Um eine Wiederbewaffnung der Bundesrepublik im Rahmen der EVG zu verhindern, hat die Regierung der Sowjetunion anfangs an die Viermächte-Verantwortung appelliert und auf die in Potsdam verabschiedete Entmilitarisierungsmaßnahmen verwiesen. In gleicher Absicht hat die DDR gegenüber der Bundesregierung gedrängt, "Deutsche an einen Tisch" zu bringen und einen "Gesamtdeutschen Rat" zu bilden. Als das nichts fruchtet und ein erfolgreicher Abschluß der EVG-Verhandlungen absehbar wird, unterbreitet die Sowjetunion den drei Westalliierten Vorschläge für einen Friedensvertrag mit einem vereinigten, neutralen Deutschland. Die Westmächte reagieren zurückhaltend und mit der Gegenforderung nach gesamtdeutschen freien Wahlen, wovon in der "Stalin-Note" keine Rede war. Doch schon am 9. April räumt Moskau auch diese Möglichkeit ein. Es werden noch weitere Noten gewechselt, und in der Bundesrepublik entsteht darüber eine heftige öffentliche Auseinandersetzung. In Übereinstimmung mit den Westmächten sieht die Bundesregierung in den sowjetische Vorschlägen nur ein Störmanöver, um den Prozeß der Westintegration der Bundesrepublik aufzuhalten. Die Gegenmeinung, für die sich prominente Politiker und Journalisten einsetzen sieht hingegen die vielleicht letzte Chance durch Verzicht auf Wiederbewaffnung und Militärbündnisse die Wiedervereinigung zu erreichen. Entsprechend fordert sie, die Ernsthaftigkeit des sowjetischen Angebotes durch Verhandlungen zu prüfen.
Die kommunistische Propaganda schlachtet diesen Vorfall vielfältig aus. Viezehn Tage später heißt es im "Manifest" des IV. FDJ-Parlaments in Leipzig: "Wir müssen verhindern, daß dem Mord an Philipp Müller der Mord an Hunderttausend junger deutscher Patrioten folgt".
Der KPD-Vorsitzende Max Reimann spricht auf der Beerdigung von Philipp Müller in München |
Unmittelbar vor der Unterzeichnung kommt es noch zu einer Debatte über die sogenannte "Bindungsklausel" des Vertrages, die vorsieht, daß auch ein wiedervereintes Deutschland an das westliche Verteidigungsbündnis gebunden bliebe. Diese - für die Sowjetunion unannehmbare - Bestimmung hatte Bundeskanzler Adenauer schon akzeptiert; durch die erst kurz vor Unterzeichnung aufkommende Diskussion sieht er sich dann zu Nachverhandlungen mit den Alliierten veranlaßt.
Der Ministerrat der DDR erläßt die "Verordnung über Maßnahmen an der Demarkationslinie zwischen der Deutschen Demokratischen Republik und den westlichen Besatzungszonen Deutschlands". Damit wird das Ministerium für Staatssicherheit mit der Kontrolle und verstärkten Bewachung der Grenzen der DDR beauftragt, "um eine weiteres Eindringen von Diversanten, Spionen, Terroristen und Schädlingen" in die DDR zu verhindern; in der Folgezeit kommt es zur Anlage einer 5 km breiten Sperrzone entlang der Demarkationslinie.
Absperrung mit Warnschild an der innerdeutschen Grenze |
Der EVG-Vertrag, hervorgegangen aus dem französischen Pleven-Plan, sieht den Aufbau der französischen Verteidigungsstreitkräfte mit Einschluß eines deutschen Truppenkontingents nach den Grundsätzen der Gleichheit und Integration vor. Er ist an den Deutschlandvertrag gekoppelt. Beide Vertragswerke werden schließlich nicht wirksam, weil die französische Nationalversammlung am 30. August 1945 eine Ratifizierung des EVG-Vertrages mehrheitlich ablehnt.
In Berlin trennen Arbeiter der Ostberliner Postverwaltung die Fernsprechnetze zwischen beiden Teilen der Stadt und zwischen Westberlin und der Sowjetischen Besatzungszone.
Es findet ein Aufmarsch bewaffneter FDJ-Gruppen statt, auf den die KgU in einer Plakataktion mit den Schlagworten wie "Friedenskämpfer?" - "Flintenweiber!" reagiert. In den Beschlüssen vom 1. Juni verpflichtet sich die FDJ, "die deutsche Jugend zum Schutz unserer demokratischen Errungenschaften und zur Verteidigung der Heimat zu organisieren".
FDJ-Mitglieder während des IV. FDJ- Parlaments in Leipzig |
Die Konfernez beschließt die Kollektivierung der Landwirtschaft "auf völlig freiwilliger Grundlage", die Bildung von Produktionsgenossenschaften des Handwerks, die Organisierung bewaffneter Streitkräfte in der DDR sowie - "zur Stärkung der demokratischen Staatsmacht" - Änderungen der Verwaltungsstruktur der DDR. Sie erklärt eine "Verscharfung des Klassenkampfes" sei unvermeidlich; gegen die "Vasallenregierung in Bonn", die rechtssozialdemokratischen Führer und Gewerkschaftsführer wird zum "nationalen Befreiungskampf" aufgerufen. Diese Kampfparolen stehen in einem tendeziellen Widerspruch zu den Friedens- und Vereinigungsangeboten, die nicht erst seit der sowjetischen Deutschlandnote vom 10. März in verschiedener Form von östlicher Seite unterbreitet werden. Die innepolitischen Aufgaben - Schaffung einer regulären Armee, Verwaltungsumbau und Kollektivierung - kosten viel Geld und zwingen die DDR zur "äußersten Ausschöpfung der Ressourcen". Deren Auswirkungen auf den Lebensstandard der Bevölkerung schüren in der Folgezeit Unzufriedenheit und Krisenbewußtsein.
Die Volkskammer wählt am 5. September die Mitglieder der Delegation: Hermann Matern, Otto Nuschke, Dr. Karl Harmann, Heinrich Homann, Ernst Goldenbaum. Die Vorschläge der Volkskammer an den Deutschen Bundestag, die Bundestagspräsident Dr. Hermann Ehlers am 19. September von der fünfköpfigen Delegation übergeben werden, beziehen sich auf zwei "für unser Volk entscheidene Fragen: 1. Die Entsendung von Vertretern der Deutschen Demokratischen Republik und der westdeutschen Bundesrepublik zur Teilnahme an einer Viermächtekonferenz, die eine friedliche Regelung aller Deutschland betreffenden Fragen zum Ziel haben soll, und 2. die Bildung einer deutschen Prüfungskommission für freie gesamtdeutsche Wahlen einschließlich des Beginns ihrer Tätigkeit".
Angeklagt sind vierzehn führende Kommunisten - Spanienkämpfer, Mitglieder des antifaschistischen Widerstandes, Überlebende der Konzentrationslager. Angeblich bildeten sie die "Leitung des staatsfeindlichen Verschörungszentrums mit Rudolf Slansky an der Spitze". Der Prozeß steht im Zusammenahng mit den Säuberungsmaßnahmen, die nach dem Ausschluß Jugeslawiens aus dem KOMINFORM im gesamten Ostblock eingeleitet werden. Schon 1950/51 werden in der DDR 150000 SED-Mitglieder aus der Partei ausgeschlossen; unter den Führungskadern trifft es Paul Merker, Leo Bauer, Willy Kreikemeyer, Lex Ende u.a. Ihnen werden Verbindungen zu dem angeblichen US-Agenten Noel Field vorgeworfen, dem zuvor in Budapest ein Schauprozeß gemacht worden ist. Nach dem Urteil im Slansky-Prozeß zieht das ZK der SED im Dezember 1952 wiederum "Lehren aus dem Prozeß gegen das Verschwörerzentrum Slansky"; es folgen weitere Parteiausschlüsse sowie die Entmachtung von Franz Dahlem, dem einflußreichsten Gegenspieler Ulbrichts in der SED-Führung.