Fokus Neugeborenenmedizin

Lungenmaschine als Lebensretter


Antonias Eltern konnten aufatmen. Gerade erst zwei Tage alt, wurde ihr Baby mit akutem Lungenversagen in das Universitätsklinikum Benjamin Franklin eingeliefert. Mit Hilfe der Beatmungsmethode ECMO konnten Ärzte und Schwestern ihr Le ben retten. ECMO (Extra-corporale Membran Oxygenation) ist eine Art künstliche Lunge, die bei Erwachsenen und Kindern eingesetzt wird. Das ECMO-Verfahren ist ein Spezialgebiet der von Professor Hans Versmold geleiteten Abteilung für Kinderheilku nde des FU-Klinikums Benjamin Franklin, das seinen Schwerpunkt im Bereich der Neugeborenenversorgung (Neonatologie) hat. Seit 1991 arbeitet das ECMO-Team des Klinikums, das aus Neonatologen, Anästhesisten und Kinderchirurgen besteht, in einem Forschu ngsprojekt mit dieser für Neugeborene noch relativ neuen Behandlungsform.

Der wichtigste Teil im ECMO-Gerät sieht von außen wie eine Rohrpostkapsel aus: ein ungefähr 30 Zentimeter langer und sechs Zentimeter breiter Zylinder. In seinem Inneren steckt eine eng aufg ewickelte, halbdurchlässige Membran in der Größe eines Badehandtuchs. Hier strömt auf einer Seite das Blut des Kindes und auf der anderen der Sauerstoff. Über diese Membran wird das Blut mit Sauerstoff angereichert. Gleichzeitig wird ihm aber auch das giftige Kohlendioxid entzogen.

Gerade erst zwei Tage alt, konnte Antonia trotz akuten Lungenversagens gerettet werden. Die künstliche Beatmungsmethode ECMO übernahm für drei Tage die Tätigkeit von Antonias Lunge. Danach konnte das Baby aus eigener Kraft atmen (Foto: Ute Oedekoven).
Während Herz-Lungenmaschinen schon seit Mitte der 50er Jahre nach diesem Prinzip arbeiten, ist ECMO eine auf den künstlichen Gasaustausch bei akutem Lungenversagen zugeschnittene Weiterentwicklung dieses Verfahrens. Es wird bereits seit Ende der 70er Jahre in Amerika angewendet. Im Unterschied zu den klassischen Herz-Lungenmaschinen, die während einer Operation nur für einige Stu nden den körpereigenen Kreislauf ersetzen, kann ECMO die Lungenfunktion eines kranken Kindes maximal für zwei Wochen übernehmen.

Die häufigste Ursache für ein Lungenversagen bei Neugeborenen ist die sogenannte Mekonium-Aspiration. Dabei scheiden Babies unter Geburtsstreß das sogenannte Kindspech aus dem Darm aus, das die Lunge verklebt, wenn es eingeatmet wird. Auch bei Neugeborenen mit einer Zwerchfellhernie, bei der die Bauchorgane durch ein Loch im Zwerchfell in den Brustkorb verlagert werden und die Entwicklung der Lunge hemmen können, wird ECMO angewendet.

Etwa zehn Kinder werden pro Jahr aus dem ganzen Bundesgebiet zur ECMO-Therapie nach Berlin-Steglitz verlegt. Aber nur ein kleiner Teil wird tatsächlich an die Maschine angeschlossen. Dafür gibt es verschiedene Gründe. Prof. Versmold: "Viele dieser potentiellen ECMO-Patienten können mit anderen speziellen Beatmungsmethoden erfolgreich behandelt werden. Erst wenn alle anderen Behandlungsformen keinen Erfolg bringen, wird ECMO erwogen." Für den Einsatz von ECMO müssen Neugeboren e bestimmte Kriterien erfüllen: Sie müssen ein Geburtsgewicht von über 2000 Gramm haben. Sie dürfen keine Blutungen haben, und vor allem muß ihr Lungenversagen auf einer reversiblen Krankheit beruhen.

Ist die Entscheidung für die ECMO-Therapie gefallen, wird der künstliche Kreislauf vorbereitet. Die Kinderchirurgen operieren zunächst die Gefäße frei. Der kleine Patient wird dann über zwei Kanülen an den künstli chen Kreislauf angeschlossen. Schon nach zwanzig Minuten übernimmt dieser die Lungenfunktion. Eine Schwester und ein Arzt betreuen das Kind rund um die Uhr.

Von allen Problemen, die während der Therapie auftreten können, fürchtet das Team Hirnblutungen am meisten. Die Gefahr ist groß, weil das Blut für diese Behandlung ungerinnbar gemacht wird und die Gefäße bei Neugeboren en noch empfindlicher sind. Zu den Risiken gehören Herzfunkti-onsstörungen, Nierenversagen, Stoffwechselstörungen und Krämpfe beim Kind. Aber auch technische Probleme sind möglich: Kleine Blutgerinnsel, die sich im System bilden, können die Pumpe oder die Schläuche verstopfen. Deshalb steht immer ein kompletter Ersatzkreislauf bereit.

Seit 1991 sind zwölf Kinder im Klinikum Benjamin Franklin mit ECMO behandelt worden. Acht von ihnen überlebten. Die künstliche Lungenmaschine erhöht die Überlebenschancen der kleinen Patienten deutlich, denn vor der ECMO-Behandlun g haben die Kinder eine Sterbewahrscheinlichkeit von ungefähr 85%. Obwohl alle bisher in Berlin erfolgreich behandelten Kinder noch sehr klein sind, zeichnet sich ab, daß ihre Entwicklung im Vergleich zu Kindern mit einem ähnlichen Krankhe itsbild, die anders behandelt wurden, günstiger verläuft.

Betina Meißner

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