Ein Arbeiter aus Kuba im Getriebe-Werk Brandenburg.
Im Bundesland Brandenburg leben Deutsche und etwa 45.000 Ausländer ö hiervon sind etwa 2.000 Menschen "Ausländer 2. Klasse": die Vertragsarbeitnehmer der ehemaligen DDR. Kaum jemand kennt ihr Schicksal, und das hat seine Gründe: Während die Arbeitsmigration in die Bonner Republik seit vielen Jahren erforscht wird, wurde sie in der DDR tabuisiert und als Ausbildungswanderung verharmlost. Forschungsprojekte wurden nicht genehmigt, die bilateralen Regierungsabkommen der DDR etwa mit Polen, Bulgarien, Ungarn, Algerien, Kuba, Mosambik, Vietnam, der Mongolei, Angola und China unterlagen bis wenige Wochen vor der politischen Wende der Geheimhaltung.
In den "befreundeten sozialistischen Ländern" wurden 18 bis 35 Jahre alte Menschen ausgewählt, bei vietnamesischen "Fach- oder Hochschulkadern" galt eine Altersgrenze von 40 Jahren. Neben dem vorgeschriebenen Alter war ein ö bei den einzelnen Staaten unterschiedlicher ö Schulabschluß Auswahlkriterium, zudem mußten sie sich im Heimatland einer gesundheitlichen Eignungsprüfung unterziehen.
1989 lebten in der DDR etwa 192.000 kollektiv angeworbene Vertragsarbeitnehmer, sie kamen "in Gruppen von mindestens 50 Personen" und auf unterschiedliche Dauer ö zwischen einem Jahr bei Mongolen und maximal zehn Jahren bei Mosambikanern. Da diese DDR-Aufenthaltszeiten heute bei der Erteilung des Aufenthaltsstatus nicht als "Aufenthalt in Deutschland" berücksichtigt werden, geraten die Vertragsarbeitnehmer in die Rolle von "Ausländern 2. Klasse". Diese Benachteiligung gegenüber anderen Ausländern trifft die Menschen, die bereits in der DDR schlechtere Lebensbedingungen hinnehmen mußten. Für die Vertragsarbeitnehmer war die Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften mit einer Zimmerbelegung von maximal vier Personen vorgesehen, des weiteren mußten vom Betrieb (der sich um die Unterbringung zu kümmern hatte) mindestens fünf Quadratmeter Wohnraum pro Person zur Verfügung gestellt werden. Auf die Zimmerbelegung hatten die Vertragsarbeitnehmer keinen Einfluß, Ehepartner konnten nur "in Abhängigkeit von den betrieblichen Möglichkeiten" gemeinsam untergebracht werden. Die Ausstattung der Wohn- und Gemeinschaftsräume war peinlich genau vorgegeben, bis zum letzten Tischtuch, Eßbesteck und Stuhl.
In den "befreundeten soialistischen Ländern" wurden 18 bis 35 Jahre alte Menschen ausgewählt, bei viatnamesischen "Fach- oder Hochschulkadern" galt eine Altersgrenze von 40 Jahren.
Obwohl die Vertragsarbeitnehmer abkommensgemäß "entsprechend ihrer Qualifikation" und "ausschließlich an solchen Arbeitsplätzen eingesetzt ... (werden sollten), die die Vermittlung eines hohen Maßes an Kenntnissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten ermöglichen", arbeiteten sie tatsächlich oft an für DDR-Bürger unattraktiven Arbeitsplätzen, unter schlechten Arbeitsbedingungen und meist ohne Aufstiegschancen.
Vietnamesische und mosambikanische Vertragsarbeitnehmerinnen, die schwanger wurden und keinen Schwangerschaftsabbruch vornehmen lassen wollten, hatten "nach ärztlich bescheinigter Reisetauglichkeit zum festgesetzten Termin die vorzeitige Heimreise" anzutreten. Polnische Vertragsarbeitnehmerinnen durften ihre Kinder dagegen zur Welt bringen, dank ö insbesondere ö kirchlichem Druck galt dies ab Anfang 1989 für alle Vertragsarbeitnehmerinnen.
Die Vertragsarbeitnehmer zahlten Steuern und Sozialabgaben entsprechend den DDR-Vorschriften, nach der endgültigen Rückkehr und einer einmaligen finanziellen Abfindung entfielen aber alle DDR-Sozialleistungen ö sie gingen fortan zu Lasten der Herkunftsländer nach deren Vorschriften. Lohn- und Warentransfer in ihre Heimatländer waren von ihrem produktiven Verhalten abhängig, die Zahlung der Trennungsentschädigung erfolgte in "Abhängigkeit von der Arbeitsdisziplin".
Hatte zu Beginn der Anwerbung von Vertragsarbeitnehmern in den 60er Jahren die Stärkung des Rates für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) und die solidarische Qualifikation von Vertragsarbeitnehmern aus sozialistisch orientierten Dritte-Welt-Ländern noch eine gewisse Rolle gespielt, orientierten sich die Abkommen ab den 80er Jahren vorwiegend an den wirtschaftlichen Notwendigkeiten der DDR, während die Herkunftsländer eine Teilentschuldung bei der DDR erreichen und den heimischen Arbeitsmarkt durch den Weggang der zumeist jungen Männer entlasten wollten.
Obwohl die Vertragsarbeitnehmer von der SED-Führung offensichtlich nahezu ausschließlich als Produktionsfaktor angesehen und vor allem ins Land geholt wurden, um die wirtschaftliche Planerfüllung trotz vielfach unterbliebener Rationalisierungen und Modernisierungen durch extensiven Arbeitskräfteeinsatz aufrechterhalten zu können, wurden die Vertragsarbeitnehmer in den DDR-Medien in Umkehrung von Ursache und Wirkung für Versorgungsengpässe und für den wirtschaftlichen Niedergang mitverantwortlich gemacht. Eine Integration in das politische, soziale und kulturelle Leben war von den beteiligten Regierungen unerwünscht ö trotz aller ausgegebenen Parolen von "internationaler Solidarität, Völkerfreundschaft und proletarischem Internationalismus". Bereits seit Ende der 70er Jahre häuften sich in der DDR fremdenfeindliche Übergriffe, obwohl es ö so die offizielle Version ö keine Fremdenfeindlichkeit gab.
Vor dem Hintergrund dieser Behandlung der Vertragsarbeitnehmer zu DDR-Zeiten und weil "sie so wie die Frauen und Männer aus Italien, Griechenland, Spanien, der Türkei oder Jugoslawien auf Grund von Verträgen zu uns gekommen" sind, fordert die Brandenburger Ausländerbeauftragte Almuth Berger für sie "ein Anrecht auf Gleichbehandlung (...) und, daß die DDR-Aufenthaltszeiten auf den geforderten achtjährigen ununterbrochenen Aufenthalt angerechnet werden, und so der Aufenthaltsstatus dieser Personengruppe verbessert wird" ö zumal Brandenburg und die anderen neuen Bundesländer "wohl immer ein Teil Deutschlands waren".
Andreas Müggenburg