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Zum Tode von Frieder Naschold
(18. 3. 1940 - 30. 11. 1999)
Die Sache im Kern erfasst


Mitten im wissenschaftlichen Betrieb hat Frieder Nascholds Herz ausgesetzt. Wie so oft in schier unübersehbaren wissenschaftlichen Aktivitäten international unterwegs, kam er aus Wien nicht mehr lebend nach Berlin zurück. Ein herber Verlust für das Wissenschaftszentrum Berlin, wo er seit 1976 als einer der ersten Direktoren gewirkt hat, ein herber Verlust für die Freie Universität, der er nicht nur durch sein professorales Nebenamt verbunden war.

Frieder Naschold

Foto: Krüger

Frieder Naschold, im schwäbischen Gmünd aufgewachsen, der zweiten Generation bundesdeutscher Politikwissenschaft zugehörig, hat früh Karriere gemacht. Kaum promoviert – mit einer heute noch einschlägigen Arbeit zum Thema "Kassenärzte und Krankenversicherungsreform. Zur Theorie der Statuspolitik" bei Theodor Eschenburg in Tübingen – hat er sich schon 1968 mit einer schmalen, jedoch gewichtigen Schrift "Demokratie und Effizienz" gleichfalls in Tübingen habilitiert. Nach einer Zwischenstation an der FU Berlin, wo er kurzfristig den verwaisten Lehrstuhl für Politische Theorie besetzte, wurde Frieder Naschold 1970 jüngster deutscher politikwissenschaftlicher Professor an der Konstanzer Reformuniversität. Bevor er 1976 als eine Art Dauerdirektor ans neu geschaffene Wissenschaftszentrum zu Berlin kam, war er noch für wenige wichtige Jahre Universitätspräsident in Konstanz.

Was Frieder Naschold auszeichnete, war jedoch nicht seine frühe Karriere, die bald international weit ausgriff; was ihn als Wissenschaftler heraushob, war nicht seine rastlose, ihn schließlich möglicherweise selbst überfordernde Tätigkeit. Was Frieder Naschold zu einem raren, ja einem einzigartigen Vertreter des Fachs Politikwissenschaft machte, waren drei eng aufeinander bezogene Eigenarten. Zum einen sein breites Verständnis dessen, was politisch bedeutsam ist. Nicht umsonst widmete er sich schon in seiner Dissertation einem gesundheitspolitischen Thema und konzentrierte sich später auf das große, von ihm so benannte und eigen konzipierte Thema "Arbeitspolitik". Zum anderen hat Frieder Naschold früh begriffen, gerade weil ihn früh eine eigene intellektuelle "Standschaft” auszeichnete, dass komplexe soziale Themen nicht vereinzelt angemessen behandelt werden können und – unbeschadet notwendiger wissenschaftlicher Distanz – der Bezug zur praktischen Umsetzung gegeben sein muss. Aller Akademismus war ihm fremd. Die dritte Eigenschaft schließlich ist es, die er ungewöhnlich besaß, von der wir alle weiter lernen können, der wir alle bedürfen und deren Nascholdsche Prägung dauernd vermisst werden wird: Frieder Nascholds Fähigkeit, ein Problem "auf den Punkt zu bringen" oder anders gesagt: sein theoretischer Griff, seine Fähigkeit eine Sache in ihrem Kern zu erfassen. Und dies, ohne die Sache zu erpressen.

Jetzt, da Frieder Naschold tot ist – mir ist ein jahrzehntelanger naher Freund geraubt –, jetzt wünschte man, er hätte seine ungewöhnlichen Fähigkeiten, vor allem die zuletzt genannte, mehr noch gebündelt und haushälterischer, theoriehälterischer betrieben. Nun ist es zu spät. Nicht zu spät ist es jedoch, von ihm zu lernen. Und das bleibt geboten. Der lesend erinnernde Zugang allein gibt freilich die scheue und sozial überaus kompetente Person nicht wieder, ihr Lachen, das sie den Freundinnen und Freunden öffnete.

Prof. Dr. Wolf-Dieter Narr