Steglitzer Unfalltagung
Bruchbehandlung mit Titan
Es scheint ein Merkmal unserer Zeit zu sein, daß Menschen zunehmend dazu neigen, sich im Umgang mit der Technik selbst zu überschätzen. Dieses Fazit läßt sich in Anbetracht steigender Unfallzahlen ziehen.
Schwere Unterschenkel- und Fußverletzungen, die häufig Folge von solchen Unfällen sind, die im Straßenverkehr oder auch im Haushalt entstehen, standen im Mittelpunkt der 15. Steglitzer Unfalltagung, die am 7. und 8. Juni an der FU-Klink Benjamin Franklin stattfand. Der Einladung von Prof. Rahim Rahmanzadeh, Leiter der Abteilung für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie am Klinikum, folgten knapp 400 Mediziner aus Wissenschaft und Praxis. Anliegen der Steglitzer Unfallchirurgen war es dabei, die an den verschiedenen Zentren erprobten Therapieverfahren mit den praktisch tätigen Unfallchirurgen zu diskutieren und neue Behandlungsmethoden vorzustellen.
Der Unaufgebohrte Titan Nagel (UTN) kommt gerade bei offenen Frakturen und Trümmerbrüchen der langen Röhrenknochen zum Einsatz."Gerade in der Versorgung schwerer offener Unterschenkelfrakturen sind in den letzten Jahren deutliche Fortschritte erzielt worden", so Tagungsleiter Achim Meißner.
Offene Unterschenkelfrakturen gelten als besonders heimtückisch, weil Komplikationen wie Weichteilschädigungen und Arthrose oft die Behandlung erschweren. "Die Therapie bestand bislang in der Ruhigstellung durch einen sogenannten Fixateur externe", sagt Meißner, der seit 1994 C3-Professor an der FU ist. Er kann dabei auf eine 12-jährige Erfahrung in der Steglitzer Unfallchirurgie zurückblicken.
Heute stehen den Operateuren neue Methoden zur Verfügung: Zum einen wurde die seit Jahrzehnten bekannte Nagelung nach Küntscher weiterentwickelt. Der früher gefürchteten Infektionsgefahr begegnet man mit einer eingeschränkten, genau definierten Indikation.
Bei offenen Brüchen kommt der Küntscher-Nagel nicht mehr zum Einsatz. Außerdem steht den Steglitzern seit 5-6 Jahren eine neue Technik zur Verfügung, die unter dem Kürzel UTN Einzug gehalten hat. Der Unaufgebohrte Titan Nagel kommt gerade bei offenen Frakturen und Trümmerbrüchen der langen Röhrenknochen (Extremitäten) zum Einsatz. Dabei wird ein Titannagel in der Markhöhle des Knochens plaziert und am oberen und unteren Ende mit kleinen Schrauben fixiert. "Die Infektionsgefahr ist ausgesprochen gering und zudem gibt es keine Allergien gegen Titan", bemerkt Prof. Rahmanzadeh.
Die Patienten müssen keine Einschränkungen hinnehmen, bis nach 18 Monaten der Nagel wieder entfernt wird. Neben der Titannagelung haben sich mit der Kallus-Distraktion und der sogenannten Ziehharmonika-Technik weitere erfolgreiche Verfahren in der Unfallchirurgie etabliert. Die Kallus-Distraktion ist eine Methode, die die Neubildung von Knochengewebe in defekten Knochenzonen anregt, die Ziehharmonika-Technik wird z.B. bei schweren Rasenmäherunfällen eingesetzt. Hierbei kommt es zu einer vorübergehenden Verkürzung der Extremität, die langsam wieder verlängert wird. Im Benjamin-Franklin-Klinikum geschieht das 20-30 mal im Jahr. Die Patienten werden in die Therapie aktiv einbezogen, indem sie zu Hause durch Schraubendrehung ( 4 x 0"25 mm pro Tag) die betroffene Extremität täglich um 1 mm verlängern. Schließlich wird den Patienten eine Transplantation erspart. Die Langzeitbeobachtung zeigt zudem positive Heilungsergebnisse.
Das Foto zeigt das eingesetzte Titanimplantat im Fersenbein.Fußverletzungen, vor allem Frakturen des Fersenbeins (Calcaneus), standen ebenfalls im Mittelpunkt der Tagung. Aufgrund so verschiedener Schwierigkeiten wie der Begutachtungspflicht in Folge von Arbeitsunfällen, der vorhandenen drei Gelenkflächen und der Bedeutung für die Fußstatik stellen Brüche des Fersenbeins eine besondere Herausforderung dar. Seit acht Jahren gibt es eine operative Behandlung, die weitgehend die früheren operativen Gelenkversteifungen ersetzt. "In Steglitz sind erste positive Ergebnisse durch eine Rekonstruktions-Operation des Fußgewölbes und den Einsatz von Titanimplantaten zu verzeichnen", so Prof. Meißner.
Mit der Modifizierung bestehender operativer Techniken und der Entwicklung innovativer Therapieverfahren erzielen die Unfallchirurgen immer bessere Ergebnisse sowohl bei der Operation als auch bei Rehabilitation ihrer Patienten. Die FU-Unfallchirurgen stehen dieser Entwicklung nicht nur offen gegenüber, sondern prägen diesen Fortschritt entscheidend mit.
Carsten Frege
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