Jogging mit Bill Clinton, Talkshow mit David Letterman. Keine Frage, die 29jährige Medizinstudentin Uta Pippig ist in den USA ein Star. Selbst der amerikanische Präsident mußte das feststellen: nicht wie üblich mit "Hi Mr. President" oder "Hi Bill", so ndern mit "Hi Uta" hatte beim gemeinsamen Lauf um das Weiße Haus ein entgegenkommender Radfahrer gegrüßt. "Alle sind entgeistert gewesen", erzählt die Marathonläuferin Uta Pippig lachend. Doch der Präsident habe es leicht genommen: "Du hast deine Fans woh l überall!?"
Diese Episode zeigt, welche Dimension Uta Pippigs Erfolg in den USA mittlerweile erreicht hat. Spätestens seit sie zweimal hintereinander den legendären Boston-Marathon gewonnen hat, wird die "stärkste Marathon-Läuferin der Welt" in einem Atemzug mit S teffi Graf und Katharina Witt genannt.
"Jetzt will ich mich auf den Sport konzentrieren."
Doch auch in Deutschland kann sich die gebürtige Leipzigerin über mangelnde Popularität nicht beklagen. Als die Sportlerin, die im Januar 1990 die DDR verließ -, im selben Jahr beim ersten Gesamt-Berliner Marathon mit großem Vorsprung als Erste ins Zie l lief, jubelten ihr Tausende zu. Der Lauf durch das Brandenburger Tor sei einer der bewegendsten Augenblicke in ihrem Leben gewesen, erinnert sich die Athletin. Das hören die Berliner gern, und so wird auch entschuldigt, daß die Wahlberlinerin die meiste Zeit im Höhentrainingslager in Boulder, US-Bundesstaat Colorado, verbringt. Hier besitzen sie und ihr Freund und Trainer Dieter Hogen ein zweistöckiges Holzhaus; ein "Zweckobjekt", wie ihr Lebensgefährte betont. Auf Dauer könnte sie sich nicht vorstellen , in den USA zu leben. "Ich fühle mich in Berlin sauwohl." Außerdem gibt es gute Gründe nach Berlin zurückzukommen. Einer davon: ihr Medizinstudium an der FU.
Bei all dem Rummel um ihre Person und einem hoffnungslos überfüllten Terminkalender, findet sie allerdings immer weniger Zeit, sich um ihr Studium zu kümmern. "Wenn man im Sport Weltspitze sein will, kann man einfach nichts nebenher machen." Deshalb ha tte sie sich nach der im September 1994 mit einer "Drei" bestandenen ärztlichen Vorprüfung (Physikum) für zwei Semester beurlauben lassen. Mit einem Sonderantrag möchte sie die Beurlaubung jetzt nochmal um zwei Semester verlängern, um für die olympischen Spiele 1996 in Atlanta trainieren zu können. "Ich brauche einfach eine Pause. Das Studium läuft mir ja nicht weg."
Doch wenn die Sommerspiele überstanden sind, will sie auf jeden Fall den ersten Abschnitt der ärztlichen Prüfung machen. Und erst wenn sie dem Hochleistungssport den Rücken gekehrt hat, soll der zweite Abschnitt folgen. "Jetzt will ich mich auf den Spo rt konzentrieren", sagt Uta Pippig entschlossen, "man ist schließlich nur einmal jung."
An die Doppelbelastung der letzten Jahre denkt sie mit gemischten Gefühlen. Das Studium habe ihr zwar alles in allem großen Spaß gemacht, trotzdem sagt sie: "Mir wurde nichts geschenkt". Auch Sonderregelungen habe es nicht gegeben. Mit ihren Kommiliton en sei sie aber gut ausgekommen. "Ich wurde akzeptiert. - Man versucht halt im Hintergrund zu bleiben und sich in die letzte Reihe zu setzen."
Wenn sie auch im Hörsaal in der letzten Reihe saß, im Sport ist sie ganz vorne. Gibt es ein Geheimrezept für ihren Erfolg? "Ja", antwortet Uta Pippig ohne zu zögern, "einen Partner und Trainer, wie Dieter, der mich bei allem unterstützt".
Gabriel Seiberth