Der Vertrag über die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den drei Mächten, kurz Deutschlandvertrag genannt, soll an die Stelle des Besatzungsstatuts von 1949 treten; er beschränkt die Sonderrechte der Alliierten auf ein Minimum, erstrebt ein geeintes, innnerhalb der westeuopäischen Staatengemeinschaft gleichberechtigtes Deutschland, dessen endgültige Grenzregelungen erst mit dem Abschluß eines Friedensvertrages festzulegen sind. Der Vertrag soll zugleich mit dem EVG-Vertrag in Kraft treten.
Nach dem Tode Stalins bleiben in der sowjetischen Politik weiterhin Momente von Entspannung spürbar, die in England positiver gesehen werden als in Regierungskreisen der USA. Churchill vermutet eine tatsächliche Verhandlungsbereitschaft der Sowjets und räumt ein, daß eine Entspannung ohne Befriedigung sowjetischer Sicherheitsinteressen nicht möglich sein werde. Er bringt deshalb auch den Gedanken einer Neutralität Deutschlands als mögliches Thema einer Gipfelkonferenz wieder ins Gespräch.
Der Ministerrat der DDR beschließt eine Erhöhung der Arbeitsnormen um durchschnittlich 10 Prozent.
Die neue sowjetische Führung sieht, daß das sozialistische Lager unter stalinistischer Herrschaft heruntergekommen ist, und drängt daher auf innnen- wie außenpolitische Entspannung. Den einbestellten DDR-Vertretern Grotewohl, Ulbricht und Oelßner wird ein Forderungskatalog vorgelegt, in dem es u.a. heißt: "Zur Verbesserung der entstandenen Lage ist es notwendig: 1) Unter den heutigen Bedingungen ist der Kurs auf eine Forcierung des Aufbaus des Sozialismus in der DDR, der von der SED eingeschlagen und vom Politbüro des ZK der KPdSU (B) in seinem Beschluß vom 8. Juli 1952 gebilligt worden war, für nicht richtig zu halten... 2d) Der Fünfjahrplan der DDR ist zu revidieren in Richtung einer Lockerung des überspannten Tempos der Entwicklung der schweren Industrie... 2f) Es ist eine solche Lage zu Erreichen, daß die Regierungsmaßnahmen vom Volke verstanden werden und unter der Bevölkerung selbst Unterstützung finden".
Stalin mit Füßen getreten: eine im Zusammenhang mit den Ereignissen des Juni 1953 inszenierte Photographie |
In der Gewerkschaftszeitung "Tribune" erscheint jedoch am selben Tag ein Artikel, in dem der Fortbestand der Normerhöhung bekräftigt wird. Berliner Bauarbeiter von Baustellen am Krankenhaus Friedrichshain und an der Stalin-Allee legen die Arbeit nieder und marschieren zum Gebäude des FDGB in der Innenstadt.
In der Zeit 16. bis 18. Juni kommt es an mehr als 250 Orten der DDR zu Streiks und Demonstrationen; dabei trägt die regelmäßige Berichterstattung des Westberliner Rundfunksenders RIAS über die Ereignisse in Ostberlin dazu bei, daß sich das Aufbegehren im Umland ausbreitet. Soweit dessen öffentliche Manifestationen nicht von selbst ihr Ende finden, werden sie von Soldaten der Roten Armee unterdrückt. Zwar beschränkt sich der Einsatz sowjetischer Panzer weitgehend auf Machtdemonstrationen, dennoch gibt es im Verlauf der Unruhen mindestens 21 Tote. In Berlin wird der Ausnahemzustand erst am 11. Juli wieder aufgehoben. Auch wenn sich insgesamt nur ein Bruchteil der Arbeiter in der DDR an den Unruhen beteiligte, so bedeutet die öffentliche Demonstration ihres Unwillens und die dadurch offenbar werdende Hilf- und Machtlodigkeit der SED doch, daß die Legitimation der Herrschaft einer "Arbeiterpartei" in einem "Arbeiterstaat" erschüttert ist. Unmittelbar nach dem Aufruhr schreibt Ministerpräsident Grotewohl im Neuen Deutschland: "Wenn Massen von Arbeitern die Partei nicht verstehen, ist die Partei schuld, nicht die Arbeiter".
Demonstranten werfen Steine gegen sowjetische Panzer am 17. Juli in Ostberlin |
Fechner gehört vor 1933 der sozialdemokratischen Parteiführung an und ist nach dem Kriege ein eifriger Befürworter der Einheitspartei. Als er nach dem 17. Juni die Freilassung von Verhafteten verfügt und für das Streikrecht der Arbeiter eintritt, weicht er von der inzwischen in Moskau neu festgelegten Linie ab. Er wird am 16. Juli abgesetzt und verhaftet; Nachfolgerin im Amt des Justizministers wird Hilde Benjamin.
Die Entschließungen des ZK sind zwiespältig. Einerseits wird festgestellt: "Das Wesen des Neuen Kurses besteht darin, in der nächsten Zeit eine ernsthafte Verbesserung der wirtschaftlichen Lage und der politischen Verhältnisse in der Deutschen Demokratischen Republik zu erreichen und auf dieser Grundlage die Lebenshaltung der Arbeiterklasse und aller Werktätigen zu heben". Andererseits wird jedoch behauptet: "Die Generallinie der Partei war und bleibt richtig". Demgemäß wird Walter ULbricht in seinem Amt als Erster Sekretär des ZK bestätigt; seine Gegenspieler Zaisser und Herrnstadt werden aus dem ZK ausgeschlossen.
Mit dieser Entscheidung werden die Vorgänge am 16./17. Juni entsprechend in den in der Bundesrepublik nunmehr bestätigten antikommunistischen Einstellung interpretiert: Die aus Unzufriedenheit mit Versorgung und erhöhten Arbeitsnormen entstandenen Unruhen, an denen vorwiegend Arbeiter beteiligt waren, werden zu einem "Volksaufstand" erklärt, dessen vordringliches Ziel die Herstellung der deutschen Einheit gewesen sei.
Zum 1. Januar 1954 verzichtet die Regierung der UdSSR auf dann noch offene Reparationsforderungen; sie erläßt zudem Schulden, gewährt einen Halbmilliarden-Rubel-Kredit, begrenzt die Stationierungskosten ihrer Truppen auf fünf Prozent der Staatseinnahmen der DDR und gibt 33 als SAG geführte Betriebe zurück.
Das Wahlergebnis zeigt, das Bundeskanzler Adenauer entschlossener Kurs auf die Westintegration von einem großen Teil der Bevölkerung angenommen und bestätigt wird.