Semesterveröffnung

Die Verantwortung der Ärzte


Zu dem neuen Selbstverständnis, das der zwar größte, aber erst eineinhalb Jahre junge Fachbereich der Freien Universität entwickelt hat, gehört auch die Wiederaufnahme einer alten Tradition: die feierliche Semestereröffnu ng. An persönlicher Ansprache für die Studierenden mangelte es dabei nicht. Den frisch Immatrikulierten, die sich am 25. Oktober im Hörsaal Ost einfanden, wurde ihre Bedeutung aus zweierlei Perspektiven verdeutlicht. Während Dekan Prof essor Peter Gaehtgens die existentielle Rolle der Lernenden für ein Universitätsklinikum ansprach: "Wenn es die Studierenden nicht gäbe, gäbe es auch die Lehrenden nicht", zielten die eindringlichen Worte des Festredners weit über die Studienzeit hinaus: "Die nächsten zwei Generationen werden Sie die Humanmedizin mitgestalten!"

Ignatz Bubis war in das Universitätsklinikum Benjamin Franklin gekommen, um am 50. Jahrestag der Nürnberger Ärzteprozesse über sein großes Thema, die "Verantwortung für den Menschen", zu sprechen - und um es zum Thema der künftigen Ärzte zu machen. Er wies die jungen Studierenden auf ihre "besondere Berufung" hin, "Menschen zu heilen, nicht an Menschen zu experimentieren und nicht zu entscheiden über wertes und unwertes Leben". Sein Auftrag, als "jemand, der die Grausamkeit der Geschichte erlebt hat", sei zu vermitteln, wie wichtig es ist, "zu wissen, was Menschen Menschen antun können".

Der Vorsitzende des Zentralrats der Juden, Ignatz Bubis, eröffnete mit einem Vortrag zum Thema "Verantwortung für den Menschen" das Wintersemester am Fachbereich Hum anmedizin. Damit greift der Fachbereich eine alte Tradition wieder auf. Künftig wird er den Beginn eines jeden Semesters mit einer öffentlichen akademischen Eröffnungsveranstaltung begehen, die sich in erster Linie an die neu immatrikuliert en Studierenden und Dozenten wendet.

Bubis ging besonders auf die Vergasung von Behinderten, die Experimente an Zwillingen und die Tötung von Waisen während der NS-Zeit ein. Angesichts dieser Erfahrungen dürfe niemand, auch kei n Arzt entscheiden, was "unwertes Leben" sei. Bubis nannte die Gentechnologie als ein mögliches Beispiel dafür, daß die Medizin nicht nur heilen, sondern auch viel Böses anrichten könne.

Nach seinem Vortrag stellte sich der Vorsitzende des Zentralrats der Juden im überfüllten Hörsaal den Fragen der angehenden Mediziner. Denn er wollte nicht einfach gehen und sagen "auf Wiedersehen, seht wie ihr damit fertig werdet".

Im Anschluß folgten viele Erstsemester dem einladenden Motto "meet your professor" in der Südhalle. Hier konnten sie in kleinen Gesprächsrunden mit ihren künftigen Hochschullehrern Tuchfühlung aufnehmen. Das Spektrum der vertretenen Disziplinen reichte von A wie Anatomie bis Z wie Zahnmedizin. Bleibt zu wünschen, daß die Studierenden im Laufe der nächsten Jahre öfter Gelegenheit haben, Eindrücke und Einsichten wie auf dieser Veranstaltung zu sammeln.
Felicitas Wlodyga


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