Austin1
ROBERT HAGEN
Austins Ausgangsintuition, mit der er seine in Form einer Vorlesungsreihe entwickelte Untersuchung begann, war die Entdeckung, daß eine Vorstellung von Sprache, in der Sprache etwas ist, worin man Aussagen oder Feststellungen macht, die sich dadurch charakterisieren lassen, daß sie entweder wahr oder falsch sind, reichlich verkürzt ist. Vielmehr gibt es eine Vielzahl von Fällen (wie sich später herausstellen soll: Im Prinzip gilt dies für alle Fälle) von Sprachverwendung, in denen man etwas tut, indem man etwas sagt. Und, wie es scheint, tut man in einer gewissen Zahl von Fällen genau das, was man zugleich auch sagt. Wenn ich etwa sage »Hiermit und in aller Förmlichkeit entschuldige ich mich für mein verfehltes Verhalten.«, tu ich offenbar, was ich sage aber nicht indem ich eine Feststellung darüber machte, was ich gerade tue (welche dann wahr oder falsch sein könnte.).
Darauf gründete Austin zunächst den Versuch, zwischen zwei grundverschiedenen Klassen von Äußerungen zu unterscheiden: der Gruppe solcher Aussagen, mit denen man etwas feststellt, eine Aussage über einen Sachverhalt artikuliert die konstativen Äußerungen stellt er gegenüber die Gruppe der Äußerungen, mit den man etwas tut, durch deren Äußerung eine Handlung, einen Sprechakt vollzieht die performativen Äußerungen.
Das Unternehmen, diese anfängliche intuitive Unterscheidung dingfest zu machen, führte Austin zu der Entdeckung, daß, während Feststellungen anscheinend entweder wahr oder falsch sind, performative Äußerungen, bzw. der mit ihnen beabsichtigte Vollzug einer bestimmten Handlung entweder gelingen kann oder nicht; und daß zum Gelingen ein Bündel von Faktoren beiträgt. Je nach dem, ob und welcher Faktor zum Scheitern des Sprechakts führt, unterscheidet Austin eine Reihe von Fehlerquellen bzw. Unglücksfällen (infelicities). (Vgl.: Zweite Vorlesung)
Diese Liste von je unterschiedlichen Weisen, wie ein Sprechakt verunglücken kann, ist zwar für sich genommen auch ein interessantes Ergebnis, doch, wie sich herausstellt, es taugt nicht dazu, performative von nicht-performativen oder konstativen Äußerungen abzugrenzen. Denn auch Feststellungen können auf den unterschiedlichen Unglücksursachen analogen Weisen ebenfalls schiefgehen. (Vgl.: Vierte Vorlesung)
Auch der Versuch, konstative und performative Äußerungen auf Grundlage von syntaktischen, morphologischen oder lexikalischen Kriterien voneinander zu scheiden, mag nicht gelingen. (Vgl.: Fünfte Vorlesung)
Auch das Kriterium, performative Äußerungen zum Beispiel »Ich werde kommen« - ließen sich immer in eine explizite Form vom Typ »Ich verspreche, daß ich kommen werde« - übersetzen, während dies für konstative nicht der Fall wäre, erweist als nicht geeignet für eine eindeutige Unterscheidung. Zum einen ist nicht sicher, ob die Bedeutung einer (primären) performativen Äußerung bei dieser Transformation wirklich die gleiche bleibt, oder wir im Falle primärer oder impliziter performativer Äußerungen (der Art »Ich werde kommen«) die ihnen anhaftende Vagheit und Mehrdeutigkeit oftmals gerade ausnutzen. Zudem lassen sich gar nicht alle performativen Äußerungen in eine explizite Form bringen, zum Beispiel gilt dies für Beleidigungen und Drohungen2, sowie für die Äußerung »Aus!«. Anderseits lassen sich auch konstative Äußerungen in eine explizite Form »Ich stelle fest, daß ...« bringen. Und des weiteren ist nicht so ohne weiteres klar, auf welche Seite wir Äußerungen wie »Ich behaupte, daß...« schlagen sollen. Zu all dem kommt noch hinzu, daß allein die äußere Form einer Äußerung das Vorhandensein einer expliziten performativen Formel keineswegs hinreicht, um eine performative Verwendung einer Äußerung als solche auszumachen, da dem äußerlichen Anschein nach performative Äußerungen auch rein deskriptiv (konstativ) verwendet werden können: »Alljährlich, zu Gelegenheit des Jahreswechsels, verspreche ich, das Rauchen aufzugeben.« Probleme bereitet die Entscheidung, ob es sich bei einer gegebenen Äußerung um eine performative oder eine konstative handelt für eine Klasse von Fällen Austin nennt sie Konduktiva (behabitives) - die Gefühle oder Einstellungen zum Ausdruck bringen: »Ich bedaure es «, »Ich billige es«, ... Diese scheinen sowohl deskriptiv (konstativ) als auch performativ zu sein. (Vgl.: Sechste Vorlesung)
Eine ähnliche Oszillation zwischen deskriptivem und performativem Charakter von Äußerungen liegt auch noch bei einer weiteren Klasse vor, den (von Austin so genannten) Expositiva. Diese kennzeichnen, als was eine Äußerung aufzufassen ist. Beispiel sind: »Ich betone...«, »Ich ziehe daraus den Schluß...«, »Ich räume ein...«, »Ich setze hierbei voraus...«, »Ich prophezeie...«. (Auch Verdiktiva können von dieser Ambiguität betroffen sein. (Vgl.: 107f))
Das Kriterium, daß Äußerungen entweder wahr oder falsch sind, als Unterscheidungskriterium für konstative im Gegensatz zu performativen Äußerungen heranzuziehen, verwirft Austin nach eingehenden Überlegungen ebenfalls (s. unter Frage A.3)
Angesichts all dieser Schwierigkeiten, die die durch eine Anfangsintuition gelieferte Unterscheidung zwischen konstativen und performativen Äußerungen mit sich brachte, läßt Austin diese fallen.
»[...] wir sehen jetzt, daß wir diese Dichotomie [d.i.: die zwischen performativen und konstativen Äußerungen] zugunsten von größeren Familien verwandter und einander überlappender Sprechakte fallenlassen müssen.« (168)
Statt dessen unterscheidet er zwischen einem lokutionären und einem illokutionären Akt. Den illokutionären Akt grenzt er hierbei vom perlokutionären ab (s. unter Frage A.4). Unter dem lokutionären Akt versteht er dreierlei Handlungen oder Tätigkeiten: Das Hervorbringen von Lauten (phonetischer Akt), den Akt, solche Laute dergestalt hervorzubringen, daß sie als Wörter erkennbar sind (phatischer Akt), und die Handlung, die Wörter so zu verwenden, daß man damit über etwas etwas sagt (rhetischer Akt). (110f)
Dabei darf nicht das Mißverständnis aufkommen, es handelte sich hierbei um zwei getrennte Handlungen, die sich nacheinander ausführen lassen, oder von denen man entweder die oder die andere vollziehen kann. Es handelt sich um Abstraktionen:
»Was bleibt dann letzten Endes von der Unterscheidung zwischen performativer und konstativer Äußerung? Wir können sagen, daß es uns dabei im Grunde um folgendes gegangen ist:
Bei der konstativen Äußerung sehen wir von den illokutionären (und erst recht von den perlokutionären) Aspekten des Sprechaktes ab und beschränken uns auf den lokutionären. Darüber hinaus ist unsere Vorstellung von der Entsprechung zu Tatsachen zu einfach zu einfach, weil für sie in Wahrheit der illokutionäre Aspekt wesentlich ist. [...]
Bei der performativen Äußerung achten wir so ausschließlich wie möglich auf ihre illokutionäre Rolle und lassen die Dimension der Entsprechung zu den Tatsachen beiseite.
Vielleicht ist keine von beiden Abstraktionen zu sehr viel nütze [...]. In gewissen Fällen mögen wir uns solchen Dingen im wirkliche Leben nähern Gleichungen in Physikbüchern als konstative Äußerungen, einfache Befehle oder Namensgebungen als performative Äußerungen. Beispiele dieser Art [...], extreme Grenzfälle also, haben zu der Vorstellung von zwei verschiedenen Äußerungstypen geführt. [...] Feststellen ist nur einer von überaus vielen illokutionären Sprechakten.
Der lokutionäre Akt ist wie der illokutionäre im allgemeinen eine bloße Abstraktion; jeder echte Sprechakt ist beides.« (164f.)
Nachdem Austin also herausgearbeitet hat, daß auch Feststellungen auf verschiedene Weisen verunglücken können und daß andererseits performative Äußerungen in der Dimension wahr/falsch bewertet werden können (s. unter Frage A.3), hat sich im Zuge dieser wahr/falsch-Dimension in Anwendung auf illokutionäre Akte gezeigt, daß die Kategorie dabei eine Verschiebung in Richtung auf eine normative Bewertung hin erfährt: eine Äußerung kann als richtig, angemessen, korrekt, berechtigt usw. beurteilt werden. In einem zweiten Schritt zeigt Austin, daß sich diese normative Bewertung ihrerseits auch auf Feststellungen anwenden läßt. (D.h. hätte er vorher versucheshalber das Kriterium der Normativität aufgestellt, um so performative von (bloß) konstativen zu unterscheiden, so hätte er dies als unmöglich erweisen können.)
Auch Feststellungen lassen sich in einer Weise bewerten oder kritisieren, die augenscheinlich eher für performative Äußerungen charakteristisch ist. Auch bei Feststellungen hängt die Frage, ob eine Äußerung angemessen ist, von der konkreten Äußerungssituation, von »Ziel und Zweck und de[m] ganze[n] Zusammenhang der Äußerung« (162) ab. Zudem kann eine gegebene Feststellung in gewisser (objektiver) Hinsicht zwar wahr sein, aber durch die Art und Weise, wie sie andere Tatsachen ausläßt und nur bestimmte Gegebenheiten berücksichtigt was jede Feststellung aus praktischen Gründen tun muß hochgradig irreführend oder tendenziös sein. (Vgl.: 163)
»Allgemein können wir folgendes sagen: Sowohl bei Feststellungen (etwa auch Beschreibungen) als auch bei Warnungen und so weiter kann, vorausgesetzt daß man wirklich gewarnt hat und das Recht zu warnen hatte, daß man wirklich festgestellt hat, daß man wirklich einen Rat gegeben hat, die Frage gestellt werden, ob man zu Recht festgestellt, gewarnt, einen Rat gegeben hat nicht in dem Sinne, ob das gelegen kam oder nützlich war, sondern ob die Äußerung angesichts der Tatsachen, angesichts unseres Wissens von den Tatsachen, angesichts der Absicht hinter der Äußerung und so weiter die richtige Äußerung war.« (163f)
(1) Zunächst spielt Wahrheit oder Falschheit auch für illokutionäre Akte eine Rolle, die dem Sinn von Wahrheit oder Falschheit von Aussagen recht nahe verwandt ist:
»Daß wir
(a) mit unserer Äußerung etwas tun, und
(b) unsere Äußerung wahr oder falsch ist,
muß also nicht im Widerspruch zueinander stehen. Denken Sie aber schließlich auch an Äußerungen wie »Ich warne Sie, er geht gleich los«. Das ist in ähnlicher Weise erstens eine Warnung; zweitens ist es wahr oder falsch, daß er gleich losgeht. Und das spielt, wenn wir die Warnung beurteilen, ebenso (wenn auch nicht in genau derselben Weise) eine Rolle, wie wenn wir eine Feststellung beurteilen.« (155.)
(2) Mit der Dimension wahr/falsch, in der wir Konstatierungen beurteilen können, ist die Vorstellung einer Übereinstimmung mit Tatsachen verbunden. Diese Form von Bewertung von Äußerungen (als Aussagen) ist erst möglich, wenn eine Feststellung nach den verschiedenen Kriterien geglückt ist. Austin plädiert dafür, daß diese Dimension der Bewertung keine ist, die Konstatierungen als eine Bewertbarkeit »sui generis« (vgl.: 161) zukommt. Auch andere Äußerungen bzw. illokutionäre Akte lassen sich in einer Dimension beurteilen, in der die Äußerungen etwas mit Tatsachen zu tun haben, wenn auch »in verwickelter Weise« (161). Beispiele hierfür sind:
»richtig oder falsch schätzen, daß es halb drei ist;
zu Recht oder zu Unrecht für Recht erkennen, daß er schuldig ist [anders gesagt: ...auf schuldig erkennen];
korrekt oder inkorrekt entscheiden, das der Ball aus ist«:
»schlüssige[s] oder zwingende[s] [oder nicht-schlüssiges oder nicht-zwingendes] Ableiten [oder Folgern] oder Begründen«;
»berechtigt oder unberechtigt warnen«;
»gut oder schlecht raten«; (160f)
verdientes oder nicht verdientes Lob, verdienter oder nicht verdienter Tadel oder Glückwunsch (vgl.: ebd.).
Wenn man behauptet, Feststellungen seien entweder wahr oder falsch, und dies gelte für performative Äußerungen nicht, so unterstellt man ein Idealbild, nach dem die Wahrheit einer Feststellung in einer objektiven Übereinstimmung mit Tatsachen besteht. Wenn man jedoch statt abstrakten logischen Formeln »real life«-Feststellungen betrachtet, wie etwa »Frankreich ist sechseckig«, so kann man zweierlei erkennen:
Feststellungen stehen nicht nur in einem Zusammenhang mit Tatsachen, sondern auch mit anderem Wissen und anderen Meinungen. Man könnte letzter Beziehung auch Kohärenzbeziehung nennen (ein Prinzip, auf dem Davidson eine Wahrheitstheorie aufbaut). Wenn man demnach den Begriff einer objektiven Wahrheit durch den einer gerechtfertigten oder begründeten (oder angemessenen) Feststellung ersetzt, läßt sich dieser ebenso gut auch auf andere, performative Äußerungen anwenden. Für performative Äußerungen des Begründens ist dies nach dieser Überlegung trivial, aber auch bei anderen Sprechakten läßt sich fragen, ob sie mit mehr oder weniger guten Gründen vollzogen werden.
Die wahr/falsch-Dichotomie suggeriert, daß Feststellungen entweder wahr oder falsch sind, nicht aber mehr oder weniger wahr oder angemessen sein können. Faßt man jedoch eine Feststellung, wie zum Beispiel obige über Frankreich, nicht einfach als Übereinstimmung mit objektiven Tatsachen auf, sondern als eine Beschreibung, die mehr oder weniger genau, mehr oder weniger grob ist, fällt das Kriterium in sich zusammen, daß Feststellungen entweder zutreffen oder nicht, und performative Äußerungen hingegen mehr oder weniger angemessen seien.
Nach Austin werden also Feststellungen und performative Äußerungen nicht nach fundamental verschiedenartigen Prinzipien bewertet. (Vgl.: 160f.)
Übereinstimmend mit dem Thema seiner Abhandlung wie der (Original-)Titel How to do things with words ankündigt geht es Austin darum, wie und in welchem Sinne wir etwas tun, wenn wir sprechen. Einen bestimmten Sinn, in welchem wir etwas tun, wenn wir sprechen, hat Austin dabei als nicht im Fokus seines Interesses liegend wie bereits gesehen ausgesondert: Tätigkeiten oder Handlung, die er unter der Rubrik des lokutionären Aktes faßt (s. unter Frage A.1).
Es bleibt aber auch nach dieser Abgrenzung noch (mindestens) zweideutig, davon zu sprechen, etwas zu tun, wenn man spricht. Man kann nämlich in dem Sinne handeln, das man Wirkungen zeitigt.
»Wenn etwas gesagt wird, dann wird das oft, ja gewöhnlich, gewisse Wirkungen auf die Gefühle, Gedanken oder Handlungen des oder der Hörer, des Sprechers oder andere Personen haben; und die Äußerung kann mit dem Plan, der Absicht, zu dem Zweck getan worden sein, die Wirkungen hervorzubringen. Wenn wir das im Auge haben, dann können wir den Sprecher als Täter einer Handlung bezeichnen, in deren Namen der lokutionäre und der illokutionäre Akt nur indirekt [...] oder überhaupt nicht [...] vorkommen. Das Vollziehen einer solchen Handlung wollen wir das Vollziehen eines perlokutionären Aktes nennen und den vollzogenen Akt, wo das paßt [...] »Perlokution«.« (118)
Austin versucht den wesentlichen Unterschied, den er mit dem Begriffspaar Illokution vs. Perlokution bezeichnet, zunächst durch die zwei Formeln »[...] [ein] Akt, den man vollzieht, indem man etwas sagt[...]«. (117) und »[...] [wir können] [...] perlokutionäre Akte vollziehen; wir bringen sie dadurch zustande, daß wir etwas sagen.« (126.) zu fassen.
Austin versucht des wesentlichen Unterschieds zwischen illokutionäre Akten, denen, wenn sie glücken, eine illokutionäre Rolle der Kraft zukommt, und perlokutionären Akten, die (beabsichtigt oder nicht) perlokutionäre Effekte nach sich ziehen, habhaft zu werden, indem er die ersten und nicht letzteren als auf Konventionen beruhend oder durch solche gestützt kennzeichnet.
»Was wir mit den Bezeichnungen illokutionärer Akte einbeziehen, sind keine Folgen (im üblichen Sinne) des lokutionären Aktes, sondern die Tatsache, daß die Konventionen für die illokutionäre Rolle auf die Äußerung in ihren speziellen Umständen zutreffen.« (131f)3
Es wäre aber voreilig, nun perlokutionäre Effekte als Wirkungen im Gegensatz zu illokutionären Rollen kennzeichnen zu wollen. Denn:
»Ich muß nun allerdings darauf hinweisen, daß der illokutionäre Akt, auch wo er vom perlokutionären deutlich geschieden ist, in gewissem Sinne mit dem Hervorbringen von Folgen zu tun hat:
(1) Ohne daß eine gewisse Wirkung erzielt wird, glückt der illokutionäre Akt nicht, wird er nicht erfolgreich vollzogen. [...] Zum Vollzug eines illokutionären Aktes gehört [...], daß man verstanden wird.
(2) Der illokutionäre Akt »hat Folgen«, »hat Ergebnisse«, »wird wirksam«, [...].
(3) Wir haben gesagt, daß viele illokutionäre Akte kraft Konvention zu einer Antwort oder Reaktion auffordern.[...]
Damit sind illokutionäre Akte auf dreierlei Art mit Wirkungen verknüpft: das Verständnis sichern, wirksam sein und zu einer Antwort auffordern; und diese unterscheiden sich allesamt vom Hervorbringen von Wirkungen, wie es für den perlokutionären Akt charakteristisch ist.
Der perlokutionäre Akt besteht entweder darin, daß ein perlokutionäres Ziel erreicht (überzeugen, überreden) oder ein perlokutionäres Nachspiel erzeugt wird.« (133f)
»Z.B. kann der Akt, jemanden zu warnen, sein perlokutionäres Ziel erreichen, ihn auf die Gefahr aufmerksam zu machen [...].« (134)
Wie läßt sich das perlokutionäre Ziel des illokutionären Aktes der Warnung in diesem Beispiel von der zustande gebrachten Wirkung unterscheiden, die mit der Warnung insoweit verbunden ist, als deren Eintreten Voraussetzung für des Glücken der Sprechakts ist?
Austin merkt an: »(I) Wenn der Sprecher eine Wirkung erzielen will, braucht sie doch nicht einzutreten; (II) er braucht sie nicht erzielen zu wollen [...] und sie kann doch eintreten.« (123)
Wenn für die analytische Beschreibung einer erfolgreichen illokutionären Handlung die jeweilige Sprecherintention weder hinreichende noch notwendige Bedingung für das Vorliegen eines illokutionären Aktes ist, sondern vielmehr die kraft Konventionen beim Adressaten eintretende Wirkung (das Verstehen, Wirksam-Sein, zu einer Anwort auffordern) ausschlaggebend ist, so gehören die mit dem Sprechakt konstitutiv »verknüpften« Wirkungen zum illokutionären Akt als solchem dazu. Eine Sprechhandlung beschreibt Austin somit also in einer überindividuellen, sozialen Perspektive. Dann stellt sich das Problem, ob sich die beiden Klassen der illokutionären Wirkungen und der perlokutionären wirklich sauber trennen lassen, oder man vielmehr gezwungen sein wird, ein Übergangsfeld zuzulassen, in welches man Fälle wie den der Effekte der Warnung einordnet. Letztlich bleiben als Unterscheidungskriterium zwischen den beiden Kategorien v.a. zwei bestehen: der konventionale Charakter der engen Verbindung zwischen Illokution und Effekt; das zeitliche Zusammenfallen von Handlung und erzieltem Effekt (vgl. Deleuze »instantanéité«)
In einer weiteren Passage tritt die Schwierigkeit der Unterscheidung zwischen Illokution und typischem perlokutionären Ziel ein weiteres Mal zutage, diesmal ist die Lage komplizierter, da Austin auch die Unterscheidung von Versuch und Vollzug einer Handlung berücksichtigt:
»Allerdings können wir nicht sagen, daß das illokutionäre Verb immer den Versuch eines perlokutionären Aktes bezeichnet, so wie »Gründe anführen« bedeutet »zu überzeugen versuchen« und »Warnungen aussprechen« dasselbe wie »versuchen, aufmerksam zu machen« oder »versuchen, abzuhalten«. Denn erstens gibt es die Unterscheidung zwischen Tun und Versuchen auch beim illokutionären Akt [...]; den Versuch, Gründe anzuführen, unterscheiden wir vom Gründe-Anführen ebenso wie den Versuch zu überzeugen vom Überzeugen. Zweitens gibt es viele illokutionäre Akte, die gar nicht den Versuch eines perlokutionären Aktes darstellen; Versprechen bedeutet zum Beispiel nicht den Versuch, etwas zu tun.« (151f)
Die Unterscheidung zwischen den Ergebnissen eines geglückten illokutionären Aktes und dem Erreichen eines typischen perlokutionären Ziels eines illokutionären Aktes erscheint mir nach wie vor alles andere als klar.
Wenn man nun das Aufmerksam-Machen als perlokutionäres Ziel einer Warnung auffaßt, ergibt sich folgende Schwierigkeit:
(a) Austin sagt, der Bericht einer Äußerung ist eine hinreichende Rechtfertigung, sie als illokutionären Akt zu klassifizieren (vgl.: 145). Da die Äußerung eine illokutionäre Kraft hat, muß ich mich darüber hinaus gegebenenfalls auch rechtfertigend auf sie berufen können, wie sich auch ein Adressat zu einem späteren Zeitpunkt auf ein von mir gegebenes Versprechen wird berufen können. Voraussetzung ist allein, das der illokutionäre Akt geglückt ist. Wenn ich sage »Ich habe dich gewarnt, aber du wolltest nicht auf mich hören«, berufe ich mich rechtfertigend auf eine Warnung. Dies kann ich jedoch nicht tun, wenn der illokutionäre Akt nicht geglückt ist, also etwa wenn ich bemerke, daß der Adressat meine Warnung nicht als Warnung auffaßt (sondern etwa als Scherz). Was aber, wenn ich bemerke, daß der Adressat die Warnung zwar als Warnung auffaßt, aber als Warnung vor etwas anderem als dem von mir gemeinten. (Hier wäre das perlokutionäre Ziel jedoch offenbar deshalb verfehlt, weil der beinhaltete lokutionäre Akt gescheitert ist.) Kann ich mich trotzdem später auf die gegeben Warnung berufen? Was, wenn ich bemerke, daß der Adressat meiner Warnung narkotisiert ist und meine Warnung überhaupt keine Aufmerksamkeit hervorruft, geschweige denn auf etwas lenkt. Kann ich hier von einem geglückten illokutionären Akt sprechen?
(b) Es ist ein von obigen Beispielen vollkommen verschiedener Fall, wenn meine Warnung verstanden wird, im lokutionären wie im illokutionären Sinn, der Adressat meine Warnung jedoch bewußt in den Wind schlägt. Würde man das Aufmerksam-Machen zur zugehörigen Wirkung eines erfolgreichen illokutionären Aktes der Warnung zählen, könnte man sagen, der illokutionäre Akt ist insofern geglückt, als die Warnung als Warnung aufgefaßt wurde und die Aufmerksamkeit des Adressaten auf die vermeintliche Gefahrenquelle gelenkt hat, der er nunmehr trotzt. Schlägt man das Aufmerksam-Machen auf die Seite des perlokutionären Ziels, ohne Unterscheidung von dem perlokutionären Ziel des »versuchen abzuhalten«, bestünde zwischen den Fällen (a) und (b) kein wesentlicher Unterschied.
Ich schlage also vor, eine Warnung als nicht geglückten illokutionären Akt zu beschreiben, wenn sie nicht als Warnung aufgefaßt wird oder wenn sie keinen aufmerksamkeitssteigernden und lenkenden Effekt hat. Ich werde ebenso wenig von einer Warnung sprechen, wenn ich einen Baum vor der Axt warne. Statt dessen würde ich als das typische perlokutionäre Ziel einer Warnung auffassen, jemanden von etwas abzuhalten.
Ein Blick in die im Anhang abgedruckten Auszüge aus der englischsprachigen Originalfassung zeigt, das Austin nicht von Aufmerksamkeit im vorliegenden Zusammenhang spricht, sondern, sondern daß der Warnende den Gewarnten in einen alarmierten Zustand (»alarm«, »alert«) versetzt hat. Die von mir geschilderten Probleme ergeben sich dann also nicht in der gleichen Weise. Dennoch scheinen mir meine Überlegungen die grundsätzliche Schwierigkeit der Unterscheidung illustrieren zu können.
Es kommt hinzu, daß es meines Erachtens plausibel ist anzunehmen, daß in einer diachronen Perspektive typische perlokutionäre Ziele einer Illokution sich in konstitutive Bestandteile einer als geglückt anzusehenden Illokution wandeln können. Während ein solcher Übergang im Gang ist, dürfte eine begriffliche Trennung naturgemäß schwer sein.
1 Angegebene Seitenzahlen beziehen sich auf: Austin, John L. (1972): Zur Theorie der Sprechakte, Stuttgart.
2 Mit Austins späterer Unterscheidung von illokutionären und perlokutionären Akten wird die Eigenschaft der Explizierbarkeit von Sprechakten nur für illokutionäre Akte gelten. Während wie die Diskussion bei Butler zeigt es zwar strittig ist, ob man (manche) Beleidigungen nach dem illokutionären Modell analysieren kann, scheint Austin Drohungen durchaus als illokutionäre Akte zu betrachten. (Vgl.: 138) Ich kann aber nicht sagen »Hiermit drohe ich dir damit, daß...«.
3 Es ist an dieser Stelle übrigens interessant zu bemerken, daß dieses Kriterium der Konventionalität bei Austin nicht die illokutionären Akte von den lokutionären unterscheidet. »Daß man Geräusche macht, mag eine (physikalische) Folge der Bewegung der Sprechorgane, des Atems und so weiter sein; daß man ein Wort äußert, ist keine (physikalische oder andersartige) Folge davon, daß man Geräusche macht. Daß man Wörter mit bestimmter Bedeutung äußert, ist ebensowenig eine (physikalische oder andersartige) Folge davon, daß man die Wörter äußert. Darum sind auch phatischer [...] und rhetischer Akt [...] keine Folgen von phonetischen Akten [...], erst recht keine physikalischen Folgen davon..« (131) Das heißt, anders formuliert, das, was die körperliche Handlung des »Geräusche-Erzeugens« zu einem geglückten phatischen und/oder rhetischen Akt macht, könnte hierbei ebenso maßgeblich das Erfülltsein bestimmter »Konventionen für die [phatische und rhetische] Rolle [Wert/Bedeutung/Interpretation] auf die Äußerung in ihren speziellen Umständen« sein, nur auf einer womöglich (aber vielleicht auch nicht in jedem Fall) niederstufigen Ebene. Je nach dem, was man als lokutionäre Bedeutung oder Inhalt eines phatischen und rhetischen Aktes letztlich definiert, mag sich die Differenz zwischen lokutionärem und illokutionären Akt als weniger unüberbrückbar erweisen, als es Austin ansonsten darstellt.