FU-Nachrichten 11-12/99 Hochschule Die Freie Universität startet ins nächste Jahrtausend Universitätsfrauentag 1999 |
Universitätsfrauentag 1999 Am 4. November fand an der Freien Universität der mittlerweile sechste Uni-Frauentag statt. Vormittags bot der Frauentag Gelegenheit, sich in den Fachbereichen und zentralen Einrichtungen außerhalb des üblichen Arbeitstrotts mit Kolleginnen und Mitstudentinnen zu treffen. Im Botanischen Garten frühstückten Frauen gemütlich zusammen. In anderen Instituten wurden Vorträge über Zukunftschancen nach dem Studium gehalten und das diesjährige Thema des Frauentages: "Sexuelle Diskriminierung und Gewalt gegen Frauen" thematisiert, das am Nachmittag im Henry-Ford-Bau im Mittelpunkt der zentralen Veranstaltung der Frauenbeauftragten stand. Wenngleich Hochschulen im allgemeinen Bewusstsein häufig nicht als "Tatorte" von sexueller Belästigung wahrgenommen werden, gibt es auch an der Freien Universität immer wieder unterschiedlich gelagerte Fälle sexueller Belästigung, die von den betroffenen Frauen mit Stress, Demütigung, Motivations- und Leistungsabfall, Schuldbewusstsein und Ängsten erlebt werden. Den künstlerischen Zugang zu dem Thema suchten die Bildhauerinnen Berit Molau und Katrin Jähne in ihrer Installation "Körperkommentare". Die Vernissage eröffnete die zentralen Veranstaltungen zum Frauentag am Nachmittag. Ganz bewusst wurde ein neuer Zugang zu dem schwierigen Thema sexuelle Belästigung gewählt: Denn Körperlichkeit kommt in der intellektuell geprägten Atmosphäre der Universität eher am Rande vor. Die Wissenschaftlerin Christina von Braun zitiert den französischen Dichter Albert Camus, wenn sie schreibt: "Der Körper (...) ist der wahre Weg zur Bildung: er zeigt uns unsere Grenzen. Damit zeigt er uns aber auch die Grenzen der Logik und Wissenschaftlichkeit". Grenzen und Grenzverletzung bilden das Grundthema der bisweilen provozierenden Installationen. Den einführenden Vortrag hielt die Kunsthistorikerin Hannah Baader; sie stellte die Verknüpfung zur Hochschule her und half so, die Objekte unter einem neuen Blickwinkel zu betrachten. Die Ausstellung wird noch bis zum 16. Dezember im Foyer und auf der Galerie des Henry-Ford-Baus zu besichtigen sein. Noch unter dem Eindruck der Installation wurde in den anschließenden beiden Foren teils sehr sachlich, teils sehr kontrovers und emotional diskutiert. "Ein fairer Umgang mit dem Tatbestand der sexuellen Belästigung?!" war das Thema in einer Diskussionsrunde. Im Mittelpunkt stand die Frage, ob die Universität Richtlinien erlassen soll, die den Beteiligten helfen können, neue Konfliktlösungsmodelle im Fall sexueller Belästigung zu entwickeln. Denn gerade eine Hochschule mit ihrer häufig noch sehr hierarchisierten Ordnung bietet den Belästigern als Teil eines Machtmissbrauchs diverse Möglichkeiten. Die Grenze, wann der Umgang in eine bedrohliche Situation umschlägt, liegt häufig in einer rechtlichen Grauzone. In der Diskussion zeigte sich, dass die Einschätzung zu der bislang gehandhabten rechtlichen Praxis unterschiedlich war. Allgemein wurden Richtlinien begrüßt, sei es um das "Tabu" sexuelle Belästigung transparenter zu machen, sei es um konkrete Lösungsmöglichkeiten für alle Beteiligten aufzuzeigen. Das zweite Podium stand unter dem Motto: "Individuelles Handeln zwischen Moral, Norm und Radikalität." Das Publikum kritisierte, dass die Auseinandersetzung über diese Problematik meist aus dem Blickwinkel der Betroffenheit erfolgt. Das Denken in den Stereotypen Opfer und Täter sollte aufhören. Statt dessen ginge es bei Vorfällen um die Verletzung von Würde und existierenden Umgangsnormen. Diese Ansicht traf gerade bei den politisch aktiven Podiumsteilnehmerinnen auf Widerspruch. Zum einen, weil sie das Ausmaß von Belästigungen und den tatsächlichen psychologischen und materiellen Folgen für die Betroffenen herunterspielt. Zum anderen ergeben sich aus jener Perspektive keine Handlungsmöglichkeiten für den Tatbestand der sexuellen Diskriminierung. Die Brücke zu Maßnahmen in der Bundespolitik schlug die Leiterin der Abteilung Gleichstellung aus dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Brigitte Unger-Soyka. Sie stellte jene Maßnahmen vor, die die Bundesregierung im Aktionsplan "Gewalt gegen Frauen" ergreift. Rege diskutiert wurde darüber, wie besonders Studentinnen gesetzlich vor sexuellen Übergriffen an der Uni geschützt werden können. Für die Mitarbeiterinnen bietet das Beschäftigtenschutzgesetz Möglichkeiten, sich zu wehren. Schülerinnen sind ebenfalls juristisch geschützt. Solches gilt für Studentinnen, Doktorandinnen oder Privatdozentinnen jedoch nicht. Frau Unger-Soyka versprach, Schutzmöglichkeiten im Ministerium prüfen zu lassen. Den Abschluss des Tages bildete der Empfang der Frauenbeauftragten. "Zieh dem Tabu den Schleier vom Gesicht/ ein bisschen Wahrheit fängt dann an" forderte die Band "Die bösen Mädchen". Mit ihren "bösen Liedern, bösen Texten" heizten sie den Anwesenden mächtig ein. Mechthild Koreuber
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