Foucault
zeigt, wie dieses Hinaustreten in ein Außen zu einem Umschlagen der
Bewegung führt. Das Aufbrechen der Annahme, daß ich bin, was
ich denke legt eine Seinsweise des Menschen nahe, in der er auf ihm unbekannte
Weise in dem >wohnt<, was ihm entgeht. Um mit Musil zu sprechen führt
das Erkennen in einem Außen zu der Einsicht, daß der Mensch
nur halb sich selbst gehört, die andre Hälfte ist Ausdruck. *
Und diese Einsicht leitet über zur dritten Formation: Das Cogito
und das Ungedachte. Es ist dies die Frage nach derjenigen Hälfte
des Menschen, um die er zwar weiß, die er aber in einem Außen
immer schon verkannt haben wird. Es taucht auf nahezu notwendige Weise
ein Denken auf, das sich ob dieses Wissens um das Verkennen an das Ungedachte
richten muß. In der Einsicht, daß es dem Ich gerade nicht gelingt,
der ständige Begleiter seiner Gedanken zu sein, wie dies Kant noch
gefordert hatte, tritt neben das Denken das Andere, welches es nun zu denken
gilt. So wird es nicht mehr darum gehen, daß der Mensch sich in einer
Natur oder Geschichte verdoppelt. Diese neuerliche Dopplung betrifft eine
Dualität, einen Zwilling wie Foucault sagt, der in der Einsicht in
das Ungedachte plötzlich neben dem Menschen auftaucht. |
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vgl.: Robert Musil: Der Mann ohne Eigenschaften, Band 2: Aus dem Nachlaß,
Reinbeck 1978, S. 1746. |
In der Folge werden die transzendentale
Phänomenologie Husserls und die Psychoanalyse Freuds ihre Fragen nicht
mehr an ein vorausgesetzt wahres Subjekt stellen. Sie vollziehen damit
eine Umwendung, die einen inneren Horizont des Menschen offenlegt und den
Blick auf ein Unbewußtes und Implizites richtet. Dabei verschiebt
die transzendentale Phänomenologie das Kant'sche >Vor-Sich-Kommen<
hin zu einem >Sich-Vorkommen< als Ausdruck eines inneren Horizonts von
Möglichkeiten; entsprechend wird die Psychoanalyse durch den Traum
das >Sich-Vorkommen< als Ausdruck unendlicher Tiefe zu deuten lernen.
Beide Versuche, das Ungedachte zu denken, kommen jedoch nicht umhin, den
Ausdruck in Beziehung zu setzten zu einem äußeren Horizont -
dieser wird dann entweder mit Welt oder mit Sinn übersetzt werden.
Der Ausdruck, welcher so eigentlich auf das Andere verweisen sollte, wird
nun in derselben Art und Weise, wie dies zuvor dem Zu-Denkenden wiederfuhr,
relational zu einem Außen, einem Doppel gedacht. Der Ausdruck, das
Ausgedrückte verkommt infolge der Inbeziehungssetzung zu einem Außen
zu einer Form. Der sich so in Verhältnissen wiederfindende Ausdruck
erweist sich aufgrund der fruchtbaren Beziehung zu einem gedachten Sinn
gerade nicht mehr als das Andere, das Unbewußte, das An-Sich. "Im
Herzen der Logik des Sinns begegnet man immer wieder diesem Problem, dieser
unbefleckten Empfängnis als Übergang von der Unfruchtbarkeit
zur Genese." ** Das Problem des >Sich-Vorkommens<
wird durch die Phänomenologie Husserls ebenso wie durch die Psychoanalyse
Freuds in der Lösungsform des >Vor-Sich-Kommens< verhandelt. "Noch
grundlegender dringt das moderne Denken vor in jene Richtung, in der das
Andere des Menschen das Gleiche werden muß, das er ist." *** |
**
Gilles Deleuze: Logik des Sinns, Frankfurt a.M. 1993, S. 128.
***
Michel Foucault: a.a.O., S. 396. |
Das Denken nötigt auch in dieser
dritten Formation demjenigen, das es zu denken gilt die Form des Gleichen
auf: "Es läßt sofort das in Bewegung geraten, was es berührt:
es kann das Ungedachte nicht entdecken oder wenigstens in seine Richtung
gehen, ohne es sofort sich selbst anzunähern - [...]." **** |
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Michel Foucault: a.a.O., S. 395. |
Doch wird mit diesem Versuch, das Andere
zu denken, auch deutlich, daß mit jedem mal, in dem das Denken anheben
wird, dieses Andere zu denken, ein neues Anderes, Ungedachtes neben dem
Cogito auftauchen wird. |
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