Der Physiologe Prof. Peter Gaehtgens - seit April 1995 Dekan am Fachbereich Humanmedizin - hat angesichts der hohen Sparauflagen für die Berliner Universitätsmedizin eine Rahmenplanung für seinen Fachbereich vorgelegt, die "durch Zusammenführung von Grundlagendisziplinen und klinischen Einrichtungen die kliniknahe Forschung stärken und inhaltliche Schwerpunkte fördern soll". |
Durch das UniMedGesetz wurde die Berliner Universitätsmedizin zum 1. April 1995 neu geordnet; an der Freien Universität wurden die grundlagenmedizinischen und klinischen Disziplinen zu dem neuen Fachbereich Humanmedizin (UKBF) zusammengeführt. Die Fakultäten bzw. Klinika der Freien und der Humboldt Universität erhielten gleichzeitig die Aufgabe, durch Bildung von Schwerpunkten jeweils spezifische Leistungsprofile zu entwickeln. Der Fachbereichsrat hat hierzu einen ersten Schritt getan, indem er am 14.11.1995 eine "Rahmenplanung für Schwerpunkte und Struktur" verabschiedet hat, die durch Zusammenführung von Grundlagendisziplinen und klinischen Einrichtungen die kliniknahe Forschung stärken und inhaltliche Schwerpunkte fördern soll. Entsprechendes wird auch für Lehre und Ausbildung nachzutragen sein.
Im Vergleich zu dem zukünftigen HU-Klinikum CharitŽ ist das UKBF nach Bettenzahl, personeller, technischer und räumlicher Ausstattung deutlich kleiner. Daher muß es in der Schwerpunktplanung die fachübergreifende Zusammenarbeit in besonderer Weise entwickeln, wenn es in Berlin, aber auch darüber hinaus wettbewerbsfähig bleiben will.
Dies wird viele Jahre benötigen, denn Schwerpunkte in Forschung, Lehre und Krankenversorgung können nicht ein- für allemal festgelegt werden, sondern bedürfen der ständigen Anpassung an die fortschreitende Wissens- und Methodenentwicklung in der Medizin. Die auch vom Akademischen Senat und vom Kuratorium verabschiedete Rahmenplanung enthält drei Kernelemente:
1. Die Einrichtung von inhaltlich definierten Forschungsschwerpunkten als neuartige Strukturen fachübergreifender Zusammenarbeit.
2. Die Neuordnung der Wissenschaftlichen Einrichtungen (Institute und Kliniken) unter gleichzeitiger Verminderung ihrer Ausstattung mit Professuren.
3. Die Einführung externer Begutachtung als Instrument leistungsorientierter Entwicklungsplanung.
Die Forschungsschwerpunkte des Fachbereichs Humanmedizin sollen zur Entwicklung gemeinsamer Forschungsstrategien führen und eine optimale Zusammenarbeit zwischen Grundlagenforschern und Klinikern in Projekten ermöglichen, die in der Regel durch Drittmittel gefördert werden. Diese Forschungsschwerpunkte sollen über die gegenwärtige Abteilungsgliederung hinausgehen und nach inhaltlichen Gesichtspunkten organisiert werden - Vorbild sind die "Research Centers" amerikanischer Universitäten. Die an den Schwerpunkten beteiligten Arbeitsgruppen sollen ein gemeinsames Lenkungsgremium - ähnlich einem DFG-Sonderforschungsbereich - gründen.
Durch die Einrichtung von Forschungsschwerpunkten wird das thematische Profil des Fachbereichs Humanmedizin verdeutlicht. In der Rahmenplanung wurden daher drei Forschungsschwerpunkte definiert, die als profilbildend für das UKBF angesehen werden:
Diese Schwerpunkte sind zunächst noch sehr breit definiert und werden sich im Laufe der konkreten Umsetzung inhaltlich stärker fokussieren. Daneben werden sich auch andere fächerübergreifende Schwerpunkte herausbilden. Beispielsweise bestehen im UKBF schon jetzt im Bereich der Medizintechnik und Lasermedizin vernetzte Aktivitäten insbesondere mit den diagnostischen und operativen Abteilungen. Hier wird im Zusammenhang mit dem geplanten "Zentrum für Minimal-Invasive Chirurgie (MIC)" zu prüfen sein, ob die fachübergreifende medizintechnische Forschung und Entwicklung weiter ausgebaut werden sollte.
Auch die auf neurobiologische Suchtforschung und alterspsychiatrische Demenzforschung orientierte Psychiatrie bildet einen zunächst nicht institutsübergreifenden Schwerpunkt. Weitere fachübergreifende Schwerpunkte könnten sich aber als "Zentrum für Forensische Wissenschaften" sowie als "Forschungsverbundes Umweltmedizin" bilden.
Wichtig ist, daß das Konzept der Forschungsschwerpunkte für neue Inhalte offen ist und bleibt. Diese Beweglichkeit bietet erhebliche Vorteile gegenüber der Festlegung relativ starrer administrativer Einheiten, etwa der Institute, Abteilungen oder Kliniken, deren Ressourcen - von Haushaltskürzungen abgesehen - weitgehend unbeweglich festgefroren sind und daher oft für übergreifende Zusammenarbeit fehlen.
Die sich mit diesen Überlegungen mittel- bis langfristig abzeichnende Profilentwicklung des UKBF und die Komplementarität der hier bestehenden Schwerpunkte gegenüber den Schwerpunkten der HU-Medizin kann allerdings nicht randscharf sein. Dies wäre weder möglich noch wünschenswert: Denn die biomedizinische Grundlagenforschung in allen Fakultäten muß breit angelegt sein, und zentrale Fragestellungen der klinischen Medizin können nicht exklusiv nur an einem Standort bearbeitet werden. Im Gegenteil: die langfristig zu erwartende Zunahme an fachlicher Kooperation über die Universitätsgrenzen hinweg wird ebenso wie die Einbeziehung außeruniversitärer Einrichtungen zu einer sinnvollen Wissenschaftsvernetzung in einem fusionierten Bundesland Berlin-Brandenburg führen müssen.
Wenn auch die bedrohlichen Haushaltsengpässe und das Trauma in Frage gestellter Existenz von Institutionen derzeit immer noch vielfach das Denken in formalen Abgrenzungen fördern: Langfristig wird die personenabhängige Leistungsstärke ebenso wie die fachliche Notwendigkeit von Kooperation die Schwerpunktbildung bestimmen und teilweise wieder verwischen. Das Abstecken von "claims" in Wissenschaftsfeldern ist auf Dauer der Dynamik wissenschaftlicher Entwicklung ebenso abträglich wie überzogene "corporate identity" von administrativen Einheiten.
Der inhaltlichen Entwicklungsplanung des Fachbereichs Humanmedizin muß - nach Zusammenführung von Grundlagenmedizin und klinischen Einrichtungen - unter Berücksichtigung der schwierigen räumlichen und haushaltsmäßigen Bedingungen eine Struktur- und Organisationsplanung entsprechen. In dem jetzt vollzogenen ersten Schritt wurde die Binnengliederung des Fachbereichs in Wissenschaftliche Einrichtungen und ihre zukünftige Ausstattung mit Professuren festgelegt. Im Zuge der Umsetzung dieser Strukturplanung wird auch die weitere Stellenausstattung, insbesondere des wissenschaftlichen Mittelbaus, zu überlegen sein; auch dabei muß aber die Flexibilität erhalten bleiben, die den sich entwickelnden Leistungsbilanzen Rechnung trägt.
Im Zusammenhang mit der Neuordnung werden die folgenden drei profilbildenden Einrichtungen etabliert:
1. Das Biomedizinische Forschungszentrum (BFZ) als Zusammenfassung solcher Einrichtungen, die die kliniknahe Forschung besonders in den fachübergreifenden Schwerpunktthemen des UKBF durch ihre Grundausstattung an Expertise, Forschungsflächen und Ausstattung unterstützen können (Klinische Physiologie, Klinische Genetik, Med.Physik/Lasermedizin).
2. Das Centrum für Somatische Gentherapie (CSG) als drittmittelfinanziertes An-Institut der Freien Universität insbesondere zur Stärkung der unmittelbaren Verknüpfung grundlagenwissenschaftlicher Forschung und klinischer Anwendung, insbesondere im onkologischen Schwerpunkt des UKBF.
3. Das Gentechnologische Zentrum (GTZ) als Einrichtung der im Grundlagen- wie im klinischen Bereich essentiellen Etablierung genetisch veränderter Tiermodelle, insbesondere durch Nutzung der Zentralen Tierlaboratorien (ZTL).
Darüber hinaus wurden die derzeit 38 Wissenschaftlichen Einrichtungen des Fachbereichs durch teilweise Zusammenfassung auf 32 reduziert und in funktionell definierte Fächergruppen eingeteilt.
Die auch angesichts der erheblichen Haushaltsprobleme, aber auch zur Reduzierung der Fächerzersplitterung erforderliche Senkung der Zahl von Professuren (um 32% von derzeit 162 auf 111) wird erst im Zuge der personellen Erneuerung mittel- bis langfristig umgesetzt werden können. Damit ist auch eine größere Planungssicherheit gegeben.
Der Rahmenplan des Fachbereichs sieht eine systematische Begutachtung der Forschungsschwerpunkte durch externe Sachverständige vor. Ein ständiger Gutachterbeirat wird den Fachbereich bei der ergebnisorientierten Zuweisung von Ressourcen künftig beraten.
Voraussetzung für diese Begutachtung ist eine kontinuierliche Dokumentation der Forschungsleistung. Damit stellt sich der Fachbereich einerseits dem überregionalen Wettbewerb um die Finanzierung von Forschungsprojekten; andererseits aber macht er auch seine internen Zuweisungsentscheidungen von einer externen Qualitätskontrolle abhängig.
Externe Begutachtungen der Entscheidungen eines Fachbereichs sind an deutschen Universitäten bisher als systematisches Instrument der Entwicklungsplanung nicht üblich, sie werden aber in zunehmendem Maß gefordert.
Der Fachbereich Humanmedizin der FU betritt mit seiner Strukturplanung insofern Neuland, weil er die Begutachtung nicht allein auf zu spezifischen Zwecken eingerichtete Sondervorhaben begrenzt, sondern die gesamte Entwicklungsplanung und die damit zusammenhängenden internen Entscheidungsstrategien einbezieht.
Der Fachbereich reagiert damit auch auf die bundesweite Diskussion über Forschungsstrukturen, Mittelvergabe und Entscheidungsstrategien, die etwa im Wissenschaftsrat oder in der Kultusministerkonferenz (KMK) im Zusammenhang mit der Entwicklungsplanung von Universitätsklinika stattfindet. Die KMK diskutiert einen - durch die Fakultät nach Leistungskriterien zuzuweisenden - befristeten "Forschungs- und Lehrfonds" in Höhe von etwa 30-40% des Staatszuschusses für Forschung und Lehre; das UniMedG enthält ähnliche Festlegungen.
Die Erarbeitung der maßgeblichen Kriterien bezeichnet das KMK-Papier als eine "notwendige, aber konfliktträchtige Aufgabe, die für die weitere Entwicklung der medizinischen Forschung und Lehre grundlegende Bedeutung hat". So ging auch der Verabschiedung der Rahmenplanung im Fachbereichsrat eine von Kontroversen nicht freie Diskussion voraus, bei der mancher inhaltliche Dissens nur durch Mehrheitsbeschluß entschieden werden konnte. Das lag auch daran, daß manche der Festlegungen nicht nur inhaltlich begründet sind, sondern durch die schwierige Haushaltslage des UKBF erzwungen wurden. Auch deshalb hat der Fachbereich Humanmedizin in seiner Rahmenplanung beschlossen, die Konfliktträchtigkeit der Personalunion von Entscheidenden und Betroffenen durch das Instrument der externen Begutachtung zu lösen.
Prof. Dr. Peter Gaehtgens