Projekttutorien: Am 26. Mai ist Antragsschluß

Wie aus zarten Pflänzchen prächtige Gewächse werden


Nur von außen bietet sich das gewohnte Bild: 13 Studierende sitzen in einem Raum des Fachbereichs Geschichte um einen Mann herum, der erheblich älter ist als sie. Doch dieser ist kein Dozent, er ist Fachjournalist für Geschichte beim SFB. Die Uni hat er nie als Student betreten, und so hört er interessiert zu, wenn die Studierenden davon sprechen, wie wichtig wissenschaftliche Arbeitsmethoden für sie sind. Doch was der Mann aus der Praxis erzählt, fesselt die angehenden Historiker nicht minder: Wie man Zeitzeugenberichte in ein Radiofeature integriert, welche Ansprüche ein Redakteur an einen Beitrag stellt. All das sind Fragen, die das Projekt der Gruppe betreffen. Sie wollen einen Medienbeitrag über die Geschichte der Siegessäule machen. Dafür haben sie in den letzten Wochen mit viel Freude an der Sache in Archiven recherchiert, haben Professoren interviewt, sich theoretisch mit öffentlicher Kommunikation befaßt. Diesen Aufwand hätten sie kaum betrieben, wenn sie nicht ein ehrgeiziges Ziel verfolgen würden: Den Beitrag wollen sie später im Rundfunk senden. Deshalb muß er gut werden.

Das Projekt ist eines von insgesamt 43 Tutorien, die gegenwärtig im Rahmen des Zentralen Projekttutorienprogramms der FU finanziell gefördert werden. In den sechs Jahren, in denen das Programm besteht, haben die Mitglieder einer Kommission aus insgesamt 495 Anträgen ungefähr 250 Projekte ausgewählt und mit Tutorenstellen ausgestattet. Diese Zahlen widerlegen im übrigen auch das weit verbreitete Vorurteil, daß keine gewissenhafte Prüfung und Auswahl der Anträge stattfindet. Die Antragsfrist für das kommende Wintersemester endet am 26. Mai.

Prof. Peter Grottian, der erste Vorsitzende dieser Kommission, ist auch heute noch von den Chancen überzeugt, die die Projekttutorien den Studierenden bieten. Er erinnert sich an die Entstehung des Programms während des Streiks 1989: "Damals suchte man nach neuen Lehr- und Lernmethoden. Mit den Projekttutorien wollte man den Studierenden die Möglichkeit bieten, neben dem regulären Lehrbetrieb auch einmal selbstbestimmt kleine Forschungsprojekte zu planen und durchzuführen." Die Projekttutorien sollten das Lehrangebot ergänzen und beeinflussen. Grottian sieht bei Studierenden eine besondere Wahrnehmungsgabe für zeitgemäße Forschungsthemen. Als Beispiel nennt er die Frauenforschung, mit der sich zunächst nur Projekttutorien befaßten, bevor sie ihren Weg auch in die Fachbereiche fanden. So gibt es Projekttutorien, die sich mit sehr exotischen Themen beschäftigen, etwa mit "Gender und Status von Frauen im Südpazifik", aber auch solche, die sich direkt mit der Situation der Universität befassen, etwa der "Studienreform Germanistik". Für die Studierenden liegt der besondere Reiz des Programms in der Möglichkeit, sich mit politischen und gesellschaftlichen Problemen auseinanderzusetzen, die sie persönlich kennengelernt haben.

Es hat sich auch einiges verändert im Laufe der Zeit. Am auffälligsten ist die Tendenz zu einer praktischen Ausrichtung der Projekttutorien. Das Projekt "Geschichte und Medien" ist ein solches Beispiel. Viele Studierende haben das Bedürfnis, sich auch mit praktischen Erfahrungen auf ein Berufsleben nach dem Studium vorzubereiten. Die Kommission fördert daher bevorzugt Gruppen, die ihre praktischen Ergebnisse in Ausstellungen, Diavorträgen oder Ringvorlesungen öffentlich machen. Die Ausrichtung auf ein praktisches Ziel soll die Arbeit in den Tutorien spannender gestalten.

In vielen Projekttutorien sind Ideen für Diplom- und Magisterarbeiten, manchmal sogar Buchpublikationen, entstanden. Die Tutoren des Projekts "Der Grand Louvre als Vorbild für Berlin?", Alexis Joachimides und Nikolaus Bernau, lösten vor kurzem mit ihrer Materialsammlung zu diesem Thema sogar eine kontroverse Diskussion über die Museumskonzepte für das vereinigte Berlin in der Presse aus. Das im Dresdener Verlag erschienene Buch mit dem Titel "Museumsinszenierungen. Zur Geschichte des Kunstmuseums" ist zum Preis von DM 29,80 im Buchhandel erhältlich.

Christian Fähndrich

Anträge für Projekttutorien können noch bis zum 26. Mai gestellt werden. Auskünfte erteilt die Koordinationsstelle der Projekttutorien, Tel. 838-73550/533, Fax. 838-73505.


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