Ungünstige familiäre und soziale Lebensbedingungen wie zunehmende Arbeitslosigkeit, wachsende Anforderungen in Schule und Ausbildung oder der Anstieg der Scheidungsraten sind äußerst ungünstige Startvoraussetzungen für di e Entwicklung von Kindern. Die Folge sind schwerwiegende psychische und physische Entwicklungsbehinderungen der jungen Menschen.
Es ist schon lange bekannt, daß sich das Zusammenleben mit Tieren positiv auf die Gesundheit und das Wohlbefinden der Menschen auswirkt: Vor dem Hintergrund dieser Erkenntnisse wurden Tiere in den letzten Jahren vermehrt in klinischer und pä dagogischer Praxis eingesetzt. Dennoch läßt das theoretische Wissen über dieses Phänomen immer noch zu wünschen übrig. Daß versucht wird, diese Forschungslücke in nächster Zeit zu schließen, dafür sorgt das Institut für Klinische Psychologie der FU. Professoren, wissenschaftliches Personal und Studierende arbeiten gemeinsam an insgesamt 15 Forschungsprojekten, die gleichzeitig - in Form des forschungsvertiefenden Wahlpflichtfachs - Teil des S tudienplans sind. Die PsychologiestudentInnen müssen sich aus diesem Angebot ein Projekt aussuchen. Das älteste besteht schon seit 1985 und beschäftigt sich unter der Leitung von Prof. Dr. Siegfried Schubenz mit dem Einsatz von Pferden in d er Therpie von Kindern und Jugendlichen. Prof. Schubenz unterhielt seit 1968 auf einem Pachtgrundstück eine kleine Pferdeherde. Sein engagierter Einsatz für das "Medium Pferd" in der Therapie mit Kindern und Jugendlichen ermöglichte im Herb st 1985 die Angliederung des Projekts an das Psychologische Institut der FU und den Umzug in die Domäne Dahlem.
Das Glück dieser Erde...
Im Mittelpunkt des therapeutischen Geschehens steht die gemeinsame Betätigung rund um das Pferd: beobachten, berühren, streicheln, sich tragen lassen, versorgen. Dabei spielt der Körperkontakt eine wichtige Rolle, da viele Kinder eine so lche Erfahrung nie gemacht haben. Die Begegnung mit Tieren ist für Kinder tatsächlich von großer Bedeutung. Sie ist eine Form der Begegnung mit der Natur, die uns in der großstädtischen Lebenswelt mehr und mehr entfremdet wird. So spielt das "Pferdeprojekt" eine wesentliche Rolle für die psychosoziale Versorgung von jungen Menschen in der Stadt. Derzeit kommen etwa 30 Kinder und Jugendliche zur Gruppentherapie. Mit von der Partie sind sechs Pferde im Alter von 1 bis 19 Jahr en in artgerechter Offenhaltung. Aber auch für die Wissenschaft spielt die Einrichtung eine große Rolle: So ist sie seit zehn Jahren Schnittstelle zwischen Theorie und Praxis zur Erforschung und Entwicklung von Pferden in der ambulanten psychot herapeutischen Versorgung von Kindern und Jugendlichen in Berlin.
Daneben existiert das Hundebesuchsprogramm, das die FU in Zusammenarbeit mit dem gemeinnützigen Verein "Leben mit Tieren e.V." seit Januar 1994 praktiziert und wissenschaftlich begleitet. Hundebesitzer besuchen regelmäßig einmal wö chentlich für eine Stunde alte und kranke Menschen in Krankenhäusern, Alten- oder Pflegeheimen. (Vgl. FU:N 12/94, S. 14) Diese Besuche werden durch Studierende dokumentiert und analysiert. Das Ergebnis: Durch die regelmäßigen Besuche verbesserte sich die Lebensqualität dieser Menschen deutlich. Sie wurden kontaktfreudiger, ausgeglichener, aktiver und selbstbewußter. Viele knüpften sogar enge Beziehungen zu dem jeweiligen Hundebesitzer.
Zwei weitere Projekte sind gerade in der Anfangsphase. Da gibt es zum einen die "Heimtierbesitzertagebücher" und zum anderen die Therapie sozial ängstlicher Kinder mit Hilfe von Hunden. Eine kleine Arbeitsgruppe von Psychologen unter der Leit ung von Dr. Rainer Brockmann hat sich die Erforschung der Mensch-Tier-Beziehung im Alltag von Heimtierbesitzern zur Aufgabe gemacht. Grundlage sind Tagebücher von Tierbesitzern, in denen sie alle Ereignisse festhalten, die das Zusammenleben von Mensc h und Tier veranschaulichen.
In einem anderen Projekt, das schon seit einiger Zeit unter der Leitung von Dr. Helga Renfordt und Prof. Schubenz läuft, werden Kinder mit sozialer Angst oder solche mit Hundeangst, durch den Umgang mit Hunden therapiert.
Monika Bloch