Exkurs: von was ist das Doppel das Doppel?
Ist es nicht kälter geworden?
Friedrich Nietzsche,
Die fröhliche Wissenschaft
An dieser Stelle angelangt stellt sich die Frage nach dem Original, von dessen Kopie Foucault schreibt, und das ihm allem Anschein nach im Fortgang seiner Analyse aus den Händen geglitten ist. War zumindest zuanfangs der Eindruck entstanden, daß Foucault noch implizit von diesem Original ausgegangen war - die Überschrift des Kapitels spricht deutlich vom Menschen und seinen Doppeln, und auch der Platz des Königs beinhaltete zumindest im Motiv des Spiegels noch so etwas wie ein Aufschimmern dessen, was die Ausführungen vorantrieb - so kündigt sich am Ende der Ausführungen zum Empirischen und Transzendentalen eine Drift an, die den Schreiber nur noch mit seinen beschriebenen Doppeln zurückläßt.
Die Transformation, die sich im Aufbrechen der Repräsentation ereignet, führt gerade nicht >nur< zu einer Verschiebung der Ebenen. Wurde bisher von einem Fall der Repräsentation vom Sein ins Bewußtsein gesprochen, so zeigt sich nun, daß in diesem Bruch auch ein Umstellen von der >Was-Frage< hin zur >Wie-Frage< vollzogen wurde; was wiederum nichts anderes bedeutet, als daß auch das Reflektieren, die Art und Weise der Reflexion sich neu formiert. War diese in der Klassik noch in der Repräsentation aufgehoben und konnte dort ihre Entsprechungen, ihre Verweise auf anderes entfalten, so scheint mit dem Aufbrechen der Repräsentation gerade die Frage nach dem >Was<, also die Frage nach dem, was sich in seinen Entsprechungen und Verweisen wiederfindet, verunmöglicht. Anders ausgedrückt: "Vernunftgemäße Umwandlung der Natur bedeutet, daß die Reflexion das >sich< zum Verschwinden bringt, d.h.: Die Reflexion kehrt sich gegen die Reflexivität. Diese Feststellung ist mehr als ein Wortspiel. Es tritt darin ein Widerspruch zutage, der am Ende auf die Selbstaufhebung der Reflexion hinausläuft." *
* Marianne Gronemeyer: Das Leben als letzte Gelegenheit. Sicherheitsbedürfnisse und Zeitknappheit, Darmstadt 1996, S. 43.
Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt der Philosoph Thomas Metzinger in seiner Schrift zur Frage, ob man eine naturalistische Perspektive auf die Subjektivität des Mentalen einnehmen kann. Anhand der drei großen Problemfelder, die sich aus dieser Frage ergeben - das Problem der Qualia, das Problem des Bewußtseins und das des phänomenalen Selbst - schlägt Metzinger Lösungsversuche vor, die sich an einem naturalistischen Modell der Philosophie des Geistes orientieren. So siedelt er in einer "genetisch determinierten Neuromatrix" (Metzinger) eine Meta-Repräsentation an, der die Grundlage der Erzeugung der oben genannten Phänomene verantwortet wird. Dieses Raster generiert so ein Selbst, ein Bewußtsein und die essentiellen Gehalte einzelner Empfindungen, wie z.B. dasjenige der Farbe Rot, ohne daß die Genese selbst noch einmal mitrepräsentiert wird, bewußt wird.
Die Abbildungserzeugung bleibt so unbewußt, und zwar deshalb, weil Metzinger hier einen zeitlichen Auflösungsgrad für die Meta-Repräsentation annimmt, der eben einfach zu schnell ist, um noch bemerkt zu werden. "Sie [die metarepräsentierende Funktion, J.W.] würde durch reflexive Operationen auf bestimmten inneren Zuständen höherstufige Repräsentate erzeugen, die selbst unbewußt bleiben, aber ihrem Gehalt die fragliche Qualität verleihen." ** Das erlebte Gefühl, das Bewußtsein und meine erlebte Identität werden so als Ausformungen eines nervösen Netzwerks beschreibbar und zumindest potentiell auch verortbar. Doch Ausformungen von was? In dem Versuch, ein naturalistisches Modell zur Beschreibung einer mentalen Subjektivität zu finden, wird der Ausgangspunkt zur Illusion - Qualia, Bewußtsein und das Selbst geraten zu einer Fiktion durch den Umstand, daß das Raster, das die Homogenität dieser Erfahrungen garantiert, sich dem einzelnen nicht als Modell darstellt, nicht als Modell bewußt wird.
** Thomas Metzinger: Niemand sein. Kann man eine naturalistische Perspektive auf die Subjektivität des Mentalen einnehmen?, in: S. Krämer (Hg.): Bewußtsein. Philosophische Beiträge, Frankfurt a.M. 1996, S. 146.
Metzinger beschließt dann auch seinen Artikel mit der Aufforderung: Was es zu erklären gälte ist, wie "[die, J.W.] Entstehung einer unhintergehbaren Ich-Illusion, die im Grunde gar keine ist, weil sie niemandes Illusion ist" *** zustandekommt. *** Thomas Metzinger: a.a.O., S. 153.

Das Durcharbeiten und Sich-Abarbeiten, das hier von Michel Foucault vorgeführt wird, läßt sich wohl mit der Situation desjenigen Forschers vergleichen, der am Strand eine ihm unbekannte Spur erkundet. Nach dem Durchspielen der ihm sämtlichst zur Verfügung ste-henden Verfahren und dem Anwenden jeglicher vorhandener Mittel muß er sich eingestehen, daß es sich um seinen eigenen Fußabdruck handelt.