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Nach dreißig Jahren Klinikum wird es für die Computer der ersten
Stunde Zeit, sich zu verabschieden. Mit der Jahrtausendwende naht das Aus
für die kleiderschrankgroßen BS 2000-Rechner der Firma Siemens
(Branchen-Spott: bis 2000). Denn die angegrauten Rechenmeister haben nur
zwei Stellen für das Datum reserviert. Silvester 2000 schalten sie
deshalb auf 1900; mit schrecklichen Folgen. Zehnjährige werden zumindest
elektronisch zu Tattergreisen und Patienten, obwohl erst gestern eingeliefert,
scheinen seit 99 Jahren in Behandlung zu sein.
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Und es ist nicht mal sicher, ob es die BS 2000 überhaupt so weit schafft.
Dr. Gabriele Faulkner, Leiterin des Servicebereichs Informationsverarbeitung
hat da Zweifel: "Ich bete jeden Morgen, daß die Dinger noch laufen.
Die neuen Zentralgehirne sind zwar größer als ein normaler PC,
füllen aber nicht mehr ganze Räume. Und sie kommen im Doppelpack,
damit bei einem Defekt kein Chaos ausbricht. Ausfallsicherheit hat bei
uns größte Priorität", sagt Faulkner. Stürzt ein Computer
ab, kann er von der EDV-Zentrale aus überprüft und neu eingestellt
werden. Auch neue Software kann auf die Rechner gespielt werden, ohne das
ein Informatiker das Haus verläßt.
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Ein paar Daten für den Computer-Freak: 2.000 Megabyte Hauptspeicher
und Festplatten, die mit 60.000 Megabyte tausendmal mehr fassen, als der
PC Zuhause auf dem Schreibtisch. Und jedes Jahr sollen 15.000 Megabyte
dazu kommen. Die alten Computer in den Büros und Stationen werden
aufgerüstet, um mit dem neuen System Schritt zu halten. Nur ältere
Modelle folgen der BS 2000 auf den Schrott. "Eine Umrüstung wäre
technisch möglich", sagt Faulkner, "lohnt sich aber finanziell nicht".
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Viel wichtiger als die Computer sind aber die Programme, die darauf laufen.
Bisher waren im Klinikum viele unterschiedliche Programme zuständig
für Lohnabrechnung, Patientendaten und Materialbeschaffung. Die sind
untereinander nicht kompatibel und ihre Leistung ist alles andere als zufriedenstellend.
Zum Beispiel die Patientenaufnahme. Faulkner: "Wenn der Patient Pech hat,
ist er vor seinen Daten auf der Station. Und dann wird alles noch einmal
eingegeben." Auch von den Abrechnungen für Drittmittelprojekte ist
Faulkner nicht begeistert: "Wenn ich so einen Auszug von meiner Bank kriege,
würde ich sofort mein Konto kündigen."
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In Zukunft soll deshalb alles übersichtlicher werden. Dafür soll
das Programm R/3 der deutschen Software-Firma SAP sorgen, das zum 1.1.1999
im Klinikum eingeführt wird. Die Firma ist dem Privatmann unbekannt,
macht aber mehr Umsatz in Deutschland, als Bill Gates allmächtige
Softwareschmiede Microsoft. R/3 besteht aus vielen Modulen, die fast alle
Bereiche des Klinikums abdecken. Vieles soll möglich werden, wenn
auch nicht sofort zum 1.1.1999. "Wenn sie auf der Station etwas bestellen,
sehen sie sofort, was das Produkt kostet und ob überhaupt noch Geld
da ist", schaut Faulkner ein wenig in die Zukunft. Auf der Station sollen
alle Patientendaten zu sehen sein, Doppelaufnahmen kommen nicht mehr vor.
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So ganz traut auch die EDV-Abteilung dem neuen System nicht, selbst wenn
schon viele Krankenhäuser ähnliche Programme verwenden: "SAP
ist eigentlich ein Spezialist für den Verwaltungsbereich", sagt Faulkner.
Auf den Stationen sollen deshalb zu Beginn nur wenige Grundfunktionen verfügbar
sein. Und Teile des neuen Systems werden erst im kleinen getestet, bevor
der große Knall kommt. Pilotprojekt ist die Urologie, die auch früher
schon computerbegeistert war. Da jedes Programm nur so gut sein kann, wie
der Mensch, der es bedient, werden die Mitarbeiter vor der Umstellung geschult.
Je nach Aufgabe schwankt der Zeitaufwand von einigen Stunden bis zu einigen
Tagen.
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Gut 12 Millionen Mark stehen für Computer, Programme und Schulung
zur Verfügung. Über 70 Leute aus dem UKBF arbeiten mit, dazu
kommen noch externe Mitarbeiter von Soft- und Hardwarefirmen. 17 neue Leute
wurden für die Einführungsphase eingestellt, damit hoffentlich
alles glatt geht. Zum Schluß noch ein Dämpfer für den,
der glaubt, daß heute alles möglich ist. Die Zahnklinik Assmannshauser
Straße bleibt erst mal außen vor und wird nicht in das neue
System integriert. Hier sind nicht etwa die ewig Gestrigen am Werk, die
am liebsten die Schreibmaschine wieder ölen würden: Faulkner:
"Für die speziellen Anforderungen der Patientenabrechnung in der Zahnklinik
gibt es eben einfach keine Programme. Das wäre doch eigentlich mal
eine Aufgabe für die FU-Informatiker.
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Bernd Plümper
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