Forschungsschwerpunkt Experimentelle und Klinische Endokrinologie

Von A wie Aminosäurentransmitter bis Z wie zytokinvermittelte Signaltransduktion


Am 18. August stimmte der Fachbereichsrat der FU-Humanmedizin der Förderung von 13 Projekten zu, die zusammen den vierten Forschungsschwerpunkt (FSP) des Fachbereichs* mit dem Titel "Experimentelle und Klinische Endokrinologie" bilden. Mit dem Koordinator des Forschungsschwerpunkts, Professor Wolfgang Oelkers (Medizinische Klinik IV), und seinem Stellvertreter, Dr. Thomas Gudermann (Institut für Pharmakologie), sprach Sylvia Zacharias.

? Prof. Oelkers, worin war das Auswahlverfahren für diesen Forschungsschwerpunkt (FSP) mit dem der ersten drei FSP identisch und worin unterschied es sich?

Zur internen Begutachtung wurden zunächst 41 Anträge eingereicht. Wie bei den anderen Forschungsschwerpunkten erfolgte die Bewertung der 21 für die externe Begutachtung ausgewählten Anträge nach einem Punkte-Score. Dieser setzte sich aus den Komponenten Drittmitteleinwerbung, wissenschaftlicher Output, Kooperation mit anderen Arbeitsgruppen und Eignung für den FSP zusammen. Eine Neuerung stellte die Hinzuziehung von zwei zusätzlichen externen Gutachtern dar, die keinerlei Kenntnis der Vorvoten erhielten, um noch mehr Objektivität gegenüber den internen Bewertungen herzustellen.

? Zwischen Endokrinologie, also Hormonforschung, und Tumormedizin gibt es Überschneidungen. Wie verhindern Sie hier eine Doppelförderung?

Es gab in der Tat Überlappungen. Darum haben wir Projektanträge, die bereits zur Förderung in einem der anderen Forschungsschwerpunkte freigegeben waren, wie einen Sammelantrag behandelt bzw. die Förderungssumme verkleinert.

? Wieviele Projekte wurden in das Förderungsprogramm aufgenommen?

Insgesamt 13 Projekte von 20 Arbeitsgruppen. Dabei erhalten allein fünf Vorhaben des Instituts für Pharmakologie fast die Hälfte der Förderungssumme von 500.000 DM. Sie sind außerdem Bestandteil des DFG-geförderten Sonderforschungsbereichs 366 "Signaltransduktion" oder bereits auf andere Weise drittmittelgefördert, sind also bereits vorgeprüft.

? Stellt diese Einbeziehung von Projekten des Sonderforschungsbereichs in den Forschungsschwerpunkt "Experimentelle und Klinische Endokrinologie" nicht eine Doppelförderung dar?

Ja, aber diese Doppelförderung ist beabsichtigt. Sehr leistungsstarke Forschergruppen sollen auch durch Geldmittel der Universität intern eine Stärkung erfahren. Dadurch können sie die im Rahmen der Drittmittelförderung erschlossenen Ressourcen besser nutzen. Analog verhält es sich beim Sonderforschungsbereich "Onokotherapeutische Nukleinsäuren" und dem Forschungsschwerpunkt "Tumormedizin" unseres Fachbereichs.

? Wann sollen die Mittel in den Haushalt eingestellt werden?

Das Haushaltsjahr ist fast um, wir erwarten also für 1997 nur ein paar "Notgroschen".

? Wo ziehen Sie die Grenzlinie zwischen experimenteller und klinischer Endokrinologie?

Eine klare Grenzziehung ist nicht möglich. Die Projekte aus den Abteilungen der Inneren Medizin (Gastroenterologie, Endokrinologie), der Frauenklinik und der Hautklinik sind selbstverständlich kliniknäher als die Projekte aus dem Institut für Pharmakologie. Ich strebe allerdings an, bei Weiterbestehen dieses FSP, hochwertige klinische Forschung im eigentlichen Sinne - die allerdings zur Zeit von der DFG weniger gefördert wird - stärker einzubeziehen.

? Welches ist der größte gemeinsame Nenner des Forschungsschwerpunkts?

Ein Generalthema, wie etwa beim FSP "Tumormedizin" oder beim FSP "Entzündliche Erkrankungen", gibt es hier nicht. Ein gemeinsamer Nenner ist die Aufklärung der "konzertierten Aktion" von Botenstoffen und Zellfunktionen bei der Steuerung aller Körpervorgänge.

Annähernd zwei Dutzend aus der Palette unterschiedlichster Botenstoffe und intrazellulärer Akteure werden in diesem FSP untersucht: Von A wie Aminosäurentransmitter bis Z wie zytokinvermittelte Signaltransduktion. Zwei thematische Schwerpunkte lassen sich dennoch benennen. Erstens: Die Signaltransduktion nach Bindung von Hormonen an Membranrezeptoren. Zweitens: Die Wirkungsmechanismen von Steroidhormonen bei Krankheitszuständen.

? Sind die Wirkungsmechanismen bei allen Hormonen gleich?

Grundsätzlich unterscheiden wir Eiweißhormone, die an Rezeptoren mit Signaltransduktion binden und Nicht-Eiweiß-bzw Steroidhormone, die an intrazelluläre Rezeptoren in den Zielzellen binden. Diesen beiden Hormongruppen lassen sich die gerade genannten Schwerpunkte zuordnen.

? Der Schwerpunkt "Signaltransduktion..." befaßt sich also mit den Eiweißhormonen. Können Sie das kurz erläutern?

Eiweiß-Hormone sind beispielsweise: Insulin, Wachstumshormone, ACTH (Hypophyse) sowie die Hormone LH und FSH, welche Eierstöcke und Hoden regulieren. Sie alle sind wasserlöslich und kommunizieren über einen Empfänger an der Zellmembran mit dem Zellinneren. Deshalb spricht man auch von Rezeptor-Endokrinologie. Der Rezeptor leitet das hormonelle Signal weiter an eine Schaltstelle (G-Protein), und diese gibt - über verschiedene Zwischenstellen - Order an zelluläre "Werkzeuge": etwa zur Fabrikation eines zweiten Hormons oder eines bestimmten Eiweißkörpers, aber auch zur Aufnahme von Glukose oder Calcium.

? Dr. Gudermann, der Schwerpunkt "Signaltransduktion" wird vom Institut für Pharmakolgie erforscht...

Ja. Alle fünf Projekte beschäftigen sich primär mit experimenteller Endokrinologie und beziehen sich auf pathophysiologische Veränderungen von sogenannten Signalübertragungskaskaden, wie die mehrere Stufen umfassende Maschinerie der Signalweitergabe genannt wird.


Zusammenspiel der Signalübertragung von Hormonen und Wachstumsfaktoren

? Bitte beschreiben Sie unseren Lesern kurz den Inhalt dieser fünf Projekte?

Das erste Projekt hat die molekulare Identifizierung der Komponenten, die den Befruchtungsvorgang bestimmen, zum Thema. Das Fernziel dabei ist die Entwicklung eines Kontrazeptivums für den Mann.

Ein zweites Vorhaben soll die Rolle natürlich vorkommender Mutationen an Rezeptoren für Glykoproteinhormone aufklären. Das sind Hormone, die die Schilddrüse und Geschlechtsdrüsen regulieren. Gelingt dies, könnten neue Therapien zur Behandlung von endokrinen Erkrankungen entwickelt werden. Außerdem könnte bei angeborenen Schilddrüsenerkrankungen die Behandlungsstrategie rationaler gestaltet werden.

Die drei anderen Projekte betreffen mehr grundsätzliche Fragen: Die Aufklärung über die bis jetzt noch kaum bekannte Funktion der G-Proteine G12 und G13. An diese beiden G-Proteine koppeln ganz unterschiedliche Hormonrezeptoren an.

Im vierten Projekt geht es um die Rolle von G-Proteinen an intrazellulären, hormon- bzw. neurotransmitterspeichernden Vesikeln (=Bläschen) und im fünften Vorhaben ist geplant " eine "molekulare Karte" der funktionellen Domänen der Adenylcyclase zu erstellen. Dieses Enzym wird von mehr als 100 verschiedenen Hormonen benutzt, um einen intrazellulären "second messenger" (zweiten Boten) auf den Weg zu bringen.

? Prof. Oelkers, als zweiten Schwerpunkt nannten Sie "Wirkungsmechanismen von Nicht-Eiweiß- bzw. Steroidhormonen bei Krankheitszuständen". Wie unterscheiden sich diese von den eben geschilderten Eiweißhormonen?

Die Nichteiweiß-oder Steroidhormone benötigen für ihre Wirkung in der Zelle keinen äußeren, an der Zellwand (Membran) gelegenen Rezeptor. Denn aufgrund ihrer Fettlöslichkeit ist es ihnen möglich, durch die Membran hindurchzuwandern und so zu ihrem im Zellsaft oder im Zellkern gelegenen Rezeptor zu gelangen. Steroidhormone binden mit den Rezeptoren direkt an die Erbsubstanz DNS und wirken auf die Anschaltung oder Abschaltung eines Gens. Zu dieser Gruppe gehören z.B. die Nebennierenhormone des Mineral-und Kohlehydratstoffwechsels: Cortisol und Aldosterol; die Östrogene, Progesteron, Testosteron und die Vitamine A und D.

? Worum geht es bei diesen "kliniknäheren" Projekten der Medizinischen Klinik, der Haut- und der Frauenklinik?

Die Projekte der Magen-Darm-Spezialisten haben in zwei Fällen die Bauchspeicheldrüse und das Pankreaskarzinom, die Colitis ulcerosa sowie sogenannte neuroendokrine Tumore des Magen-Darm-Trakts zum Gegenstand. Bei den beiden Projekten der Hautklinik geht es konkret um die Schuppenflechte, aber auch um die durch Wachstumsfaktoren vermittelte Signaltransduktion in Hautzellen. Das Projekt der Frauenklinik befaßt sich mit der Rolle des Östriols als Regulator der Schleimhautdifferenzierung.

? Prof. Oelkers, welche Projekte befinden sich aus Ihrem eigenen Fachgebiet, der Endokrinologie, im Förderprogramm?

Ein kleineres Projekt befaßt sich mit der Blutdruckregulation durch das Gelbkörperhormon Progesteron. Das bedeutendere Projekt - es liegt auf der Grenze zwischen klinischer und experimenteller Forschung - beschäftigt sich mit einem Enzym, das die Aufnahme von Kortikosteroiden (Nebennierenhormonen) in die Zielzellen von Organen wie der Leber und der Niere steuert.

Dieses Projekt steht im Zusammenhang mit der Suche nach einem selektiv wirkenden, cortisonähnlichen Medikament. Es sollte zum Beispiel Auto-Immunreaktionen, wie etwa nach Nierentransplantationen, verhindern, jedoch keine Schäden oder Störungen an anderen Organen wie Gewichtszunahme, Knochenabbau oder Bluthochdruck mehr hervorrufen.

* Die anderen Forschungsschwerpunkte des Fachbereichs wurden in den Ausgaben 5/97 (Herz-Kreislauf-Erkrankungen), 6/97 (Tumormedizin) und 7/97 (Endzündliche Erkrankungen) der Klinik:um:schau vorgestellt.


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