FU-Nachrichten 11-12/99 Meinung
Studieren kostet Geld. Je nach Studienfach werden Zahlen zwischen 25.000 DM und 120.000 DM genannt. Nun fragen Angehörige aller gesellschaftlichen Gruppen, aller Parteien, Verbände und wer immer sich berufen fühlt: wessen Geld? Das "Aktionsbündnis gegen Studiengebühren" initiierte eine bundesweite Unterschriftenaktion gegen Studiengebühren im Internet, woraus aber nicht geschlossen werden darf, dass nicht auch Studierende für Studiengebühren wären. Für die einen sind Studiengebühren gerecht, weil diejenigen, die profitieren, auch zahlen sollen, für die anderen ist das ein Scheinargument auf dem Weg zur Eliteuniversität. Auch bei den Lehrenden gehen die Meinungen auseinander. Wo die einen ohne Gebühren "die geistige Volksküche" Universität sehen, sehen die anderen dadurch die Notwendigkeit gefährdet, allen sozialen Schichten Diskussions- und Entscheidungskompetenz zukommen zu lassen. |
Die Debatte um Studiengebühren geht in eine weitere Runde
Als das Bürgertum noch weit ärmer war und viel weniger zu sagen hatte, hat es sich mit beträchtlichen Erfolgen dafür eingesetzt, dass alle jungen Leute nach Maßgabe ihrer Begabung, nicht ihres Geldbeutels (oder desjenigen ihrer Eltern) studieren können sollten. Heute spräche erst recht viel dafür. So viele wie eben möglich, aus allen sozialen Schichten, sollten eine höhere Bildung inklusive erweiterte Diskussions- und Entscheidungskompetenz erwerben und wenigstens einen Bereich der sich ändernden Gesellschaft oder der nie rückstoßfrei veränderbaren Natur in eigenen Studien kennenlernen. Dieses Interesse der ganzen Gesellschaft, die es nötig hat, zivilisierter und demokratischer zu werden, scheint mir gefährdet, wenn aus Haushaltsinteressen das Studium teurer gemacht wird und ein Teil der Studierfähigen sich diesen Luxus nicht mehr leisten kann. Die Befürworter sehen positive Effekte: Der Zwang zu rascheren Abschlüssen würde steigen. Wenn aber alle anderen Bedingungen gleich bleiben und nur die Nötigung dazukommt, alle Halbjahr 1000 Mark mehr aufzubringen (und bleibt es in zwei Jahren bei 511,29 Euro?) produziert dann die Verkürzung der Studiendauer nicht notwendig eine Verkürzung der Studieninhalte? Als da wären: Wissen, erworbene Urteilsfähigkeit, Qualifikation für den Arbeitsmarkt sowie nicht zu unterschätzen Fähigkeit zur Kritik an einem Markt, der die Beschäftigung aller Arbeitswilligen immer mehr be- oder verhindert. Bei manchen allzu Zaghaften zwar könnte ein Zwang zu einem früheren Prüfungsentschluss heilsam sein, aber ob der Druck durch fehlendes Geld die psychologisch günstigste Nachhilfe wäre? Ich bin gegen die derzeitigen überlangen Studienzeiten, sehe aber, dass sie viele böse und nicht wegzubetende Gründe haben. Einige davon könnten durch Geld, die wenigsten durch Abzapfen von Geld behoben werden. Mit Verweis z.B. auf die USA heißt es, wer für sein Studium selbst zahle, studiere engagierter, mit mehr Bewusstsein, dass es um seine eigene Sache geht. Diese Art Sachlichkeit und Interesse scheint mir gegenüber der Sache der Wissenschaft äußerst peripher. Während die übrigen Sekundärmotivationen wie Scheine, Noten, Abschlüsse idealiter nur den Erfolg der Auseinandersetzung mit dem wissenschaftlichen Erkenntnisprozess selbst quittieren, garantiert die im voraus zu entrichtende Studiengebühr keine andere Form von Beteiligung als jeder banale Kauf. Über Konsumhaltung wird des längeren geklagt sollen jetzt vollends der Adept und die Adeptin der Wissenschaft durch materiell interessierte Konsumisten ersetzt werden? "Wie Geld in Sack, so striche man in Kopf / Auch Wahrheit ein? Wer ist denn hier der Jude?" Claudia Lichnofsky, Studentin der Politikwissenschaft Studiengebühren sind in aller Munde. Unweigerlich müssen wir uns mit den Argumenten der BefürworterInnen beschäftigen: Es wird suggeriert, dass diese eingeführt werden, um die Kosten für Bildung denen aufzubürden, die ihren Profit daraus ziehen. Also der einfache Postbote soll nicht länger die Rechtsanwalts-Karriere eines reichen Arztsohnes finanzieren. Tatsächlich würde aber auf diese Weise die Gewohnheit, dass ein Studium nur für Kinder höherer Schichten möglich ist, manifestiert. Ohne Subventionierung von Bildung hätten ärmere Familien noch weniger Chancen auf eine Teilnahme am Studium. Auch das angeblich vorhandene Modell von sozialverträglichen Studiengebühren, die in einem längeren Zeitraum und in Relation zum Einkommen zurückgezahlt werden sollen, stellt sich als Illusion heraus, da die Verzinsung beibehalten wird und somit diejenigen mehr für ihr Studium zahlen, die nicht direkt nach dem Studium einen gut bezahlten Arbeitsplatz erhalten. (...) Das Märchen von der besseren Qualität bezahlten Studiums entpuppt sich ebenso als Pseudoargument: Wenn die Lehre zu verbessern ist, steht dem auch vor Einführung von Studiengebühren nichts im Wege. Die Motivationslosigkeit vieler ProfessorInnen und die schlechte Qualität der Lehre könnte viel besser noch behoben werden durch die Aufhebung des Beamtenstatus. Dieser führt dazu, dass die acht Pflicht-Semesterwochenstunden, falls überhaupt, halbherzig durchgeführt werden und die Konsequenzen jeglichen Handelns ausbleiben. Auch die angebliche Existenz leerer Kassen ist keine objektive Gegebenheit, sondern eine politische Entscheidung, so wie die Erhöhung des Verteidigungshaushaltes. Studiengebühren seien angeblich nicht mehr aufzuhalten, und von daher sei die Diskussion nur um die sozial verträglichste Form möglich. Dies zeigt, wie sehr der öffentliche Diskurs schon geprägt ist von dem Argument der leeren Kassen. Tatsächlich wird jedoch nur eingeführt, was nicht auf erheblichen gesellschaftlichen Widerstand stößt, und damit wäre doch eher die Frage nach der ausbleibenden gesellschaftlichen Empörung zu stellen, statt der normativen Kraft des Faktischen tatenlos zuzusehen. Prof. Dr. Hans-Dieter Gelfert, FB Philosophie & Geisteswissenschaften Ohne Studiengebühren ist die Universität eine geistige Volksküche, die ihre Gäste kostenlos versorgt, mit Studiengebühren ist sie ein Drei-Sterne-Restaurant, in dem der Gast für die in Anspruch genommene Leistung bezahlt. Im ersten Fall werden die Studierenden gegenüber den Nichtstudierenden, im zweiten die finanziell Bessergestellten privilegiert (selbst dann, wenn die Ärmsten von der Zahlung befreit sind). Die Erfahrung lehrt, dass Gratisleistungen wenig geschätzt werden. Will man, dass die Studierenden die Leistung der Universität schätzen, muss man sie dafür zahlen lassen. Will man aber, dass sie selber Leistung erbringen, muss man sie dafür bezahlen. Das führt zum dritten Modell: die Universität als geistige Werkstatt, die Forschung und Ausbildung an die Gesellschaft verkauft. Um gute Absolventen zu produzieren, muss sie sich gute Bewerber aussuchen können, die sie nur bekommt, wenn sie sie wie Lehrlinge bezahlt. Also schließt sie mit ihnen Ausbildungsverträge. Solange die Azubis ihren Pflichten nachkommen, erhalten sie ein Entgelt, das ihre Lebenshaltungskosten deckt. Wer bummelt, Arbeiten nicht fristgerecht abliefert oder den fachlichen Ansprüchen nicht genügt, erhält die Kündigung. Wer keine Lehrstelle bekommt, kann bei ausreichender Qualifikation als unbezahlter Volontär zugelassen werden. Alle Professoren erhalten für eine definierte Grundleistung das gleiche Grundgehalt und für jede weitere Leistung Zulagen. Eine solche Wissenschaftsfabrik würde alle Beteiligten nach ihrer Leistung entlohnen. Allerdings wäre es dann nicht mehr möglich, nur zur Selbstverwirklichung zu studieren. Wer dies trotzdem will, kann es als "Privatstudent" tun, muss aber die Konsequenzen selber tragen (wie bei Klavierunterricht, Volkshochschule und ähnlichen Bildungsinvestitionen). Finanziert wird das Ganze durch die bisherigen staatlichen Zuwendungen an die Universitäten, durch den Wegfall von Kindergeld, Kinderfreibeträgen und Bafög sowie durch die Studiengebühren der Privatstudierenden, vor allem aber durch die enorme Effektivierung des gesamten Systems. Prof. Dr. Peter Grottian, FB Politik- und Sozialwissenschaften Studiengebühren treffen in der Regel die schwächsten Glieder in der potenziellen Belastungskette und deshalb ist grundsätzlich ein anderer Ansatz zu wählen, will man wirklich die Situation in der Lehre verbessern. Die Interessen von Politik und Hochschulen treffen sich dort, wo zu hohe Personalausgaben den Handlungsspielraum blockieren. Auch nach den einschneidenden Sparmaßnahmen des Jahres 1999 sind die Personalausgaben des Landes mit 14 Mrd. DM (ohne Versorgungsaufwendungen) fast konstant geblieben. Das führt zu der Einsicht, dass die sich dynamisierenden Personalkosten also die der Universität wie des Öffentlichen Dienstes Mitverursacher für Kürzungen im Sozial-, Bildungs- und Kulturbereich sind. Wir, die wir relativ komfortabel in der "Wagenburg Öffentlicher Dienst" sitzen, sind zum Teil selbst das Problem, das wir so lautstark und bitter beklagen. Nicht die Studierenden können die Schein-Financiers der Hochschulen mit Studiengebühren sein, sondern das zum Teil sehr privilegierte Personal mit seinen Gehältern. Die Mobilisierung des eigenen Personalkostenpotenzials muss auf die Tagesordnung. Wie könnte das aussehen? Die nächste Tarifrunde im Öffentlichen Dienst müsste eine reale Nullrunde werden mit einer entsprechenden Arbeitszeitverkürzug und der Koppelung mit neuen Arbeitsplätzen für wissenschaftliches Personal und Tutorien. Eine 2-7%ige Gehaltskürzung bei Professoren, Wissenschaftlichen Mitarbeitern (Vollzeit) und anderen Angestellten des höheren Dienstes wäre angemessen und zumutbar. Mindestens 100 Mio. DM würden an den Universitäten umverteilungsfähig für die FU wären es allein ca. 25 Mio. DM für eine verbesserte Lehre. Eine solche Vorstellung wäre nur akzeptabel, wenn die Umverteilenden in ihren Arbeitsbereichen nachhaltige Verbesserungen in der Lehre feststellen könnten sollte die Umsetzung in den Haushaltslöchern verschwinden, müsste das "Recht auf nachträgliches Cash" vertraglich eingebaut werden. Solidarische Arbeitsumverteilung kann angesichts der Sparorgien nur funktionieren, wenn Solidarität auch sichtbar wird auch für die Studierenden. (...) Annette Biedermann,Studentin der Wirtschaftswissenschaft Studiengebühren sollten erhoben werden, weil sie gerecht sind. Warum sollte ein Handwerker über seine Steuern die Allgemeinheit der Studenten finanzieren? Natürlich ist dabei darauf zu achten, dass allen potenziellen Studenten der Zugang zum Studium ermöglicht wird. Deshalb muss eine marktgerechte Studiengebühr eingeführt werden, d.h. es müssten Tests eingeführt werden, welche die Leistungsfähigkeit der Studenten für den jeweiligen Studiengang ermitteln könnten. Denjenigen, die diese Gebühren nicht entrichten können, ist ein Darlehen zu gewähren, welches sie nach Beendigung ihres Studiums zurückzahlen müssen. Dabei kann ein Modus eingeführt werden, welcher besonders leistungsstarken Studenten einen Teil des Darlehens erlässt. Elisabeth Bäumler, Studentin der Politikwissenschaft Ich als Studentin der Politikwissenschaft bin gegen Studiengebühren, weil das Recht auf Bildung dadurch noch mehr ausgehebelt wird als es jetzt schon am Otto-Suhr-Institut passiert. Heutzutage ist es schon schwer vermittelbar, dass die Zugangsbeschränkung mittels Numerus clausus ungerecht ist. Jeder hat sich daran gewöhnt, dass völlig selbstverständlich selektiert wird anhand von Noten. Doch auch wenn die Abiturientin erfolgreich einen Studienplatz erstritten hat, bedeutet das noch nicht, dass sie auch einen Platz im Seminar erhält.(...) Ist der Weg ins Hauptstudium erst einmal geschafft, ist der Engpass überwunden, da man dort auch Seminare bei den Professoren zur Auswahl hat, die sich weigern, im Grundstudium zu unterrichten. Zudem verringert sich die Zahl der Studierenden, da es ein großer Teil schon aufgegeben hat, sich im Kampf um Scheine zu beweisen. Eine Idee der Universität ist nun die Einführung von Studiengebühren. Gerade erst sind wir an die 100 DM Verwaltungsgebühren gewöhnt, die jedes Semester für die Einschreibung an der FU zu entrichten sind. Im selben Kontext stehen die erhöhten Sozialabgaben von 60 DM statt 40 DM ab dem 12. bzw. 100 DM ab dem 16. Hochschulsemester. Das letzte Tabu, das kostenfreie Studieren, soll also nun gebrochen werden, um die Teilnahme am Studium zu erschweren und zurückzukehren zur Eliteeinrichtung. Die Zielrichtung ist eindeutig: Studieren nur für Menschen mit reichen Eltern. Ein großer Teil der Studierenden muss sich sowieso seinen Lebensunterhalt komplett oder fast komplett selbst verdienen, und fast alle Studierenden sind auf ein Nebeneinkommen angewiesen. Lediglich 10% der Studierenden erhalten einen Teil ihres Lebensunterhaltes vom Amt für Ausbildungsförderung. Und diese 10% sind am Ende ihres Studiums derart verschuldet, dass sie jahrelang die Schulden ihres Studiums abbezahlen müssen. |
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