Im Hotel Sacher ist der Teufel los. Silvesterfete ist angesagt: edles Surrounding, Champagner in rauhen Mengen, Rededuelle und wüste Exzesse sind die Ingredienzen eines Partyabends mit tödlichem Ausgang. Dieses Drama wird vom Gastgeber, dem Schriftsteller Wolfram Bersenegger, geschickt provoziert. Denn sein heimlich gedrehtes Party-Video soll die "real-life" Vorlage für sein neuestes - und bestes - Theaterstück liefern. Die Studiobühne der FU hat mit ihrer neuesten Inszenierung "Silvester oder das Massaker im Hotel Sacher" des Österreichers Wolfgang Bauer - die Uraufführung war 1971 ein Theaterskandal - wahrhaftig einen Knaller gelandet.
Peter Lüder, Eckhard Müller, Niels Bormann (v.l.n.r.) in "Silvester oder das Massaker im Hotel Sacher"
Ein Knaller, der auch von taz und Tagesspiegel erfreut vernommen wurde. Mit der Regiearbeit des Theaterwissenschaftsstudenten Peter Lüder, der letzte Spielzeit im Acud sein Debüt mit einer Ernst-Jandl-Produktion gab, ist sich die FU-Studiobühne treu geblieben. Ihr Konzept - brisante Themen, unbekannte oder schwer spielbare Stücke und experimentelle Theatermethoden - hat sie seit ihrer Wiederbelebung vor sieben Jahren konsequent verwirklicht.
Große Verdienste hat sich das Studententheater um die Wiederaufführung der Stücke von Hans Henny Jahnn erworben. Der überraschende Erfolg der "Straßenecke", einer mystisch-verrätselten, sexuell aufgeladenen Leidensgeschichte des schwulen Schwarzafrikaners James war Anlaß für eine Jahnn-Werkschau. 1993 und 1994 brachte die Studiobühne vier seiner Stücke, darunter eine Uraufführung auf die Bühne. Mit unterschiedlichem Erfolg. Der Hamburger Autor gilt als schwierig. Seine Texte sind vieldeutig, oft kaum als Dialoge zu bezeichnen und leben vom rauschhaften Wahn der Dramatis Personae. Doch mit strenger Stilisierung und einem einfallsreichen Bühnenbild sind die Texte spielbar - und 50 Jahre nach ihrer Entstehung immer noch aktuell.
Schon die erste Produktion der Studiobühne "Victor oder die Kinder an der Macht" von den Neugründern der Studiobühne Bernd Mottl und Marcel Pomplun 1988 auf die Bühne der Akademie der Künste gebracht, fand überregional Beachtung. Um so mehr, als die fast gleichzeitig an der Freien Volksbühne und dem Maxim-Gorki-Theater einstudierten Inszenierungen beim Publikum und der Kritik eher durchfielen.
Bernd Mottl und Marcel Pomplun waren damals, obwohl Studenten der Theaterwissenschaft, längst keine Anfänger mehr. Mottl hatte als Regieassistent für Harry Kupfer und Pomplun als Assistent für Patric Steckel, den Intendanten des Bochumer Stadttheaters gearbeitet. In Bochum hatte er dann auch ein Angebot für eine feste Stelle. Doch das Projekt der Wiederbelebung der Studiobühne - die war Ende der 50er Jahre von Dieter Sturm, dem späteren Mitbegründer der Schaubühne, ins Leben gerufen worden und in den 70ern eingeschlafen - war Marcel Pomplun und seinem Kompagnon wichtiger.
Anfangs finanzierten die frisch gebackenen Theaterleiter ihre Projekte noch selbst, doch nachdem das Studententheater beim Publikum wie der Kritik Anerkennung fand, steuerte die Unileitung finanzielle Hilfe bei. Die reicht für etwa sechs Inszenierungen pro Jahr. Heute reicht es noch, nachdem die Mittel eingefroren sind, für vier Produktionen. Etwa 8000 Mark hat jeder Regisseur zur Verfügung und muß oft genug Geld aus eigener Tasche zuschießen, weil zum Beispiel die Herstellung des Bühnenbildes teurer wird als geplant.
Nach dem großen Studentenstreik im Wintersemester 1988/89 und der Einführung von Projekttutorien hatte die Studiobühne eine "offizielle" Organisationsform. Ihre Leiter und Leiterinnen, momentan Andrea Vilter und Ulrike Klitzing, werden als Projekttutoren nach dem Tarifvertrag für Studentische Hilfskräfte bezahlt und müssen eine Lehrveranstaltung pro Semester anbieten. In diesem Tutorium werden Spielpläne erarbeitet und aktuell laufende Produktionen begleitet.
Auch sieben Jahre nach der ersten Produktion muß noch viel improvisiert werden. Zwar steht in der Rostlaube ein Keller zur Verfügung, doch der reicht fürs Schreinern der Bühnenbilder kaum aus. Deshalb bietet sich der und dem Studierenden, so sie/er sich denn in den Keller verirren sollte, kurz vor der Premiere ein lustiges Bild: Holzkisten, gelbe Dreiecke, Dekostoffe und Farbeimer breiten sich auf den Fluren der Rostlaube aus.
Neben der Studiobühne gibt es auch immer mal wieder andere studentische Theatergruppen, etwa eine englischsprachige, die aber aus Geldmangel meist nur ein paar Produktionen lang am Leben bleiben. Erst im letzten Sommer hat sich unter der Leitung der Theaterwissenschafts-Studentin Birgit Simmler eine neue Theatergruppe gebildet: trekjop. Ihr Debüt, ein Ein-Mann-Stück von Martin Walser, "Nero läßt grüßen" - ein skurriles Räsonnement des von Häschern des römischen Senates gejagten Diktators - war recht vielversprechend. Für dieses Semester ist die Aufführung eines studentischen Theaterstückes geplant.
Beatrice Wurm
Wer Lust auf Rollenspiel, Dramaturgie, Bühnenbild oder gar selbst ein "geniales" Stück hat, melde sich bei Birgit Simmler (trekjop) unter 813 94 50. Infos über die Studiobühne gibt es bei Andrea Vilter, Spenerstraße 26, 10557 Berlin. Die nächste Premiere findet im August statt und wird eine Dramatisierung des Briefwechsels von Bettine von Arnim und Clemens von Brentano sein.
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