30 Jahre Universitätsklinikum: Benjamin-Franklin-Contest

Die medizinische Game-Show



Der Amateur gilt selbst in dieser jungen Gattung nichts. Die Heidelberger haben zum Schluß gleich sieben Tage die Woche trainiert, und man hat sie auch nicht wahllos vor der Mensa aufgegriffen. Schriftliche Bewerbung, mündliche Prüfung: Aus sechzig Bewerbern hat man fünf gesiebt, die nach Berlin fahren.
Sechs Teams aus je fünf Medizinstudenten messen ihr Wissen und kämpfen um die Ehre ihrer Universität. So etwas wie den Benjamin-Franklin-Contest (BFC) hat es zumindest in der Medizin noch nicht gegeben. Schnelldiagnosen, Internet-Jagd und Praxis-Tests: Der Hörsaal West des Benjamin-Franklin-Klinikums wird zum Game-Show-Studio. Berlin hat Aachen, Heidelberg, Lübeck, Marburg und ein Team von der LMU in München geladen. Unis aus dem Osten waren für den Contest nicht zu begeistern.

Das Med-Quiz: Wer haut am schnellsten auf den "Buzzer". Prof. Peter Gaehtgens hatte alle Mühe, die wettkampffiebrigen Teilnehmer zu zügeln (Foto: Ute Oedekoven, Alexander Schippel).
Doch Talent schlummert nicht nur in den Studenten. Martin Paul, Dekan des Fachbereichs Medizin eröffnet die Veranstaltung. Gejohle aus dem Publikum kontert er cool: "Da sind wohl ein paar Hooligans aus Lübeck mitgereist". Die Stimmung ist gut, und der Preis ist heiß: Die Sieger können einen Teil des Praktischen Jahres in den USA verbringen und wer auf Platz 2 landet, kann die schicken Notebooks mit nach Hause nehmen, die jedes Team für den "Klugen Klick" - den medizinischen Internet-Surf - vor sich hat.
Peter Gaehtgens übernehmen Sie! Der Erste Vizepräsident der Freien Universität greift das Mikro und gibt es für die nächsten drei Stunden nicht mehr aus der Hand. Die Ärmel hochgekrempelt, wird er zum ungekrönten King of Contest. Den einzigen Werbeblock hakt er souverän zu Beginn ab. Ohne Sponsoren geht auch beim BFC gar nichts.
Wer Dalli-Dalli noch kennt, hat Freude an der Dia-Diagnose. Hirnströme, Röntgenbilder und Dias von kranken Menschen werden an die Wand geworfen. Das macht auf Dauer hypochondrisch. Es juckt schon überall. Gut, daß Ärzte im Saal sind. Wer die Lösung weiß, haut auf den roten Not-Aus-Knopf (Game-Show-Jargon: "Buzzer"): "Wir möchten lösen."
Das geht so schnell, daß der Laie nicht mehr folgen kann. Echte Lücken gibt es nur bei den Augenkrankheiten, wahrscheinlich kommen die spät im Studium. Der blutrote Augapfel wird mal dieser und mal jener Krankheit zugeschoben; das kostet "Ho's". So heißt die offizielle Währung des BFC, benannt nach Gesundheitsminister Horst Seehofer.
Und wenn die Teams nicht mehr weiter wissen: Im Publikum sitzen fast 200 Mediziner, so daß immer einer die Lösung kennt. Dann wirft Gaehtgens mit Haribo. Eine Schußverletzung wird treffsicher zuerst von Marburg erkannt. Wenigstens das hätte man sich von der Hauptstadtcrew gewünscht. Berlin bleibt guter Gastgeber und schrappt am Ende knapp an Bronze vorbei. Heidelberg siegt. Die Lübecker, knapp von der Neckar-Stadt geschlagen, sacken die Rechner ein und schauen nicht unglücklich.
Vielleicht haben die Berliner nicht die wirklich guten Fans: Wild entschlossen haben die Heidelberger Stirnbänder angelegt. Auch die Lübecker Hooligans enttäuschen nicht: Lautstark zweifeln sie am Urteil der Jury. Ohne Gnade sind sie, selbst gegen das eigene Team: Als die in der Spaßrunde nicht schnell genug das Holstentor erkennen, gröhlt es von den Rängen: "Auswechseln".
Internet-Surfen ist beim "Klugen Klick" gefragt. Wer hat als erste Frau den Nobelpreis für Medizin bekommen? Wo wurde das erste menschliche Organ verpflanzt? Die Teams haben fünf Minuten, um die Antwort im Netz zu suchen. Die meisten Fragen wären mit einem guten Lexikon wohl schneller gelöst. Allgemeinbildung ist auch erlaubt: Ohne Internet wissen die Münchner, wer das Stethoskop eingeführt hat.
Am Ende wird es noch mal praktisch: Die Teams werfen sich in OP-Kittel und setzen saubere Nähte in die klaffenden Wunden einer Schweinshaxe. Auch die Jury bleibt nicht ungeschont. Die Dekane der beteiligten Unis werden zu Patienten herhalten und von den Studententeams eingegipst. Kaum zu glauben, daß man an einer deutschen Uni so viel Spaß haben kann. So was hat das Zeug zur Serie.
Bernd Plümper

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