Eröffnung der Stroke Unit
Jede Minute zählt
Am 2. September war es soweit: die neue Schlaganfall-Einheit "Stroke Unit" wurde am Universitätsklinikum Benjamin Franklin eröffnet. Die Einrichtung verfügt über vier Betten für die klinische und apparative Überwachung in den ersten 48 Stunden eines akuten Schlaganfalls. Lang, sehr lang war die Liste der Unterstützenden und Spendenden für die Stroke Unit, die Initiator Prof. Peter Marx, Abteilungsleiter der Neurologischen Klinik, zur Eröffnungsfeier am 12. September verlas.
Marx dankte vor allem den Krankenkassen, die zu Jahresbeginn das wegweisende grüne Licht für die Einrichtung am Benjamin-Franklin-Klinikum gaben, der Deutschen Schlaganfallstiftung und der Berliner Zeitung. Diese hatte eine aufwendige Sammelaktion auf die Beine gestellt, bei der die Leser 210.000 Mark spendeten. Klaus Schönebeck, ebenfalls Leser der Berliner Zeitung, bat seine Freunde, von Geschenken zu seinem 60. Geburtstag abzusehen und für die Stroke Unit zu spenden. Ergebnis: ein Scheck über 4.500 Mark.
Marx freute sich über die schnelle und unbürokratische Hilfe, die ihm auch im eigenen Hause zuteil wurde. So erhielt er in der Bauphase volle Unterstützung von der Technischen Abteilung, die von der Bauplanung und -koordinierung bis hin zu umfangreichen Eigenbauaktivitäten auch maßgeblich zur Kostensenkung beitrug. Der Krankenpflegeleitung ist es zu verdanken, daß der Personalschlüssel für die Pflegekräfte von vier (bezahlt durch die Krankenkassen) auf die erforderlichen sieben Pflegenden erhöht werden konnte. Dazu kommen 2,5 ebenfalls von den Kassen finanzierte Arztstellen.
Die Liegedauer in der Stroke Unit soll grundsätzlich nur wenige Tage betragen. Danach erfolgt die Verlegung des Patienten in eine Nachsorgeeinrichtung, deren deutlich niedrigere Pflegesätze die durch Stroke Unit entstehenden Mehrkosten kompensieren helfen.
Felicitas Wlodyga
Was bedeutet Stroke Unit? Eine Stroke Unit, zu deutsch Schlaganfall-Einheit, ist eine spezielle medizinische Einrichtung, die in ihrem Standard einer Intensivstation - allerdings ohne Beatmungsgeräte - entspricht. Ihre Zielsetzungen sind
- eine umfassende und sofortige Diagnostik der Art und Ursache des Schlaganfalls,
- das Einsetzen der für die jeweilige Art des Schlaganfalls geeignetsten Behandlung,
- die kontinuierliche Überwachung der Patienten während der meist instabilen Frühphase der Erkrankung .
Nur so können schädliche Blutdruckschwankungen, Herzrhythmus- oder Atmungsstörungen rasch behoben und Notsituationen, die ein neurochirurgisches Eingreifen erfordern, rechtzeitig erkannt werden.
Welches Umfeld braucht die Stroke Unit? Diesen medizinischen Standard können nur Großkrankenhäuser erfüllen. Ihre Ausstattung umfaßt:
- möglichst eine interdisziplinäre Aufnahmestation, die sofort die Primärdiagnostik, einschließlich Computertomographie veranlassen kann,
- kurze Wege von der Aufnahme zur Stroke Unit und
- ein klar strukturiertes Umfeld mit sämtlichen Fachdisziplinen von der Neurochirurgie bis zur Kardiologie.
Schlaganfall: lebenswichtige Soforthilfe Jeder zehnte Deutsche über 50 Jahre stirbt an den Folgen eines Schlaganfalls. Der Schlaganfall ist nach Herzinfarkt und Krebs die dritthäufigste Todesursache. Nach einem akuten Schlaganfall verschlechtern sich die Behandlungschancen um so rapider, je mehr Zeit zwischen dem Einsetzen der Symptome und dem Beginn der Therapie verstreicht. In einer 1994 durchgeführten Untersuchung an sechs Berliner Krankenhäusern konnte Prof. Peter Marx nachweisen, daß selbst in einer Großstadt nur 23% der Patienten die Klinik innerhalb von zwei Stunden erreicht; 50% kommen erst nach 12 Stunden. Zu spät für viele: Etwa ein Drittel der jährlich Betroffenen stirbt an den Folgen eines Schlaganfalls. Ein weiteres Drittel bleibt zeitlebens behindert.
Dieses Schicksal ist abwendbar. Wenn nur zwei, maximal drei Stunden zwischen dem Auftreten erster Symptome und der Einlieferung in eine Klinik liegen, könnte die Sterblichkeitsrate erheblich niedriger sein. Doch der aus klinischer Forschung entstandende Anspruch und die Wirklichkeit der medizinischen Routine klaffen noch immer weit auseinander. Denn anders als beim Herzinfarkt, für den meist unverzüglich die höchste Alarmstufe gilt, lassen Schlaganfallpatienten, ihre Angehörigen, aber auch Ärzte beim Hirninfarkt oft lebensbedrohende Zeit vergehen.
Stroke Unit als wissenschaftliche Einrichtung Die Krankenversorgung an der Stroke Unit im Klinikum Benjamin Franklin wird von wissenschaftlichen Studien begleitet. Erforscht werden
- die Risikofaktoren im Frühverlauf des Schlaganfalls, die durch Monitoring identifizierbar sind,
- noch nicht in die Behandlung aufgenommene oder noch abschließend wissenschaftlich zu bewertende Therapiemaßnahmen in prospektiven Studien - mit dem Ziel, die therapeutischen Methoden zu erweitern,
- Indikatoren für die Prognose in der Frühphase - mit dem Ziel daraus Strategien für die Nachsorgebehandlung zu entwickeln.
Die Deutsche Schlaganfallstiftung Ziel der Deutschen Schlaganfallstiftung ist eine profunde Aufklärungsarbeit. So führt sie in diesem Herbst eine flächendeckende Vorsorgekampagne durch, an der sich etwa 17 Millionen Bundesbürger an einer Fragebogenaktion beteiligen können (Informationen ab November bei der Barmer). Die Deutsche Schlaganfallstiftung unterstützt die bundesweite Einrichtung von Stroke Units. Doch vom Ideal ist die medizinische Landschaft noch weit entfernt:Optimal wäre eine Spezialeinrichtung für 750.000 bis 1.000.000 Menschen. Derzeit gibt es sechs Schlaganfall-Einheiten in der Bundesrepublik.
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