Der Abbau von Studienplätzen wird den Raummangel der FU nicht ausgleichen
Nichts mehr zu bauen?
Die Rechnung scheint einfach: Wenn man die Zahl der Studienplätze an der FU durch eine drastische Reduzierung der Personalkapazität so verkleinert, wie das zur Zeit geschieht, braucht man auch weniger Räume. Jedenfalls muß dann nichts mehr neu gebaut werden.
Stimmt - nein, würde stimmen, wenn die FU eine Verwaltungsbehörde wäre, wo in der Regel die Zahl der Amtsstuben mit der Zahl der Beschäftigten übereinstimmt. Aus gutem Grund: Wer seine Arbeitsleistung dort zu erbringen hat, kann üblicherweise auch einen (einigermaßen ausreichend bemessenen) Arbeitsplatz beanspruchen. Anders in einer Hochschule: Ob dort die Studierenden für ihr Studium ausreichende Räume vorfinden, ist keineswegs ausgemacht. Praktisch kann der Anspruch auf den konkreten Raum (z. B. Praktikumsplätze) nur in wenigen NC-Fächern garantiert werden. In der Regel sieht die räumliche Wirklichkeit komplizierter aus. Nicht nur deshalb, weil es sich bei den "flächenbezogenen Studienplätzen", nach denen die Raumkapazität ganzer Fächergruppen ermittelt wird, um ein Konstrukt handelt, d.h. um eine Richtwertgröße, bei der unterstellt wird, daß sie anteilig alle wesentlichen Hochschulnutzungen abbildet. Vor allem aber deshalb, weil die Mangelware Raum in der Hochschule nach Prioritätsentscheidungen unter den verschiedenen Einrichtungen und Nutzern verteilt werden muß, solange die Kapazität nicht für alle Funktionen reicht. Der Hochschulausbau jedenfalls stagniert weiter - die Politik hat uns in der Vergangenheit wenigstens noch mit plastischen Bildern getröstet: Von der "Untertunnelung" des "Studentenbergs" wurde in den 80er Jahren gesprochen, als man glaubte, mit dem Hochschulausbau nur lange genug warten zu müssen, bis die Nachfrage aufgrund wieder geringerer Studienanfängerzahlen zurückgehen würde. Das ist bundesweit dann eben nicht so gekommen, wie wir seit langem wissen.
In besonderem Maß ist die bauliche Entwicklung der FU von diesem Rückstau betroffen. Schon früh trat man hier auf die Bremse: Bereits 1975 wurde der damals für die große Fächergruppe der Geisteswissenschaften geplante weitere Ausbau auf dem Obstbaugelände vom Berliner Senat gestoppt mit der Begründung, es würden sonst zu viele Studienplätze für die lehrerausbildenden Fächer geschaffen - so, als ob die FU nur Lehrer ausgebildet hätte. Trotz aller Vorstöße aus der Universität blieb das Projekt bis heute ein Torso: Der Abschnitt, der sich baulich als "Silberlaube" darstellt, wurde halbiert und der bereits ausführungsreife Weiterbau bis an die Fabeckstraße unterblieb. Auch sonst blieben nahezu alle Pläne für den dringend notwendigen Ausbau dieser Fächergruppe unerledigt: Ob es um den Versuch ging, die unhaltbaren räumlichen Verhältnisse in den Bibliotheken der Juristen oder der Wirtschaftswissenschaftler zu verbessern oder darum, die zahlreichen im Außenbereich liegenden Institute wieder auf den Campus zu holen - stets gab es Gegengründe und Vorbehalte, meist mit dem Tenor: Jetzt nicht, vielleicht später.
Es wäre heute also die Frage zu klären: Ist das Defizit, das die FU seit Jahren vor sich herschiebt, größer als der jetzt verordnete Abbau oder gleicht es sich damit aus? Die Frage ist nicht einhellig zu beantworten. Nur selten sind die Fälle (und die Rechnung) so einfach wie z. B. bei jenem Institut in Lankwitz, das dort erst Anfang der 90er Jahre eine gute Raumausstattung erhalten hat: Da es inzwischen nur noch über einen Bruchteil des damaligen Personalbestands verfügt, läßt sich's natürlich leicht bilanzieren. Aber was ist mit den vielen anderen Instituten, für die nichts gebaut wurde und die sich die ganzen Jahre mit sehr beengten Verhältnissen abfinden mußten? Ist da auf einmal alles in Ordnung, weil jetzt die eine oder andere Professorenstelle (mit entsprechenden Assistentenstellen) wegfällt? Was ist mit den großen Fachbereichsbibliotheken, deren Buchbestände in den vergangenen Jahrzehnten stetig gewachsen sind: Darf man nicht mehr daran denken, hier irgendwann "normale" Zustände zu schaffen? Welche Perspektiven tun sich für die forschungsintensiven Bereiche auf, wo drittmittelfinanzierte Projekte laufen, aber nach wie vor der Raum fehlt? Was kann man noch tun für ein Fach wie die Biologie, das sich räumlich über fast ganz Dahlem verzetteln muß? Und was wird schließlich aus all den provisorisch untergebrachten Instituten: Es gibt ihrer noch eine große Zahl, an erster Stelle die Institute, die baldmöglich die begehrten Villen freimachen sollen, schon weil es unwirtschaftlich ist, viele kleine (meist ältere) Gebäude zu nutzen. Aber ohne entsprechende Ersatzflächen wird man auch das nicht erreichen können. Es sieht also entschieden nicht so aus, als ob das Zusammenstreichen der Ausbildungskapazität die Raumdefizite der FU auf Null bringt. Schon gar nicht, wenn man als langfristige Berechnungsbasis nur die eigenen Gebäude ansetzt und alle Villen, Mietgebäude und sonstigen Provisorien abschreibt. Ein weiterer Grund legt diesen "Rückzug" nahe: Auch die Mittel, die für die Bauunterhaltung benötigt werden, stehen längst nicht mehr in ausreichendem Maß zur Verfügung. Und der Sanierungsbedarf für die verbleibenden Gebäude ist immer noch groß genug.
Michael Krauß
Der Autor ist Leiter des Referats Bauplanung in der Abteilung für Technische Angelegenheiten Zentralen Universitätsverwaltung.