FU-Absolventin Carola Schelle-Wolff leitet die Freiburger Stadtbibliothek
Ein Leben aus der Bücherkiste
Wenn die neue Chefin der Stadtbibliothek Freiburg abends in ihr neu bezogenes Haus kommt, warten Bücher in schweren Umzugskisten darauf, in die Regale sortiert zu werden. An den Titeln ist abzulesen, daß ein spannender Lebenslauf hinter Carola Schelle-Wolff liegt. Nahezu jede Phase ihres Lebens hat sich in Büchern manifestiert. "Ich schleppe eine ganze Kiste Berlinbücher mit mir rum", erzählt die 41jährige Berlinerin: "aus Nostalgie". Nach dem Abitur stud ierte sie am FU-Institut für Bibliothekarausbildung. Außer Bibliotheksorganisation, Verlags- und Buchkunde stand damals "ein Parforceritt durch die Wissenschaftskunde" auf dem Lehrplan. Wie "furchtbar langweilig und öde" sie dagegen Bibliotheksgeschichte gefunden haben mu&szl ig;, kann man noch heute dem Ausdruck ihrer Stimme entnehmen. Drei Jahre lernte sie im Institut am Hohenzollerndamm und vor Ort, in der UB. 1978 folgte dann die Abschlußarbeit über die Darstellung der Frau in der DDR-Literatur. Als frischgeback ene Diplombibliothekarin begab sie sich auf Stell en suche. Doch "in Berlin tat sich nichts", die Konkurrenz war groß in jenen Jahren. So mußte sie schweren Herzens Berlin ade sagen.
Dr. Carola Schelle-Wolffs Berufsweg führte von Berliin über Hannover nach Freiburg
Ihre Heimat wurde die Stadtbücherei Hannover, wo sie nach einiger Zeit die Äffentlichkeitsarbeit und die Abteilung "Literatur und Sprache" übernahm. Der Spaß daran brachte sie auf den Gedanken, Germanistik und Geschichte zu studieren. Und es gelang ihr, Studium und Beruf unter einen Hut zu bringen. Gegenüber den jüngeren KommilitonInnen fühlte sie sich im Vorteil: "Ich hatte mehr Lebenserfahrung und die ganze Zeit eine Perspektive, deshalb war mein Studiu m bewußter." Bewußt war auch ihre Entscheidung, "das Studium sinnvoll im Sinne einer Karriereplanung für die Bibliothek einzusetzen."
Nahezu jede Phase ihres Lebens hat sich in Büchern manifestiert. "Ich schleppe eine ganze Kiste Berlinbücher mit mir rum", erzählt die 41jährige Berlinerin. In einem anderen Karton liegen die Bücher, d ie sie für ihre Dissertation über eine sozialutopische Schrift aus dem 16. Jahrhundert brauchte.
In einem anderen Karton liegen die Bücher, die sie für ihre Dissertation über eine sozialutopische Schrift aus dem 16. Jahrhundert brauchte. Aus dieser Phase ihres Lebens, in der sie halbtags arbeitete und an der Doktorarbeit schrieb, sind es erstaunlich viele. Ihr finanzieller Spielraum war immer bescheiden gewesen, aber "die Lage hatte sich geändert, als ich 1985 die Stelle für Äffentlichkeitsarbeit bekam - plötzlich mußte ich nicht mehr jeden Pfennig umdreh en." Mit dem Doktor in der Tasche ging es dann a uch mit der Karriere steil bergauf. Ab 1994 leitete sie die Stadtbibliothek Hannover, ein Jahr später kam das Angebot aus Freiburg. Die Entscheidung, die am Freiburger Münster gelegene Stadtbibliothek zu übernehmen, fiel der frankophilen Berlinerin nicht schwer. Begeistert zählt sie die "schönen Besonderheiten" der Bibliothek Freiburg auf, z.B. den Bücherbus-Austausch mit Mulhouse, bei dem französische und deutsche Leseratten sich über das jeweils anders sprachige Buchangebot informieren können.
Management-Bücher kauft die Bibliothekschefin sich nicht, die leiht sie - wie einen großen Teil ihres Lesestoffs - aus: "Wir Bibliotheksleute sitzen ja an der Quelle!", bemerkt sie lachend. Einmal die Woche begibt sie sich an die bibl iographische Auskunft, "an die Front", wie sie dies nennt, wo sie manchmal Kurioses erlebt. Beispielsweise die Frage nach einem "großen, grünen Buch". Da ist detektivischer Spürsinn gefragt. Oder ein verzweifelter, unte r Termindruck stehender Weihnachtsmann auf der Suche nach einem besinnlichen Gedicht. Sie persönlich liest lieber Geschichtliches, Literatur zur Kunst der 20er Jahre und Christa Wolf, Irmtraud Morgner, jene Frauenliteratur, über die sie schon ih re Abschlußarbeit als Bibliothekarin schrieb.
Die letzten Bücher aus den Umzugskisten zu räumen - dafür will Carola Schelle-Wolff sich Zeit lassen. Im Moment denkt sie nicht daran, die Kisten noch mal einzupacken. Endstation Freiburg? "Naja, ein wenig kribbelig macht mich der Geda nke schon, daß ich vielleicht die nächsten 30 Jahre hier bleiben werde."
Anne Schneider
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