Sporttherapie gegen Depression begeistert auch Sportmuffel

Laufen gegen das Leiden


Welche Auswirkungen hat Sport auf Menschen, die an Depressionen leiden? Mit dieser Frage beschäftigen wir uns am Institut für Sportwissenschaft, Abteilung Sportpsychologie, seit 1985. Depressionen gehören inzwischen zu den häufigsten psychischen Erkran kungen und wurden bislang mittels Psychotherapie und/oder Psychopharmaka behandelt. Seit Anfang der achtziger Jahre jedoch fanden vermehrt - vor allem in den USA - Studien statt, die die Wirkung von Sport auf die depressive Symptomatik untersuchten. Diese r Forschungsrichtung schlossen wir uns an und untersuchten ein verhaltenstherapeutisch orientiertes Sportprogramm auf seinen therapeutischen Nutzen.



Der Depression davonlaufen

Unser Sporttherapieprogramm beinhaltet eine ausdauerorientierte Laufschulung ("Jogging"), Übungen zur Entspannung und Körperwahrnehmung, Naturerlebnis, Gymnastik, Spiele sowie Gespräche, und es findet in der freien Natur statt. Der therapeutische Schwe rpunkt liegt einerseits auf der Verbesserung der negativen Stimmung (das Hauptsymptom der Depression), und andererseits auf der Entwicklung der Fähigkeit, die eigene Stimmungslage durch (sportliches) Handeln selbst modifizieren zu können.

Wir bieten dieses Sporttherapieprogramm in Kooperation mit dem Berliner Institut zur Förderung seelischer Gesundheit durch Bewegung, Spiel und Sport e.V. (BIFG) zweimal im Jahr an (Frühlings- und Herbstgruppen). Die Gruppenbetreuung wird von Fachkräfte n durchgeführt, d.h. von Sportlehrern und Psychologen sowie Sport- und Psychologiestudenten, die theoretisch und praktisch bei uns auf die Leitung dieser Gruppen vorbereitet wurden. An dem Programm nahmen und nehmen Personen teil, die akut an einer Depres sion erkrankt sind oder depressive Phasen aus ihrer Vergangenheit kennen. Die meisten von ihnen waren seit ihrer Kindheit nicht mehr sportlich aktiv.

Unsere Untersuchungen zeigen zahlreiche positive Veränderungen: Die psychische Befindlichkeit der Teilnehmer verbesserte sich dahingehend, daß sie aktiver wurden, sich insgesamt wohler fühlten und wieder mehr Lebensfreude und Selbstvertrauen erwarben. Sie lernten abzuschalten und zu entspannen und gewannen zunehmend mehr Vertrauen in ihre körperliche Leistungsfähigkeit, die sich erheblich verbesserte. Nach Beendigung des Programms waren fast alle Teilnehmer weniger depressiv und ängstlich, und ihre kör perlichen Beschwerden hatten sich erheblich reduziert. Auch wirkte sich das Sporttreiben positiv auf das Schlafverhalten aus und führte zu einer Reduzierung des Tabletten- und Alkoholkonsums. Viele Teilnehmer sind nach Beendigung des Programms weiterhin i n einer anschließenden Selbsthilfegruppe sportlich aktiv, da sie erfahren haben, daß sich der Gruppensport positiv auf ihre psychische und physische Befindlichkeit auswirkt.

Sport, Bewegung und Spiel - im Rahmen des von uns untersuchten Sporttherapieprogramms - stellen aus unserer Sicht für einen großen Teil der depressiven Personen ein sehr gutes Mittel dar, um sich aus der "nach abwärts gerichteten Spirale der Depression " heraus zu bewegen. Die Teilnehmer machen zum einen die Erfahrung, daß sich durch körperliche Aktivität ihre Ausdauer zunehmend verbessert und sie längere Strecken laufen können. Zum anderen finden sie durch das Sporttreiben in einer Gruppe Unterstützung durch die anderen Teilnehmer.

Frau K. (48) litt nach dem Tod ihres Mannes vor fünf Jahren an Depressionen, Ängsten und vor allem an Einsamkeit. Zweimal war sie aufgrund ihrer Depression in einer Klinik und nahm auch zu Beginn der Sporttherapie noch Antidepressiva ein. Sie hatte nie zuvor Sport getrieben und hatte große Angst, es nicht schaffen zu können. Sie machte dann in ihrer Gruppe die Erfahrung, daß viele Teilnehmer diese Ängste hatten, daß aber der Sport in dem Programm so gestaltet war, daß keiner überfordert wurde. Frau K. betont, daß ihr die Sporttherapie auf ihrem Weg aus der Depression sehr geholfen habe. "In der ersten Zeit ging es mir vorher oft sehr schlecht, und ich mußte mich überwinden zu kommen. Aber noch während der Stunde und vor allem hinterher fühlte ich mich immer sehr viel wohler. Später dann habe ich mich schon am Tag vorher auf den Sport gefreut. Mir hat es außerdem sehr gut getan, in einer Gruppe zu sein, in der alle ähnliche Probleme haben und ein gemeinsames Ziel verfolgen: Wieder das Lachen zu lernen u nd Freude am Leben zu haben."

Aufgrund unserer praktischen Erfahrungen und den wissenschaftlichen Ergebnissen kommen wir zu der Überzeugung, daß ein spezielles Sportangebot - als unterstützende Maßnahme in der Behandlung depressiver Erkrankungen - einen wichtigen Beitrag zur psychi schen und physischen Gesundung leisten kann.



Marieta Erkelens

Marieta Erkelens ist Diplom-Psychologin und Akademische Mitarbeiterin des Arbeitsbereiches Sportpsychologie am Institut für Sportwissenschaft


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