Campus

Semesterferien - Kein Leerstand am Lehrstuhl



Ferien hin, Ferien her, hier wird studiert - alles, was Recht ist

Semesterferien: Sind die deutschen Unis wie ausgestorben oder gibt es ein Leben nach dem Vorlesungsende? Letzteres bezweifelt Bayerns Kultusminister Hans Zehetmaier (CSU) und kritisiert Leerstand am Lehrstuhl als "Luxus": Fünf Monate Pause seien nicht vertretbar. Er fordert die Einführung von Trimestern in der Annahme, daß so die vorhandenen Kapazitäten um 50 Prozent effektiver genutzt würden.

Durch Zufallsstichproben bei einem Gang über den Dahlemer Campus fand FU:N heraus, wie an der FU die vorlesungsfreie Zeit (vulgo: Semesterferien) genutzt wird. Erste Station ist die Rost- und Silberlaube. In diesem größten Gebäudekomplex der FU arbeitet das Aufsichtspersonal rund um die Uhr jeweils zu zweit in drei Schichten. Hausinspektor Rüdiger Westphal erlebt die Monate August und September als "Flaute", da in den Ferien "selbstverständlich" weniger los ist. Die Zeit wird jedoch genutzt, um Renovierungen auszuführen und Mobiliar zu erneuern. Auch die Asbestsanierung geht weiter; allerdings sieht der Zeitplan keine Intensivierung der Arbeiten in den Ferien vor. Bis Februar 1997 soll die Silberlaube saniert sein, bis dahin werden weiße Klebestreifen den Asbest in den Fugen halten.

Rostlaube - Pförtnerloge am Haupteingang: Hier arbeiten Dieter Kraft und seine Kollegen. Sie geben Auskunft, verwalten Fundsachen, sind Nachtwächter und schließen das Gebäude um 7.00 Uhr auf und um 20.00 Uhr wieder zu. Semester oder nicht - für Kraft gibt's hier "immer trouble": So werden z.B. in der Germanistik alle zwei Wochen Klausuren geschrieben. Auch die Bibliotheken bleiben in den Ferien geöffnet.

Bei den GermanistInnen kann jetzt auch mitgenommen werden, was im Semester Präsenzbestand ist: Die Ausleihe verdoppelt sich fast. An den Tischen sitzt ein Drittel weniger Studierende. In der Romanistikbibliothek ist nur noch etwa ein Viertel der NutzerInnen anzutreffen, schätzt Brigitte Zauner, die dort ihren Arbeitsplatz hat. Ihre Kollegin Bärbel Golibrzuch vom Friedrich-Meineke-Institut berichtet, daß sic h der Andrang in den Ferien halbiert. Vor allem ExamenskandidatInnen lernen bis kurz vor der Prüfung. Gabriele Ellendt von der Bereichsbibliothek für Erziehungswissenschaft, Fachdidaktik, Psychologie und Sportwissenschaft leiht etwa 30 Prozent weniger Büche r aus. Dreimal am Tag werden die Nutzer gezählt. In der Mittagszeit sind es dann nur noch halb so viele wie während des Semesters. Und die Wissen-schaftlerInnen?

Schon allein für Feriensprechstunden und Prüfungstermine müssen Lehrende erscheinen. Lehrveranstaltungen wollen vorbereitet und Kongresse besucht werden. Aber auch die Forschung ruht nicht. So kommt der Historiker Professor Wolfgang Steglic h täglich in sein Büro und arbeitet bis in die Nacht. Er hat "nicht den Eindruck", daß Ferien sind, denn "in den Gängen sitzen die Studentinnen und Studenten". Sein Kollege Professor Arthur Imhof berichtet FU:N dagegen, nur wenige Leute zu treffen und sieht, wie die Post sich in den Fächern der Wissenschaftler stapelt. Kein Wunder vielleicht: Während des FU:N Rundgangs waren auch Schulferien.

Nicht in den Ferien sind die Mensa-Köche. Zumindest nicht alle. Das Gedränge der Vorlesungszeit ist fern, dennoch sind fast alle Tische besetzt und so bilden sich auch jetzt Schlangen. Von den sieben Theken werden höchstens drei betrieben, ein "Chef-Essen" wird gar nicht erst empfohlen. Die Cafeteria ist geschlossen - im Moment nur zur Renovierung. Die Küche in der Van't-Hoff-Straße bleibt im Sommer für sechs Wochen gänzlich kalt.

Eine erfreuliche Diagnose stellt die Medizin: Die Uni ist nicht tot! Im Institut für Anatomie "gehen die Studenten ein und aus", weiß Margret Marksteiner, die für Präparier- und Histologiekurse verantwortlich ist. Dafür und für die Vorbereitung der Zwisch enprüfungen nutzen die angehenden ÄrztInnen hier die vorlesungsfreie Zeit. Bis Ende August finden im Institut täglich Prüfungen für Mediziner statt. Im Lehrgebäude für Biochemie und Physiologie ist laut Ingrid Borgert, d ie hier Auskünfte erteilt, dagegen " tote Hose". Ganz anders in den Labors. Der Verwaltungsleiter der Chemie, Ulrich Jentschura, sagt, daß sich dort Chemiker und Biologen die Klinke in die Hand geben.

Auch bei den JuristInnen geht das Leben nach Semesterende weiter. Ihre Bibliothek bleibt an den Wochenenden geöffnet und ist selbst dann gut besucht. Von Ferien also kaum etwas zu spüren, zumal nun die Chance steigt, benötigte Bücher u nd einen Sitzplatz zu ergattern.

In den Ferien wird aber auch Geld verdient - nicht nur von Studierenden. Bei entsprechender Nachfrage vermietet die FU Räume: Die Laser- und Radar-Konferenz im Henry-Ford-Bau brachte z.B. 17.000 DM ein.

Anne Schneider / Joachim Liebers


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