Studierende, die mal Lehrer werden möchten, kommen um eine fachdidaktische Ausbildung nicht herum. Bei Hochschullehrern gilt jedoch immer noch das Prinzip: Freiwillige vor. Wer will, hat nämlich an der Freien Universität durchaus die Möglichkeit, mehr zu tun als sich autodidaktisch-didaktisch zu bilden. Zum einen gibt es die Arbeitsstelle Hochschuldidaktische Fortbildung und Beratung, zum anderen ELVA, ein Evaluierungs-Projekt, mit dessen Hilfe die Lehrenden eruieren können, was die Studierenden von ihren Veranstaltungen halten.


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Wie Lehrende das Lehren lernen


Glaubt man dem Urteil der FU-Studierenden, so tummeln sich dort lauter didaktische Mini-Einsteins. Das Genie besaß die Gabe, seine wissenschaftlichen Erkenntnisse, die die gesamte physikalische Welt revolutionierten, verständlich und mit einem Schuß Humor zu erklären. Mancher Zuhörer war seinerzeit erstaunt, daß die Relativitätstheorie so etwas Einfaches ist. Zwar wurden an der FU noch keine Einsteins gesichtet, doch hinsichtlich ihrer Lehrbefähigung scheinen die Dozenten dem Genie fast ebenbürtig.

Das Studienbarometer, eine Umfrage des Projekts-Pro-Lehre (PPL) unter 2900 Studierenden, zeigt auf der Schulnotenskala für didaktische Fähigkeiten der Lehrenden den Wert Gut-Minus an. Trotz dieser guten Noten begegneten viele Uniprofessoren der Umfrage mit Skepsis. "An der FU herrscht Angst vor einer Evaluation der Lehre und einem Ranking wie es beispielsweise in den USA ganz normal ist", glaubt Heinz-Otto Gralki von PPL. Die Studierenden wiederum hätten "Beißhemmungen", relativiert Gralki das gute Abschneiden der FU-Lehre. Außerdem "fehlt den Studenten ein valider Beurteilungsmaßstab", sprich die Vergleichsmöglichkeiten. Verbesserungswürdig sei die Lehre an der FU allemal.



"Wie sag ich's meinen Schölern?", fragten sich schon zu Heinz Rühmanns Zeiten die Professoren in der Feuerzangenbowle.

"Verbesserung der Lehre fängt beim wissenschaftlichen Nachwuchs an", meint Brigitte Berendt, Leiterin der Arbeitsstelle Hochschuldidaktische Fortbildung und Beratung. Dementsprechend richtet sich das Kursangebot der Arbeitsstelle vor allem an wissenschaftliche Mitarbeiter. Wie kann ich viel Lehrstoff sinnvoll vermitteln? Wie kann ich Studierende zur aktiven Mitarbeit motivieren? Wie kann ich Medien vernünftig einsetzen? Das sind Fragen, auf die der Hochschullehrer-Nachwuchs sich von den Seminaren Antworten erhofft. Die Themenpalette der fünfzehn im Sommersemester angebotenen Wochenendseminare reicht von "Mein erstes Seminar", über "Verbesserung von Vortrag, Unterrichtsgespräch und Diskussionsleitung", und "Aktive, dialogische Lehr- und Lernformen", "Visualisierungstechniken" bis "Wie man EDV-Wissen vermittelt".

Die Interessenten sollten sich von manch hochwissenschaftlich formuliertem Kurstitel nicht abschrecken lassen, denn in den Seminaren erhalten die Teilnehmer Lebenshilfe für den Uni-Alltag. Beispielsweise können sie lernen, wie selbst in Massenveranstaltungen Kleingruppenarbeit statt Frontalunterricht möglich ist. "Gute Lehre heißt nicht nur Wissen zu vermitteln, sondern u.a. auch Lernprozesse so zu moderieren, daß Studierende befähigt werden, kreative Lösungen für Probleme zu entwickeln, die nicht nur in Standardsituationen vorkommen", sagt Frau Berendt.

"Aktive Beteiligung der Studierenden ist ein wesentliches Merkmal guter Lehre", sagt Frau Berendt und beruft sich dabei auf Forschungen über studentisches Lernen. Doch auch Vorträge und Vorlesungen machen Sinn. Wichtig sei vor allem das richtige Mischungsverhältnis verschiedener Methoden, aber auch der Einsatz von Medien, denn selbst die interessanteste Lehrmethode nützt sich nach einer Weile ab.

Doch nicht jeder Teilnehmer erwartet von einem Kurs bei den Hochschuldidaktikern der FU eine Verbesserung seiner Fähigkeit zu lehren. So schrieb sich der Habilitand Christoph Scherrer für den Kurs "Vortrag, Unterrichtsgespräch und Diskussionsleitung" ein, weil er seine rhetorischen Fähigkeiten für seine Disputation vor der Habiltionskommission schärfen wollte. Am besten gefiel ihm, daß während des zweitägigen Seminars jeder einen Vortrag seines Fachgebiets referierte und anschließend von den anderen Teilnehmer kritisiert wurde. Außerdem wurden die Vorträge auf Video aufgezeichnet. In einer Sondersitzung kann sich dann jeder einzeln auf dem Bildschirm beobachten und korrigieren Genau das hat Christoph Scherrer getan. Sein mildes Urteil: "Gar nicht so schlecht, nur bei der Darstellung komplexer Sachverhalte, da haperte es. Ich mußte dann immer ablesen." Seine persönliche Konsequenz: Er bereitet sich jetzt besser vor.

Christoph Scherrer plant vorerst keinen weiteren Seminarbesuch, weil er glaubt, bereits genügend Lehrerfahrung gesammelt zu haben: "Optimal sind solche Kurse für die, die schon ein bißchen unterrichtet haben und noch ein paar Tips brauchen." Wie viele andere Lehrende sieht er keinen Bedarf mehr, seinen Unterrichtsstil zu verändern.

Doch warum soll ausgerechnet langjährige Erfahrung gegen die Berufskrankheit Betriebsblindheit immun machen? Frau Berendt glaubt nach ihren Erfahrungen, daß mit zunehmendem Alter die Bereitschaft zur Änderung von Lehrmethoden abnimmt. "Bis zum Alter von etwa 45 Jahren haben Lehrende erfolgreiche Formen für ihren Unterricht erprobt, die ihnen unter den gegebenen Rahmenbedingungen als vertretbar erscheinen." Als die Arbeitsstelle Hochschuldidaktik in den siebziger Jahren ihre Arbeit aufnahm, standen auch Kurse für Professoren auf dem Programm; wegen mangelnder Nachfrage werden heute nur noch auf Anfrage spezielle Seminare für diese Klientel gehalten.


Professoren auf dem Prüfstand

Der Weg zu der Arbeitsstelle Hochschuldidaktik ist für Professoren nicht die einzige Möglichkeit, ihre Lehre zu verbessern. ELVA heißt die Alternative: ELVA steht kurz für "empirische Lehrveranstaltungsanalyse" und ist ein Service für Lehrende, die per ausgetüfteltem Fragebogen ein Feedback von ihren Studierenden hören wollen. Es ist das geistige Kind von Heinz-Otto Gralki vom Projekt Pro Lehre (PPL) und seiner Kollegin Heidemarie Hecht. Es ist quasi die Schwester des Studienbarometers, nur daß die Dozenten freiwillig die ELVA-Fragebögen anfordern und sie dann den Studenten zum Ausfüllen vorlegen. Beurteilen können die Studenten unter anderem Erklärungsvermögen und Gesprächsbereitschaft des Dozenten sowie Struktur und Gliederung der Veranstaltung und deren Schwierigkeitsgrad.

Bei PPL werden die Ergebnisse in den Computer eingegeben. Der Computer wiederum spuckt auf den ersten Blick kompliziert wirkende Tabellen aus, in denen die Durchschnittswerte für 32 Beurteilungskriterien aufgelistet werden.


Gute Lehre wird nicht belohnt

Über vier Semester hat Volker Fadinger, Professor für alte Geschichte, seine Lehre per ELVA testen lassen und von den Studierenden durchweg gute Noten erhalten. Seine Noten für ELVA sind jedoch nicht so glänzend wie seine eigenen: "Mit den ganzen Statistiken kann ich nichts anfangen, eigentlich lese ich vor allem die Rückseiten, wo die Studenten frei ihr Urteil abgeben können."

Obwohl er der empirischen Analyse nichts abgewinnen kann und die Auswertung für das Wintersemester 93/94 noch in dem ungeöffneten Umschlag schmort, findet er so ein Projekt trotzdem sinnvoll. Daß überhaupt Wert auf gute Lehre gelegt werde, sei ein positives Zeichen. Bisher gäbe es an der Universität eine "einseitige Fixierung auf Forschung". Er selbst gesteht unumwunden, daß ihn die Forschung weniger interessiere als die Lehre, aber für seinen Lehreifer fühlt sich Fadinger bestraft: Seine Veranstaltungen werden von der dankbaren Hörerschaft geradezu überrannt.

Als Ausweg aus diesem Dilemma schwebt ihm die Wiedereinführung von Studiengebühren vor: Zu seiner Zeit haben die Studierenden einen speziellen Obolus für diejenigen Veranstaltungen entrichtet, die sie auch tatsächlich besucht haben. Davon hat der Professor dann einen Teil zu seinem Grundgehalt zugeschlagen bekommen.

Fadinger, Gralki und Berendt sind sich einig: Zu reformieren gibt es eine ganze Menge. Trotzdem erscheint ein Streif am Hochschul-Horizont, denn ganz langsam erobert die Idee von "guter Lehre" ein Plätzchen in den Köpfen von Lehrenden und Hochschulpolitikern. ELVA und auch die Arbeitsstelle hochschuldidaktische Aus- und Fortbildung verbuchen steigende Teilnehmerzahlen. Das belegt die große Nachfrage: Allein bei den Hochschuldidaktikern gab es 280 Anmeldungen für die Kurse im letzten Semester.

Auch auf politischer Ebene hat sich etwas getan: Vor rund zwei Jahren verabschiedeten die Kultusministerkonferenz und die Hochschulrektorenkonferenz eine gemeinsame Erklärung zur "Umsetzung der Studienstrukturreform". Darin fordern die Gremien dazu auf, bei Habilitationen und Berufungen die didaktische Fähigkeit der Wissenschaftler stärker zu berücksichtigen. Das verlangt auch Manfred Erhardt seit Ende 1993.

Der gute Wille zur guten Lehre reicht allein jedoch nicht aus, wenn die Rahmenbedingungen dazu fehlen. Eine personelle und räumliche Mindestausstattung muß gewährleistet sein. Auch Brigitte Berendt betont, daß weder großes Engagement noch persönliches Geschick fehlendes Personal ersetzen könnnen. Wo Studierende nicht mal mehr Platz im Hörsaal finden, ist auch die Hochschuldidaktik mit ihrem Latein am Ende.

Brenda Strohmaier


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