Physik:
Simulation polarer Wolken
Weil in polaren stratosphärischen Wolken der Ozonabbau stattfindet, sind auch Atmosphärenphysiker zu Wolkenforschern geworden. Dabei haben die Wissenschaftler der LIDAR-Arbeitsgruppe ("Light Detection And Ranging", Laser zur Untersuchung der Atmosphäre) des FU-Physikprofessors Dr. Ludger Wöste herausgefunden, daß die Bestandteile dieser Wolken bei einer Temperatur von -70°C bis -80°C teilweise flüssig sind. Das ist ein überraschendes Phänomen, dem der Chemiker Prof. Dr. Baumgärtel und der Physiker Prof. Dr. Wöste in einem gemeinsamen Forschungsprojekt auf den Grund gehen wollen.
So wurde europaweit die erste Simulationskammer für polare stratosphärische Wolken eingerichtet. Hier simuliert Dr. Thomas Leisner von der Arbeitsgemeinschaft Wöste die Verhältnisse von Aerosolen in einer Mischung aus Wasser, Schwefelsäure und Salpetersäure, d.h. einer polaren stratosphärischen Wolke. In einer elektrodynamischen Falle, der sogenannten Paulfalle, werden die elektrisch geladenen Tropfen durch eine Wechselspannung mit einer Frequenz von 500 Hz zum Schweben gebracht. Die Falle befindet sich in einer Klimakammer, in der eine Temperatur von -170°C bis +130°C erzeugt werden kann. Der Druck ist zwischen Raumdruck und einem 10.000tel mbar einstellbar. Die Klimakammer befindet sich wiederum in einer Isolierkammer mit Hochvakuum. Der Tropfen wird mit einem Helium-Neon-Laser beleuchtet. Das gestreute Licht trifft auf eine elektronische Meßzeile. Ein Videorecorder nimmt den ganzen Vorgang auf. Aus den Streifen, die auf dem Video zu sehen sind, lassen sich Größe, Brechungsindex und Aggregatzustand des Tropfen bestimmen.Leisner untersucht außerdem urbanes Aerosol, insbesondere Rußpartikel, die durch Heizung und Verkehr entstehen. "Das Thema ist komplexer", sagt Leisner, "der Treibhauseffekt ist nicht die einzige Komponente bei der Klimaentwicklung". Auch die Trübung der Atmophäre durch Aerosol hat Einfluß auf das Klima, was von außen bereits zu sehen ist. Die Erde ist nicht mehr der "Blaue Planet", sondern "wenn man sie aus dem Space Shuttle betrachtet, sieht sie diesig aus," sagt Leisner. Die klimatischen Auswirkungen dieses Phänomens werden unter dem Schlagwort "Whitehouse -Effekt"zusammengefaßt.
In einem Teilprojekt untersucht die Arbeitsgruppe Lichtstreueigenschaften von Aerosolpartikeln der Troposphäre und der Stratosphäre, die eine Bedeutung für das Klima haben. In dem zweiten Teilprojekt wird das Wachstum, die Aggregatszustandsumwandlung und der Verdampfungsprozeß von Aerosolpartikeln unter atmosphärischen Bedingungen untersucht.
In einem zweiten Projekt arbeitet die Arbeitsgruppe mit einer Analytik-Firma zusammen. Die Wissenschaftler wollen eine hochempfindliche spektroskopische Methode entwickeln, mit der Aerosolpartikel analysiert werden. Sie nutzen aus, daß die Tropfen optimal rund sind. Der Tropfen befindet sich im Laser-Resonator. Die Frequenz des Lasers wird auf die Resonanzfrequenz des Tropfens eingestellt. Verändert sich etwas am Tropfen, wird die Resonanz gestört. Bei Einstrahlung eines zweiten Lasers verdampft der Tropfen durch den Wärmeeintrag. Wenn in dem Tropfen eine Verunreinigung ist, findet das Verdampfen viel schneller statt. Der Resonator verstimmt sich dann schlagartig. Damit ist die Methode zum Nachweis von Verunreinigungen geeignet. Leisner benutzt Cluster als "Verunreinigung" im Tropfen. Cluster sind kleine Aggregate aus Kohlenstoff- oder Metallatomen.
Die Untersuchung der schwebenden Tropfen macht Untersuchungen möglich, die die Wissenschaftler sich bei Beginn des Projektes noch nicht vorstellen konnten, wie den Nachweis von Asbest und von anderen Spurenstoffen.
Gunnar Knüpffer
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