Hörer dabei das Gesagte in sein eigenes Idiom »übersetzen«. Insofern ist Davidson zufolge die Situation bei der Kommunikation innerhalb einer Sprachgemeinschaft im Prinzip nicht verschieden von der Situation eines ethnologischen Feldforschers, der zum ersten Mal die Sprache eines fremden Volks entschlüsseln will. Davidson nennt diesen Aspekt seiner Theorie »radical interpretation«. Diese »wohlwollende Einstellung« beinhaltet u.a. (a) die Unterstellung, dass der Sprecher überwiegend wahre Dinge sagt (vgl. Grice' erste Maxime der Qualität), und (b) die Unterstellung, dass der Sprecher weitgehend vernünftig (»rational«) ist, in dem, was er sagt und tut. (Vgl. Grice' zweite Maxime der Qualität und die Maxime »Be relevant!«.) Dieser Gedanke wird prägnant in die Formel eines »principle of charity« (»Prinzip der Nachsichtigkeit«) gefasst, welches grundlegend für menschliche Verständigung sei. Irrtümer und vom Hörer abweichende Meinungen des Sprechers sind nur vor einem Hintergrund weitgehend geteilter Meinungen und Wissens verständlich. Dies hat natürlich Folgen für Davidsons weiter gehende Sprachphilosophie. Es führt insbesondere zur Holismus-Auffassung der sprachlichen Bedeutung. Diese besagt, dass das Verstehen einer Äußerung – und damit deren Bedeutung – notwendig verbunden ist mit der Fähigkeit, sie in einen Kontext von relevantem Hintergrundwissen einordnen zu können. Davidson setzt die Lehren seines Lehrers Quine fort, von denen er aber entscheidend abweicht, und verwendet Tarskis »Schema T« (»T« wie »truth«), einer mathematischen Modellierung des Wahrheitsprädikats, das er aber gegenüber der ursprünglichen Intention Tarskis quasi auf den Kopf stellt.

George Herbert MEAD (1934). Zeichnet (hypothetisch) die Ürsprünge symbolischen Denkens und von Sprache auf. Eine zentrale Rolle spielen dabei für ihn Gesten. Lautäußerungen werden zunächst als Sonderfall von Gesten aufgefasst (im Anschluss an Wundt). Er bezeichnet sie als Lautgebärden (»vocal gestures«). Daher unterzieht er zunächst die elementare Natur von Gesten einer Analyse. Für mehr Information siehe z.B. Hagen (o.J.).49

Robert B. BRANDOM (1994): Making It Explicit. Reasoning, Representing, and Discursive Commitment, Cambridge (Mass.), London. Brandom entwickelt ein detailliertes Modell der sprachlichen Kommunikation. Sie ist pragmatistisch ausgerichtet, insofern als er großes Gewicht auf die sozial-interaktiven und normativen (d.h. regelgeleiteten) Aspekte der Sprachverwendung legt. Zentral sind (a) das Konzept des »scorekeeping« und (b) die inferenzialistische Hypothese bezüglich der Bedeutung von Behauptungen und Wörtern. »Scorekeeping« bezeichnet die Erfordernis, im Zuge eines Gesprächs (und darüber hinaus) darüber im Bilde bleiben zu müssen, was der andere gesagt hat und folglich weiß oder glaubt. Die inferenzialistische These besagt, dass die Bedeutung einer Behauptung als die Summe all dessen aufzufassen sei, was aus einer Behauptung folgt und was sie voraussetzt – genauer gesagt, was ihr Potenzial hinsichtlich solcher Folgerungen (Inferenzen) ist. Wortbedeutungen werden aus Satzbedeutungen abgeleitet. Sie haben insofern Bedeutungen als sie je spezifische Beiträge zu Satzbedeutungen machen. Die beiden Konzepte ((a) und (b)) werden von der Grundidee umklammert, dass (c) sprachliche Kommunikation in weiten Teilen als ein »Spiel des Geben und Verlangens von Gründen« zu charakterisieren sei.

WALTON (1992) entwickelt die Theorie der informalen Logik weiter. Dabei beschäftigt er sich mit Fehlschlüssen, die in der klassischen Literatur mit dem Appellieren an Emotionen in Verbindung gebracht wurden. Er rehabilitiert Appelle an Emotionen als situationsabhängig legitime Formen praktischen Argumentierens. Seine Argumente werden durch detaillierte Analysen konkreter Beispiele (z.B. parlamentarischer Debatten, Entscheidungsfindung bei alltäglichen Problemen) untermauert. Seine pragmatische (oder »dialektische«) Analyse des praktischen Argumentierens bietet einige Anknüpfungspunkte an bestimmte Entscheidungstheorien, die von Bedingungen ausgehen, die wesentlich durch Zeitmangel und eine unvollständige Informationslage gekennzeichnet sind und wo Entscheidungen zum Beispiel dem Abwenden einer akuten Gefahr dienen.50


15. Internetressourcen

http://home.edo.uni-dortmund.de/~hoffmann/Biblio.html

http://amor.rz.hu-berlin.de/~h2816i3x/lehrstuhl

http://www2.let.uu.nl/UiL-OTS/Lexicon/

http://www.ifi.unizh.ch/CL/Glossar/glossary.html

http://culturitalia.uibk.ac.at/hispanoteca/Lexikon%20der%20Linguistik/Eingangsseite/Lexikon-Linguistik-Eingangsseite.htm

http://www.sil.org/linguistics/GlossaryOfLinguisticTerms/contents.htm

http://www.cse.unsw.edu.au/~billw/nlpdict.html

http://www.phillex.de/index.htm

http://plato.stanford.edu/contents.html


16. Literatur


1Siehe (»früher«) WITTGENSTEIN (1984a: Abschnitt 4.024): »Einen Satz verstehen, heißt, wissen was der Fall ist, wenn er wahr ist.«

2»Man kann für eine große Klasse von Fällen der Benützung des Wortes ›Bedeutung‹ – wenn auch nicht für alle Fälle seiner Benützung – dieses Wort so erklären: Die Bedeutung eines Wortes ist sein Gebrauch in der Sprache.« (WITTGENSTEIN 1984b: § 43) »Aber besteht der gleiche Sinn der Sätze nicht in ihrer gleichen Verwendung?« (WITTGENSTEIN 1984b: § 20, am Ende) (Hervorhebungen im Original.)

3Zu Austin siehe auch meine Darstellung auf dieser Site.

4Anders als »Illokution« bezeichnet »Force« (kodiert in der CP) allgemeiner auch Relationen zum vorhergehenden (oder folgenden) Satz, insbesondere auch zwischen Neben- und Hauptsatz. (Vgl z.B. RIZZI (1997)) Relationen, wie etwa die, dass der fragliche Satz einen Grund für die vorige Behauptung darstellt etc. Nebensätze tragen keine eigene Illokution. Solche Relationen (der Begründung, Einschränkung, Konzession, ...) stehen im Zentrum des Interesses der »Genfer Schule« (Roulet, Rossari und andere; siehe z.B. KOTSCHI (1998)). Besonderes Interesse gilt dieser Forschungsrichtung den »connecteurs du discours« (engl.: discourse markers). Beispiele für derartige Konnektoren sind im Französischen »en effet« und »apparemment«, im Italienischen »in ogni caso«, »caso mai« und »comunque«. Solche diskursiven Partikel und Adverbien transportieren mitunter auch Informationen der illokutionären Rolle oder modifizieren eine gegebene illokutionäre Rolle. Beispiele sind (frz.) »evidemment«, »franchement«, (it.) »ovviamente«, »francamente«, »certo che«, (dt.) »halt«, »eben«, »ja« (unbetont), »doch« (betonte und unbetonte Variante, sowie das »doch« am Anfang einer Art Antwort oder Erwiderung). Infolge dieser illokutiven Funktion werden diese Wörter in der germanistischen Linguistik auch »Abtönungspartikel« genannt. Die hier als »connecteur du discours« behandelten Wörter und Wendungen überschneiden sich mit den weiter unten als Präsuppositionen induzierend charakterisierten Partikeln und Adverbien (s.u.).

5Searle hat zum Teil andere Bezeichnungen gewählt, die seitdem gebräuchlicher sind, z.B. »assertorisch« statt »expositiv« und »exhortativ« statt »exerzitiv«. Zum Teil sind die Kategorien (insbesondere bezüglich der »verdiktiv« genannten) etwas anders gefasst.

6In diesem Beispiel müsste man den Fokus wohl als emphatischen Fokus (s.u.) interpretieren. (Mir nicht, aber anderen schon.) Das zeigt, dass eine Unterscheidung zwischen informationellem und emphatischem Fokus nicht immer klar zu treffen ist.

7Je nach der Position des Fokus und je nach angenommener Auswahlmenge (oder »Kontrastklasse«) ergibt sich eine verschiedene Interpretation der Warum-Frage. Diese wirkt sich wiederum darauf aus, welche Antworten als im Prinzip mögliche und – unabhängig von ihrer Wahrheit – angemessene Antworten in Frage kommen. Bas VAN FRAASSEN (1980) greift diese Elemente der Fokustheorie, angewendet auf Warum-Fragen, auf und entwickelt daraus mit Mitteln der linguistischen Pragmatik eine wissenschaftstheoretische Theorie der Kausal-Erklärung. Dazu postuliert er zunächst: »Ursachen« sind Dinge, Ereignisse usw., die in (kausalen) Erklärungen angeführt werden. Weiter: Erklärungen sind Antworten auf Warum-Fragen. Fragen sind durch die Menge der im Prinzip möglichen angemessenen Antworten semantisch bestimmt. Wegen der Abhängigkeit des Sinns der Frage von der angenommenen Auswahlmenge und dem Ort (und dem Skopus, grob gesagt der »Breite«) des Fokus besteht eine systematische Kontextabhängigkeit der Interpretation von Warum-Fragen und ihren Antworten, und damit der Ursachen. Es lässt sich also grundsätzlich nie kontextfrei und unmissverständlich eine Behauptungen der Form aufstellen: »X ist die Ursache von Y.« Van Fraassen zeigt noch weitere Punkte auf, an dem kontextuelle Ko-Determinanten ins Spiel kommen. Ich zeichne Grundzüge seiner Theorie in HAGEN (2000: 35-39) nach.

8Zum Französischen s. z.B. STARK (1997).

9Siehe RIZZI (1997), der im GB-Rahmen eigene funktionale Projektionen für Topic und (kontrastiven!) Fokus postuliert und Belege für diese Annahme anführt. Topic-Status ist im Italienischen bei Links-Dislokation mit einer klitischen Konstruktion verbunden, kontrastiver Fokus verlangt dagegen bei Links-Dislokation, dass gerade kein »resumptive clitic« gesetzt werden darf.

10Im Französischen müssen Cleft- Konstruktionen verwendet werden, um den Kontrast zu auszudrücken: »[C'est Jean]KF que j'ai vu hier (..., non pas Jacques).«

11Quelle: Vortrag von Bernd Pompino-Marschall am 17.01.2005 am Institut für Englische Philologie der FUB.

12Der Gegenbegriff zu »Extension« ist »Intension«. Die Begrifflichkeit geht auf Frege zurück. Hintergrund ist die Beobachtung, dass es Sätze gibt, die zwar bedeutungsgleich (im Sinne identischer Wahrheitsbedingungen) sind (ko-extensiv sind), die aber dennoch in einem anderen Sinn doch als semantisch verschieden betrachtet werden müssen. Die zweite Art von Bedeutung nennt Frege »sense« oder Intension, die erste »reference« oder Extension. (Die Referenz von Sätzen wäre in diesem Fall entweder die ausgedrückte Proposition oder ihr Wahrheitswert <WAHR>/<FALSCH>.) Der Unterschied zwischen den beiden Bedeutungsaspekten zeigt sich in sog. »intensionalen Kontexten«. Ein Beispiel für einen intensionalen Kontext ist »Liliane glaubt, dass ___.« Angenommen, wir haben zwei ko-extensive, so zu sagen synonyme Sätze: Der erste: »Leonardo da Vinci schrieb lückenlos Tagebuch.« Der zweite: »Der Erfinder des Teleskops schrieb lückenlos Tagebuch.« (Ich nehme also an, dass da Vinci das Teleskop erfunden hat.) Wenn ich nun die beiden Sätze in obigen intensionalen Kontext einsetze, ist keineswegs gewährleistet, dass das Resultat – »Liliane glaubt, dass Leonardo da Vinci/der Erfinder des Teleskops lückenlos Tagebuch schrieb.« – gleichfalls wahr ist, vorausgesetzt, er schrieb tatsächlich ein lückenloses Tagebuch, und vorausgesetzt, er erfand das Teleskop. Denn es kann ja sein, dass Liliane nicht weiß, dass er das Teleskop erfunden hat. Zu Intension und Extension siehe z.B. LOHNSTEIN (1996: 257ff).

13Folgendes Argument zeigt, dass man nicht einfach annehmen kann, der Satz in (13) sei falsch. Nach den Regeln der formalen Logik müsste, wenn der Satz falsch ist, sein Gegenteil (also seine Negation) wahr sein. Das ist aber offenkundig nicht der Fall. (Das betreffende formal-logische Prinzip heißt »Satz vom ausgeschlossenen Dritten« oder »Tertium non datur«. Er besagt, dass eine Aussage entweder wahr oder falsch ist, und nichts »Drittes«. Zusammen mit anderen Regeln lässt sich dann oben in Anspruch genommene logische Regel ableiten.)

14CINQUE (1999) analysiert eine Reihe von Adverbien – darunter auch modale, Präsuppositionen induzierende – für das Italienische und Französische unter syntaktischen Gesichtspunkten (aus generativer Sicht). Er beobachtet u.a., dass für bestimmte Adverbien bestimmte Regeln bezüglich ihrer Reihenfolge gelten. Zu den untersuchten Adverbien gehören z.B. (it.) »solitamente«, »già«, »sempre«, (frz.) »généralment«, »déjà«, »toujours«.

15Der Fokus von »auch« in (16) umfasst »ich«. Er kann, muss aber offenbar nicht, prosodisch markiert sein. Der Fokus lässt sich ähnlich wie im Fall des informationellen Fokus (s.o.) als mit einer präsupponierten Auswahlmenge verbunden analysieren. In der Auswahlmenge befinden sich »ich« und andere Personen, für die alle gilt, dass sie einen BMW fahren. Für einige Partikel (z.B. (dt.) »sogar«, (it.) »perfino«, (frz.) »même«) gilt, dass die assoziierte Auswahlmenge überdies geordnet (skaliert) ist. In »Sogar M. war von der Qualität der Arbeit überzeugt.« liegt »M.« im Fokus. »M.« ist ein Element in einer Auswahlmenge, der weitere Personen angehören (qua Präsupposition). Außerdem gilt, von M. wäre im Vergleich zu den anderen am wenigsten erwartet worden, dass er eine gute Qualität bescheinigt. Die Personenmenge ist also geordnet nach dem Grad von skeptischer oder kritischer Einstellung (möglicherweise gegenüber bestimmten Dingen).

16Auch die Verben »beginnen«, »anfangen zu/mit« und ähnliche Verben lösen eine Präsupposition aus, die recht triviale nämlich, das der Vorgang oder die Handlung nicht schon im Gange ist.

17Mit »semantischem Subjekt« meine ich hier eine thematische Rolle, also die Konstituente, die denjenigen bezeichnet, der da etwas glaubt, hofft usw. Dieses muss nicht unbedingt in Subjektposition auftreten, vgl.: »Ihm ist wichtig, dass p«, sie interessiert nicht, dass p« ... Übrigens sind für diese Rolle weder die Bezeichnung <AGENS> noch die <EXPERIENCER> treffend. Die erste impliziert unpassenderweise eine Handlung, und die zweite Passivität.

18Es geht hier um die kanonische Bedeutung von »glauben« wie in »S glaubt (irrtümlicherweise), dass die Budapester U-Bahn die ganze Nacht fährt.« Anders verhält es sich in der Verwendung in »S glaubt T nicht, dass p.

19Es geht hier nur um die Fälle, die o.g. (siehe vorige Fußnote) Verwendung von »glauben« analog ist.. Anders verhält es sich natürlich bei »meinen« in »S meint mit P Q

20Auch hier muss ich einschränken (vgl. die beiden vorigen Anm.) und z.B. generische Verwendungen von »denken« im Sinne von (intransitiv) »nachdenken« ausschließen.

21GORDON (1987) wendet dass Konzept der faktiven und epistemischen Verben auf Emotionen an und analysiert die Logik faktiver und epistemischer Emotionen.

22Die Ausführungen in diesem Abschnitt entsprechen Untersuchungen über diese Verben der propositionalen Einstellung, die ich in HAGEN (2000: 55ff.) vorgenommen habe. Dort finden sich noch weitere Charakteristika für die Semantik dieser Verben. Das betrifft z.B. Aspekte der Wertung etwa in »Ich denke, wir sollten besser gehen.«

23Ich spreche im Folgenden in diesem Zusammenhang durchgängig von Referenz (-Beziehungen). Wenn ich später auf Verbalphrasen (und damit Prädikate) sowie Propositionen als Bezugsgegenstände der Anaphern zu sprechen komme, ist die Rede von »Referenz« nicht ganz korrekt. Nur im Rahmen ganz bestimmter formaler Theorien der Semantik kommt auch letzteren eine Referenz zu. Zur Vereinfachung übergehe ich das im Haupttext.

24Im Englischen gibt es diese Genus-Kongruenz nicht. Es gibt nur Kongruenz nach biologischem Geschlecht (»he«/she«, ...) sowie nach den Merkmalen <±BELEBT> (bzw. <±MENSCHLICH>) (»it«).

25Die Kongruenz der Possessivpronomina mit dem (grammatischen) Genus des Besitzers ist übrigens eine Besonderheit des Deutschen: (dt.) »sein/ihr Buch« vs. (it.) »il suo libro«, (frz.) »son livre«. Im Englischen richtet sich die Kongruenz nach dem biologischen Geschlecht (»his/her book«). Für Fälle wie (dt.) »das Mädchen ... sein/ihr Buch ... es/sie ...« ist die Regel nach meinem Eindruck lockerer. Kongruenz ist sowohl nach biologischem als auch nach grammatischem Genus erlaubt. (Analog: »das Kind«, eher weniger bei »das Opfer«.)

26Die aufgelisteten Arten von Ausdrücken werden mit einem Fachterminus als »singuläre Terme« bezeichnet. Einigen Definitionen zufolge selbst dann, wenn sie im Plural stehen, sofern eine eindeutig definierte Menge von »Individuen« ((engl.) »individuals«; Dinge oder Lebewesen/Personen) bezeichnet wird.

27Das Italienische kennt für anaphorischen Rückbezug auf Propositionen (im Wortlaut oder nur nach Inhalt) ein eigenes (grammatikalisches) Lexem (»ciò«): (it.) »[L'hanno spiato già fin dall' altro giorno.]i Ma ciòi non c'entra adesso.«

28Die Ko-Referenz-Beziehung wird konventionell durch Superskripte (»i«, »1«, »2«, ...) dargestellt.

29Die Bezeichnung »lexikalisch« ist evt. etwas irreführend. Alternativbezeichnungen sind »unreine« oder »vermischte« Anaphern. »Lexikalisch« werden sie in Analogie zur Unterscheidung »Lexem« vs. »Morphem« genannt. »Morpheme« enthalten im Gegensatz zu »Lexemen« keine semantischen Informationen.

30Siehe RADFORD (1997: 253, passim) oder MÜLLER & RIEMER (1998). Vorsicht: Die Generativisten weichen in ihrer Terminologie von der von mir verwendeten Standarddefinition ab. Die Bezeichnung »anaphorisch« ist allein satzinternen Koreferenz-Beziehungen vorbehalten (insbesondere auch Reflexivpronomina betreffend), Satzgrenzen überschreitende (reine) Anaphern werden als Pronomina bezeichnet, Satzgrenzen übergreifende (reine oder lexikalische) Anaphern werden in dieser Schule meines Wissens gar nicht betrachtet.

31Ich behandle die Terme »Deixis« und »indexikalische Ausdrücke« (engl. »indexicals«) als synonym. Vereinzelte davon abweichende Definitionen, die einen Unterschied zwischen den beiden Begriffen einführen, konnten sich nicht allgemein durchsetzen.

32Zu meinem Gebrauch des Terminus »Referenz« in diesem Abschnitt gilt, was ich in Anm. 23 gesagt habe.

33Dazu kommen – eher »pragmatisch« zu erschließende, wenngleich gleichfalls konventionalisierte – Redeweisen (im Deutschen) wie etwa in »Haben wir verschlafen?« oder »Haben wir einen Ausweis dabei?«.

34Siehe Anm. 29.

35In dem Fall liegt freilich eigentlich gar keine reine Deixis vor, weil zumindest eine Information über das biologische Geschlecht kodiert ist.

36Diese Pronomina können auch anaphorisch verwendet werden. Sie kodieren dann, wie weit zurück sich das Antezedens befindet – besonders wenn zwei Anaphern kurz aufeinander folgen. (»Dieser ..., jener hingegen ... .«)

37Für eine genauere Darstellung siehe LEVINSON (2003).

38Vgl. CARSTON (2002) und Literaturangaben dort, sowie z.B. SPERBER & WILSON (1995).

39Siehe CARSTON (2002: 45).

40Zu den kognitiven Konsequenzen zählen die Verstärkung bereits vorhandener Annahmen (oder Überzeugungen) durch neue Evidenzen, das Beseitigen inkompatibler Annahmen im Lichte neuer Evidenzen und die Ableitung neuer Annahmen als Konsequenzen des neuen Information.

41Vgl. KADMON (2001), Literaturangaben dort und KAMP & REYLE (1993).

42Dies gilt übrigens auch in den slawischen Sprachen, die keinen bestimmten Artikel kennen. Für DPs ohne Artikel würde man daher in den meisten Fällen ein Null-Morphem postulieren, dass dem aus dem Deutschen und den Romanischen Sprachen bekannten (overten) bestimmten Artikel entspricht. Pronomina haben auch das Merkmal der Bestimmtheit (das sonst der bestimmte Artikel kodiert). Die Basis-Regeln für (bestimmte und unbestimmte) Artikel, die im Haupttext angedeutet werden, werden von weiteren, einzelsprachlich verschiedenen Prinzipien überlagert, etwa was abstrakte Terme betrifft (»Arbeitslosigkeit ist kein Schicksal.«), oder die Regeln für den Partitiv im Französischen und Italienischen (»de l'eau«, ...).

43Vgl. LEVINSON (1983).

44Vgl. z.B. BRÜNNER (2000) oder KOTSCHI & DRESCHER (1988). Siehe a. Anm. 3 zur »Genfer Schule«..

45Siehe z.B. BRÜNNER, FIEHLER & KINDT (2002).

46SEARLE (1977), DERRIDA (1977); vgl. a. FRANK (1980).

47Die Spieltheorie ist eine Spielart der mathematischen Entscheidungstheorie. Sie arbeitet überwiegend mit paradoxen praktischen Entscheidungssituationen (z.B. dem »prisoner's dilemma«). Der Ausdruck »Win-Win-Situation« gehört zum Beispiel hierher. Die formalen Modelle (und ihre Simulation mit dem Rechner) werden auch von Wirtschaftswissenschaftlern und Marketingstrategen herangezogen. Daher ist Lewis' o.g. Werk oft auch in Fachbibliotheken der wirtschaftswissenschaftlicher Fakultäten zu finden ...

48Vgl. a. PICARDI (1990).

49Zu Gesten siehe a. MÜLLER & POSNER (2004). Zu Mimik s. EKMAN (1988).

50Vgl. z.B. GIGERENZER & SELTEN (2001).

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