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von Theo Engeser und Konstanze Stehr |
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Kirchen | Dorfkirche Waltersdorf
(Lkr. Dahme-Spreewald) Die Kirche in Waltersdorf ist eine beeindruckende, vierteilige Anlage mit sehr guter Mauerwerksausführung und noch einigen, jetzt zugesetzten, ursprünglichen Öffnungen. Der Turm hat als Besonderheit einen schmalen Aufgang in der Südwand. Das Untergeschoß war ursprünglich mit einem Tonnengewölbe abgedeckt. Diese Kirche könnte tatsächlich einmal als Zufluchtskirche genutzt worden sein, da der schmale Zugang in der Südwand zum Obergeschoß des Turmes leicht zu blockieren war. Auch die Innenausstattung mit einem spätgotischen Schnitzaltar einer einer barocken Taufe ist sehenswert. Lage: Waltersdorf liegt ca. 8 km nordwestlich von Königs Wusterhausen, etwas östlich der Autobahn A 113 von Berlin Richtung Dresden, kurz vor dem Schönefelder Kreuz (Ausfahrt Waltersdorf). Die Kirche liegt, umgeben vom ehemaligen Friedhof, an einer Straßenkreuzung im alten Ortskern. Ortsgeschichte: "Woltersdorf" wurde
erstmals 1355 urkundlich erwähnt, als der Berliner Bürger Petrus
Krämer dem Dreifaltigkeitsaltar der Berliner Nikolaikirche die Renten
von 4 Hufen übereignete. 1375 zählte das Dorf 78 Hufen, davon
2 Pfarrhufen (die Zusammenrechnung aller Einzelhufen ergibt aber nur 71;
78 = Schreibfehler?). Es hatte einen Lehnschulzen, 13 Kossäten, einen
Krug und eine Mühle. Die Hälfte der Gerichtsbarkeit und der Dorfherrschaft
waren im Besitz der v. Liepe, die andere Hälfte des Gerichts und Teile
der Dorfherrschaft befanden sich in Händen der Hönow, die diesen
Anteil kurz vor 1375 von den v. Grube erworben hatten. Die Wagendienste
standen denen v. Liepe aber alleine zu. Jede der zinspflichtigen Hufen
mußte 8 Scheffel Roggen und 8 Scheffel an Pacht, 2 Schillinge an
Zins und 3 Schillinge als Bede entrichten. Pacht, Zins und Bede gingen
zu unterschiedlichen Teilen an die v. Liepe (40 Hufen) und die von Hönow
in Berlin (7 Hufen). Der Dreikönigsaltar in St. Nicolai in Berlin
hatte Pacht und Zins von 4 Hufen. Pacht und Zins von 5 Hufen gingen an
einen Altar in Spandau. Hentze Goltz durfte Pacht und Zins von zwei Hufen
einziehen. Die "Berktzow in Glinik" besaßen die Roggenpacht und den
Zins von vier Hufen, die Haferpacht ging aber an die v. Liepe. Die Bede
von allen Hufen wurde von den v. Liepe einkassiert. Die 13 Kossäten
bezahlten 2 Schillinge an die v. Liepe und 3 Schillinge an die v. Hönow.
Der Krug mußte 12 Schillinge abgeben, die zu gleichen Teilen an die
v. Liepe und den Schulzen gingen. Die Mühle mußte den v. Liepe´s
1 Talent Pfeffer geben, der Kirche 2 Scheffel Roggen und dem Schulzen 6
Pfennige. Von 1450 bis 1480 war das Dorf im alleinigen Besitz der v. Liepe,
die dort auch beträchtlichen Hufenbesitz hatten. 1450 und 1480 waren
es allerdings nur noch 73 Hufen, von denen der Pfarrer zwei Hufen und die
Kirche eine Hufe hatte. 1450 lagen 10 Hufen wüst; 1480 gab es
14 wüste Hufen. Der Krug und die Mühle werden sowohl 1450 wie
auch 1480 erwähnt. Außerdem gab es 1450/80 noch zwei Kossäten
im Dorf. Seit 1553 war das Dorf im Lehensbesitz der von Thümen. Ende
des 17. Jahrhunderts ging die Ortsherrschaft in den Besitz der v. Beeren
über, die den Ort 1700 an Kurfürst Friedrich verkauften. Dieser
übereignete ihn Graf Kolb von Wartenberg. 1711 wurde das Dorf zum
Amt Köpenick gezogen, 1719 dem Kronprinzen Friedrich zugewiesen, 1735
dann zur Herrschaft Wusterhausen gelegt.
Baustruktur: Die Kirche ist eine
vierteilige und vermutlich einphasige Anlage mit Querwestturm, Schiff (zusammen
17,95 x 11,36 m), eingezogenem Chor (Außenmaße: 7,57 x 8,48
m; Innenmaße: 6,36 m x 6,06 m) und Apsis (etwa 3,05 m ausgewölbt).
Der Chor hat somit 75% der Breite des Schiffs.
Mauerwerksausführung: Die Mauerwerksausführung
ist im unteren Teil sehr sorgfältig, die Feldsteine sind gut behauen
und innerhalb einer Lage recht gleichförmig. Der Sockel und die zwei
darüberfolgenden Lagen sind durchgehend auf Chor, Schiff und Turm
zu verfolgen. Allerdings ist auffällig, daß die einzelnen Lagen
sehr unterschiedlich hoch sind. Etwa ab der Basis der Fenster (in Schiff
und Turm) macht das Mauerwerk einen etwas weniger sorgfältigen Eindruck.
Die Verlängerung der Traufhöhe des Schiffs ist auch auf dem Turm
deutlich als Bauabschnitt zu sehen. Der Giebel der Ostseite des Schiffs
ist mit kaum behauenen, ungleich großen Feldsteinen gemauert; die
Lagen sind kaum noch erkennbar. Die Giebel des Turms bestehen ebenfalls
aus unregelmäßigem Mauerwerk.
Mörtel und Putze: Es ist nur ein Fugenputz sichtbar. Portale und Fenster: Die Nordseite weist im Schiff drei segmentbogige Fenster auf, die mit Backsteinen gemauert sind, ein weiteres segmentbogiges Fenster ist im Chor. Ein originales, rundbogiges Fenster im westlichen Teil des Chors ist vermauert. Dieses Fenster besitzt gut behauene Bogensteine. Auf der Nordseite des Turms befindet sich etwa in der Nähe der ursprünglichen Schiffsfenster ein vermauertes Schartenfenster und etwas oberhalb der Verlängerung der Traufhöhe des Schiffs ein kleines schmales Fenster. Unterhalb des westlichen Fensters befindet sich ein Reparaturbereich. Hier wurde ein erst 1711 eingebrochenes Gemeindeportal beseitigt (Pomplun). Das Portal war 1711 aber sicher nicht völlig neu eingebrochen worden, sondern mit großer Wahrscheinlichkeit wurde zu diesem Zeitpunkt ein aus der Bauzeit der Kirche stammendes Gemeindeportal barock verändert. Die Apsis hat drei rundbogige Fenster mit behauenen Bogensteinen. Diese messen ca. 80 cm in der Breite und 120 cm in der Höhe. Im Chorgiebel ist ein kreuzförmiges Fenster unterhalb des Firstes. Die Südseite weist drei segmentbogige große Fenster im Schiff und ein gleichartiges Fenster im Chor auf. Ein rundbogiges, ursprüngliches Fenster im westlichen Teil des Chors ist vermauert. Am westlichen Fenster des Schiffs erkennt man links oben Bogensteine, die wohl von einem ehemals rundbogigen, romanischen Fenster herrühren. Unterhalb des westlichen Fensters ist ein Reparaturbereich. Auch hier wurde lt. Pomplun 1913 ein erst 1711 eingebrochenes Gemeindeportal beseitigt. Dieses barocke Portal hatte sicher ebenso wie das Nordportal einen spätromanischen Vorgänger. Die rundbogige Priesterpforte (ca. 200 x 75 cm) ist ebenfalls zugesetzt. Sie hat einen Begleitbogen aus flachen, behauenen Feldsteinen. In die Südseite des Turms ist eine rechteckige Tür eingebrochen worden; die Fenster im unteren Teil des Turms sind schmale Schlitzfenster. Das Westportal weist einen großen
und breiten Rundbogen auf, und das Gewände ist einmal abgetreppt.
Die Form des Bogens legt den Verdacht nahe, daß das Portal Ende des
19./Anfang des 20. Jahrhunderts verändert (vielleicht der Durchgang
erhöht) worden ist; die Veränderung läßt sich aber
nicht nachweisen. Oberhalb des Westportals ist ein zugemauertes rundes
Fenster mit unterschiedlich behauenen Leibungssteinen zu erkennen. Die
Randsteine sind gut behauen, jedoch fehlt das linke obere Segment des Rundfensters.
Innenbögen: Der bis auf eine Rechtecktür zugesetzte Verbindungsbogen zwischen Turm und Langhaus war rundbogig mit Kämpfern und Kämpferplatten; der Triumphbogen wurde beseitigt, und der Apsisbogen ist rundbogig. Turm: Der Turm ist ein Querwestturm mit Schiffsbreite, dessen Mauerwerksausführung bis zur Traufhöhe des Kirchenschiffs mit der von Schiff und Chor übereinstimmt. Darüber ist das Mauerwerk immer noch lagig mit Feldsteinquadern, aber die einzelnen Lagen sind etwas dünner und die Feldsteinquader sind etwas weniger sorgfältig gequadert. Die Turmgiebel sind unregelmäßig gemauert. Im Glockengeschoß des Turms sind drei gedrückt-spitzbogige Schallöffnungen, die nachträglich bis auf kleine spitzbogige Öffnungen als Blenden zugesetzt wurden. Auf der Ostseite sind zwei, auf Nord- und Südseite je eine gedrückt-spitzbogige Schallöffnung vorhanden. Die Bogensteine der Schallöffnungen sind deutlich weniger sorgfältig behauen als die Bögen der zugesetzten, ursprünglichen Chorfenster der Kirche; die Proportionen der Schallöffnungen deuten wohl schon auf eine Entstehungszeit in der Gotik hin. In den Giebelspitzen der Nord- und Südseite sitzt je ein kleines, relativ breites gedrückt-spitzbogiges Fenster. Dächer: Die Apsis hat ein kegelförmiges Dach, das mit Biberschwanzziegeln gedeckt ist. Chor und Schiff besitzen jeweils Satteldächer, der Turm ein quergestelltes Satteldach. Diese Dächer sind mit Doppelrömern gedeckt. Decke: Die Flachdecke ist eine Konstruktion aus Hohlbetonträgern, zwischen denen gelb und grau gehaltene Kassetten angebracht sind. Der Turminnenraum hat ein Kreuzgratgewölbe. Innenausstattung: Die Kirche besitzt
eine Hufeisenempore; die in den 1960er Jahren von einem Hobby-Orgelbauer
aus verschiedenen anderen Orgeln neu zusammengestellte Orgel steht auf
der Südempore. Der Altartisch ist neueren Datums. Darauf steht ein
Altaraufsatz von 1620 mit einem gotischen Mittelschrein. Dieser zeigt im
Mittelteil die Heilige Dreieinigkeit sowie in dem einen Flügel die
drei Apostel Petrus, Johannes und Jakobus und im anderen Flügel die
heilige Apollonia (mit Zahn), die heilige Barbara (mit Turm) und die heilige
Katharina von Alexandrien (mit Schwert und Rad).
Rekonstruktion und vermutliche Baugeschichte: 1. Drittel 13. Jahrhundert: Baubeginn der Kirche mit Querwestturm, Schiff, eingezogenem Chor und Apsis. Das Schiff hatte vermutlich je drei Fenster auf Nord- und Südseite, der Chorbereich je zwei Fenster. Vermutlich hatte der Bau ursprünglich ein rundbogiges Westportal und auf Nord- und Südseite je ein Gemeindeportal. Die Apsis besaß wohl ursprünglich drei rundbogige Fenster. Der frühe Baubeginn läßt sich anhand der Chorproportionen und der Fensterportionen (Apsis: 1,5 : 1) belegen. In Chor und Schiff fehlen gedrückte Spitzbögen. Die Pfarre war mit nur zwei Pfarrhufen ausgestattet, was ebenfalls auf eine frühe Einrichtung der Pfarrei hindeutet. 2. Hälfte 13. Jahrhundert: Der Turm oberhalb der Traufhöhe des Schiffs wird hochgemauert. Nachgewiesene Umbauten und Instandsetzungen: 1711: Veränderung der Fenster und Einbruch von zwei Eingängen unter den westlichen Schiffsfenstern (Pomplun). Gemeint ist wohl eine barocke Veränderung der ursprünglichen Gemeindeportale. 1835-39: Umbau, Umgestaltung des Innern (Spatz). 1840: Veränderung der Fenster (Pomplun). 1913: Zusetzen der 1711 eingebrochenen Portale auf der Nord- und Südseite des Langhauses (Pomplun). 1966-72. Restaurierung. Vergleiche: Die Kirche hat zwar auf den ersten Blick einige Ähnlichkeiten mit der Schönefelder Kirche. Allerdings sind die dortigen Fensteröffnungen völlig verändert worden und deshalb nicht vergleichbar. Der Chor der Schönefelder Kirche ist jedoch längsrechteckig, und der Turm wurde erst Anfang des 20. Jahrhunderts in den hinteren Teil des Kirchenschiffs eingestellt. Die Kirchen von Groß Ziethen und Stahnsdorf besitzen einen stärker eingezogenen Chor und keinen Turm. Die vierteilige Kirche von Groß Machnow mit - wie in Waltersdorf - drei Fensterachsen im Schiff und zwei Fensterachsen im Chor hat einen längsrechteckigen Chor und eine weniger stark ausgewölbte Apsis. Noch besser vergleichbar ist die ebenfalls vierteilige Anlage von Berlin-Marienfelde, die nicht nur die gleiche Anzahl an Fenstern, sondern auch die gleichen Portalpositionen aufweist wie die Waltersdorfer Kirche. Das Mauerwerk der Marienfelder Kirche ist noch perfekter als das in Waltersdorf; ihre Apsis ist etwas weniger stark ausgewölbt. Bemerkungen: Die Kirche wird von Kubach & Seeger (1941) und "Die Bau- und Kunstdenkmäler der DDR" übereinstimmend in die erste Hälfte des 13. Jahrhunderts datiert. Pomplun (1962) setzt sie in das 1. Drittel des 13. Jahrhunderts. Literatur: Fidicin (1857): Die Territorien der Mark Brandenburg Band I, S.140, Spatz (1912): Unser Teltow, Band 3, S.325-7, Hoppe (1925): "Wehrkirchen" auf dem Teltow. Teltower Kreiskalender, 1925, S.10, Schultze (1940): Das Landbuch der Mark Brandenburg von 1375, S.87, Siemsen (1940): Die Waltersdorfer Kirche, Teltower Kreiskalender, 1940: 101-103, Kubach & Seeger (1941): Die Bau- und Kunstdenkmäler der Provinz Mark Brandenburg, Kreis Teltow, S.203-62, Pomplun (1960): Der mittelalterliche Dorfkirchenbau auf dem Teltow, S.32, Enders & Beck (1976): Historisches Ortslexikon für Brandenburg, Teil IV Teltow, S.330-333, Die Bau- und Kunstdenkmale in der DDR (1978), S.165, Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler Bezirke Berlin/DDR und Potsdam (Dehio/Potsdam) (1983), S.445/6, Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler Brandenburg (Dehio/Brandenburg) (2000), S.1084/5, Friske, Matthias 2002. |
Die Kirche von Waltersdorf von der Ostseite.
Westturm
Westportal
Zugesetztes Priesterportal in der Südseite
des Chors
Zugesetztes ursprüngliches Fenster
auf der Nordseite des Chors
Blick in den Chorbereich
Blick nach Westen in den Gemeinderaum
Der Altaraufsatz
Die linke Seite (Petrus, Johannes, Jakobus) |
Die rechte Seite (Apollonia, Barbara, Katharina) |
Die Taufe |
Die Orgel |
Oben: Heutiger Grundriß der Waltersdorfer
Kirche; unten Rekonstruktion des ursprünglichen Grundrisses (nach
Kubach & Seeger, 1941).
©Theo Engeser und Konstanze Stehr, Jühnsdorf, 1999-2003