Ich bin eine der insgesamt ca. 1,1 Mio Führungskräfte der deutschen Wirtschaft und wäre ich ein Mann, würde kein Hahn nach mir krähen. So jedoch erfreue ich mich eines Daseins als neugierig beäugtes Spurenelement, das sich in einem Männerbiotop tummelt: 95 Prozent aller Führungskräfte sind männlichen Geschlechts.
Förderprogramme, die viel bestaunt, zum Teil gar bejubelt und seltener bekritelt in den 80er Jahren in einigen Großunternehmen installiert wurden, haben kaum etwas von dem gehalten, was man und vor allem frau sich davon versprochen haben. L etztendlich haben sie sich mehr oder minder als Instrumente eines Schönwettermanagements entpuppt, derer sich die Unternehmen bedient haben, um einerseits ihr Image am Markt grundsätzlich zu verbessern und andererseits aus dem Pool gut ausgebild eter junger Frauen das (hoch-)konjunkturbedingt ausgedünnte Reservoir männlicher highpotentials aufzufüllen.
Sieht man sich zudem die Art der Förderprogramme genauer an, läßt sich unschwer feststellen, daß es nur in Ausnahmefällen echte Frauenförderprogramme waren; in der Regel handelte es sich um Programme zur besseren Verein barkeitvon Beruf und Familie.
Einmal wissenschaftlich zu untersuchen, wie weit diese Familienförderprogramme der Karriere von Frauen möglicherweise eher hinderlich, denn förderlich gewesen sind, wäre eine interessante Aufgabe.
Ich selbst habe jedenfalls für mich entschieden, einen Teil der Familienarbeit - und die Betonung liegt hier auf Arbeit - zu delegieren und anfangs auch durch (Erwerbs-)Mehrarbeit zu finanzieren. Das erschien mir besser, als in das Berufsleben mi t gebremstem Engagement einzusteigen.
Daß die Gesellschaft - vor allem ihr weiblicher Teil - mir hierfür keinesfalls nur Anerkennung gezollt hat, ist ein typisch deutsches Phänomen. In Frankreich, Italien, Belgien, England oder den USA wäre mir das mutmaßlich ni cht passiert.
Als mein Sohn recht frühzeitig deutliche Anzeichen von Schulmüdigkeit zeigte, lagen für seine Klassenlehrerin die Gründe hierfür auf der Hand: "Ich habe gehört, Sie sind nicht nur voll berufstätig, sondern Sie reisen sogar!" Auf meine Frage, ob sie eine solche monokausale Schuldzuweisung auch gegenüber den Vätern vornehmen würde, reagierte diese Lehrerin mit der irritierten Gegenfrage: "Wieso?"
Mittlerweile bin ich solcher Sorgen lediglich. Das zweite Abitur meines Lebens liegt ebenso hinter mir wie die zweite Führerscheinprüfung und mein mittlerweile 19jähriger Sohn absolviert eine Banklehre. Auch wenn er anschließend s tudieren will, droht mir keine Wiederholung, da es jedenfalls nicht die Juristerei sein wird, der er sich widmen möchte.
Ich habe zwar dem Jurastudium selbst nichts abgewinnen können, weswegen ich es 1973/74 auch in der schnellstmöglichen Zeit abgeschlossen habe. Was danach kam, habe ich jedoch stets als positiven Verlauf meines Berufslebens angesehen. Nach ei ner Assistentenzeit an der FU, in der ich wegen meines Berufsziels, etwas Nichtjuristisches in der Wirtschaft zu machen, ergänzend BWL studiert habe, bin ich als Personalreferentin im Berliner Werk des weltweit größten Produzenten von Aufz ügen und Fahrtreppen eingestiegen. Ich habe zweieinhalb Jahre alle Höhen und Tiefen der Personalarbeit hautnah erlebt und mich dann - anfangs entgegen meinem Naturell eher zögerlich - entschieden, die Leitung der Rechtsabteilung zu übe rnehmen. Das war ein ungemein spannendes, vielseitiges und äußerst arbeitsintensives Aufgabengebiet, vor allem in der Wendezeit 1989/90.
Bevor ich 1992 zum größten Unternehmen in den neuen Bundesländern wechselte, bin ich in meinem früheren Unternehmen nochmals in Leitungsfunktion ins Personalwesen eingestiegen.
Was war für mich persönlich wichtig im Berufsleben? Sicherlich ein breites und abwechslungsreiches Aufgabenspektrum. Keine reine Schreibtischarbeit. Für mein Vorwärtskommen war aber mit Bestimmtheit von entscheidender Bedeutung die Bereitschaft, die Spielregeln der Männergesellschaft im Unternehmen zu erkennen und sich ihrer zu bedienen, wie z. B. das Spiel "Wer geht zu wem?" oder "Wer nascht von meinem Tellerchen?"
Frauen, denen solche Machtspiele zuwider sind und die sich einfach fernhalten, werden keinen Erfolg haben - weder für sich noch bei dem Versuch, die Unternehmenswelt zu ändern. Man muß Macht wollen und sich ihrer bedienen, wenn man res p. frau Verbesserungen erreichen will.
Nicht unwichtig für die Wertschätzung innerhalb des Unternehmens ist zudem ein gewisses Maß an externer Publizität und Anerkennung. Auch wenn es zeitaufwendig und manchmal etwas mühsam gewesen ist, habe ich es sowohl unter de m vorstehend genannten Aspekt als auch wegen der damit verbundenen persönlichen Bereicherung nie bereut, mich in mehreren Ehrenämtern engagiert zu haben, wie z. B. im Bundesvorstand des Deutschen Juristinnenbundes und als Vorsitzende der Gleichs tellungskommission des Verbandes. Darüber hinaus bin ich u. a. ehrenamtliche Richterin am Landesarbeitsgericht und am Landessozialgericht Berlin, gehöre bzw. gehörte dem Auswahlkomitee der Europäischen Wirtschaftshochschule (EAP), Berl in, und verschiedenen Beiräten an, habe einen Lehrauftrag an der Fachhochschule für Wirtschaft (FHW), Berlin, und bin übrigens als einzige Frau - Vorsitzende eines Ausschusses der Industrie- und Handelskammer (IHK) zu Berlin.
Das Leben - und damit meine ich auch das Berufsleben - ist spannend und vielfältig. Daß Frauen, um sich darin zu behaupten, nach wie vor doppelt so gut sein müssen wie Männer, um wenigstens halb so weit wie diese zu kommen, ist le ider - fürchte ich - immer noch keine unzutreffende Behauptung. Allerdings fällt das Doppeltsogutsein uns Frauen erfahrungsgemäß nicht allzu schwer. Ich hoffe, daß die nachrückende Generation das ihre dazu beiträgt, da ß Gleichstellung nicht länger nur die Utopie der Empörten bleibt.
Juliane Freifrau von Friesen
Juliane Freifrau von Friesen hat an der FU Jura und Betriebswirtschaftslehre studiert. Sie ist Leiterin der Stabsabteilung Führungskräfte der Vereinigten Energiewerke Aktiengesellschaft Berlin.