An dieser
Stelle angelangt stellt sich die Frage nach dem Original, von dessen Kopie
Foucault schreibt, und das ihm allem Anschein nach im Fortgang seiner Analyse
aus den Händen geglitten ist. War zumindest zuanfangs der Eindruck
entstanden, daß Foucault noch implizit von diesem Original ausgegangen
war - die Überschrift des Kapitels spricht deutlich vom Menschen
und seinen Doppeln, und auch der Platz des Königs beinhaltete
zumindest im Motiv des Spiegels noch so etwas wie ein Aufschimmern dessen,
was die Ausführungen vorantrieb - so kündigt sich am Ende der
Ausführungen zum Empirischen und Transzendentalen eine Drift
an, die den Schreiber nur noch mit seinen beschriebenen Doppeln zurückläßt.
Die Transformation,
die sich im Aufbrechen der Repräsentation ereignet, führt gerade
nicht >nur< zu einer Verschiebung der Ebenen. Wurde bisher von einem
Fall der Repräsentation vom Sein ins Bewußtsein gesprochen,
so zeigt sich nun, daß in diesem Bruch auch ein Umstellen von der
>Was-Frage< hin zur >Wie-Frage< vollzogen wurde; was wiederum nichts
anderes bedeutet, als daß auch das Reflektieren, die Art und Weise
der Reflexion sich neu formiert. War diese in der Klassik noch in der Repräsentation
aufgehoben und konnte dort ihre Entsprechungen, ihre Verweise auf anderes
entfalten, so scheint mit dem Aufbrechen der Repräsentation gerade
die Frage nach dem >Was<, also die Frage nach dem, was sich in seinen
Entsprechungen und Verweisen wiederfindet, verunmöglicht. Anders ausgedrückt:
"Vernunftgemäße Umwandlung der Natur bedeutet, daß die
Reflexion das >sich< zum Verschwinden bringt, d.h.: Die Reflexion kehrt
sich gegen die Reflexivität. Diese Feststellung ist mehr als ein Wortspiel.
Es tritt darin ein Widerspruch zutage, der am Ende auf die Selbstaufhebung
der Reflexion hinausläuft." * |
*
Marianne Gronemeyer: Das Leben als letzte Gelegenheit. Sicherheitsbedürfnisse
und Zeitknappheit, Darmstadt 1996, S. 43. |
Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt
der Philosoph Thomas Metzinger in seiner Schrift zur Frage, ob man eine
naturalistische Perspektive auf die Subjektivität des Mentalen einnehmen
kann. Anhand der drei großen Problemfelder, die sich aus dieser Frage
ergeben - das Problem der Qualia, das Problem des Bewußtseins und
das des phänomenalen Selbst - schlägt Metzinger Lösungsversuche
vor, die sich an einem naturalistischen Modell der Philosophie des Geistes
orientieren. So siedelt er in einer "genetisch determinierten Neuromatrix"
(Metzinger) eine Meta-Repräsentation an, der die Grundlage der Erzeugung
der oben genannten Phänomene verantwortet wird. Dieses Raster generiert
so ein Selbst, ein Bewußtsein und die essentiellen Gehalte einzelner
Empfindungen, wie z.B. dasjenige der Farbe Rot, ohne daß die Genese
selbst noch einmal mitrepräsentiert wird, bewußt wird.
Die Abbildungserzeugung bleibt so unbewußt,
und zwar deshalb, weil Metzinger hier einen zeitlichen Auflösungsgrad
für die Meta-Repräsentation annimmt, der eben einfach zu schnell
ist, um noch bemerkt zu werden. "Sie [die metarepräsentierende Funktion,
J.W.] würde durch reflexive Operationen auf bestimmten inneren
Zuständen höherstufige Repräsentate erzeugen, die selbst
unbewußt bleiben, aber ihrem Gehalt die fragliche Qualität verleihen."
**
Das erlebte Gefühl, das Bewußtsein und meine erlebte Identität
werden so als Ausformungen eines nervösen Netzwerks beschreibbar und
zumindest potentiell auch verortbar. Doch Ausformungen von was? In dem
Versuch, ein naturalistisches Modell zur Beschreibung einer mentalen Subjektivität
zu finden, wird der Ausgangspunkt zur Illusion - Qualia, Bewußtsein
und das Selbst geraten zu einer Fiktion durch den Umstand, daß das
Raster, das die Homogenität dieser Erfahrungen garantiert, sich dem
einzelnen nicht als Modell darstellt, nicht als Modell bewußt wird. |
**
Thomas Metzinger: Niemand sein. Kann man eine naturalistische Perspektive
auf die Subjektivität des Mentalen einnehmen?, in: S. Krämer
(Hg.): Bewußtsein. Philosophische Beiträge, Frankfurt a.M. 1996,
S. 146. |
Metzinger beschließt dann auch seinen
Artikel mit der Aufforderung: Was es zu erklären gälte ist, wie
"[die, J.W.] Entstehung einer unhintergehbaren Ich-Illusion, die im Grunde
gar keine ist, weil sie niemandes Illusion ist" ***
zustandekommt. |
***
Thomas Metzinger: a.a.O., S. 153. |
Das Durcharbeiten und Sich-Abarbeiten,
das hier von Michel Foucault vorgeführt wird, läßt sich
wohl mit der Situation desjenigen Forschers vergleichen, der am Strand
eine ihm unbekannte Spur erkundet. Nach dem Durchspielen der ihm sämtlichst
zur Verfügung ste-henden Verfahren und dem Anwenden jeglicher vorhandener
Mittel muß er sich eingestehen, daß es sich um seinen eigenen
Fußabdruck handelt. |
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