Bebildertes Stichwort-Manuskript zum Vorlesungsteil 1:
Grundlagen und Prinzipien der Historischen Geologie

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von Reinhold Leinfelder, LMU

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Allgemeines und Literatur | Geol. Prinzipien | Ablagerungsräume | Atmosphäre, Klima, Strömungen | Biotopmechanismen | Plattentektonik | Litho-/Sequenzstratigraphie | Radiometrie und Varia | Biostratigraphie und Evolution | Geol. Zeittafel


1.6 Stratigraphie und Geochronometrie

1.6.1 Klassische Lithographie (formale Klassifikation, Geometriestile)

Definiert und formalisiert in:

Hedberg, H.D. (ed.)(1976); International stratigraphic guide: a guide to stratigraphical classification, terminology and procedure.- International Subcommission of Stratigraphic Nomenclatur, New York (inzwischen weitere Auflagen).

Gruppe

Formation (Fm, fm): über größere Entfernung kartierbare Einheit

Formationsglied (Member, Mb, mb): Glied

(Zunge, Linse)

Bank (Schicht)

Schichten bzw. Schichtglied wird teils synonym mit Formation, teils mit Member verwendet.

Lithostratigraphische Einheiten benötigen in der Regel Lokalität als Namen (Lokalität des Typusprofils), eingeführte Namen können jedoch beibehalten werden. Namen sind mit Bindestrich zu trennen, z.B. :

aber Aptychenschichten!

Klassische lithostratigraphische Korrelation besteht aus der Korrelation vergleichbarer Gesteine, damit ist nichts über deren Zeiteinteilung bzw. evtl. heterochrone Ausbildung ausgesagt. Eine Formation kann insgesamt nur eine Zeit repräsentieren oder aber mit benachbarten Formationen zeitgleich sein. Siehe nachfolgende Beispiele:

Oben: Lithostratigraphische Korrelation gleicherLithologie in Schwarz, diese kann sehr heterochron sein, vgl. unten: Plausibles Ablagerungsmodell für obige Abfolgen.

ebenfalls möglich: Retrogradation


1.6.2 Geochronometrie und Chronostratigraphie

1.6.2.1 Begriffsklärung:

Formale Einheiten:

Chronostratigraphie
(isochrone Sedimentgliederung)
Geochronometrie
(Zeitgliederung, "Datumsvergabe")
Beispiel 1 Beispiel 2
Äonothem Äon Phanerozoikum Phanerozoikum
Ärathem Ära Mesozoikum Mesozoikum
System (Basiseinheit) Periode (Basiseinheit) Jura Kreide
Serie Epoche Unterer Jura
(Lower Jurassic)
Obere Kreide
(Late Cretaceous)
Stufe (Stage) Alter Hettangium Campanium
Chronozone (kann z.B. eine oder mehrere Biozonen umfassen) Chron Psiloceras planorbis-Chronozone bzw. Chron Orbitoides tissoti-Chronozone bzw. Chron

Serien werden im Englischen in Lower, ggf. Middle, und Upper unterteilt

Epochen werden im Englischen in Early, ggf. Mid- und Late unterteilt.

Im deutschen Sprachgebrauch wird meist für beides Unterer, Mittlerer, Oberer (z.B.) Jura verwendet, obwohl man eigentlich zwischen Unterer, Mittlerer, Oberer (Chronostratigraphie) und Früher, Mittlerer, Später (Geochronometrie) unterscheiden sollte. Derzeit wird dies eigentlich nur im schweizer Sprachgebrauch einigermaßen konsequent umgesetzt.

Veranschaulichung:

In der Juraperiode lagerte sich in Süddeutschland das Jurasystem ab. In der Kreideperiode gab es kein Kreidesystem in SW-Deutschland (die Kreidezeit fand natürlich dennoch statt ;-)

1.6.2.2 Eventstratigraphie

Isochrone Gliederungsmöglichkeit durch plötzliche, in der Regel kurzfristige Ereignisse, welche Ausdruck in den Gesteinsablagerungen finden, wie z.B.:



1.6.2.3 Seismische Stratigraphie / Sequenzstratigraphie

Annahme: +/- regelmäßige globale (oder regionale) Meeresspiegelschwankungen als "Pulsgeber". Unklar ist noch, wie regelmäßig dieser Pulsgeber ist. Es gibt Zyklen verschiedenster Ordnung, d.h. verschiedenster Zeitskalen.

Ursachen:

Global:

Regional: vor allem:

Prinzip:


zu Abb. oben: bei sequenzstratigraphischer Korrelation werden unterschiedliche, sich lateral abwechselnde Ablagerungssysteme zu sog. Systemzügen verbunden (vgl. Text weiter oben)

Zu Abb. oben: Systemzüge wechseln sich vertikal, teilweise auch sublateral in vorhersagbaren Geometrien ab. So gibt es eine onlap-Geometrie von TST auf SB, eine Downlap-Situation von HST auf TST und z.T. eine aggradative toplap bzw. eine progradative offlap-Situation am Top von HST.


zu Abb. Oben: vereinfachte Erklärung der Rekonstruktion einer Meeresspiegelkurve. Depositonelle Sequenzen sind hier vereinfacht (d.h. nur mit ihrem progradierenden Anteil) dargestellt. Blau ist der marine Anteil, rot der terrestrische, in etwa auf Base-Level-Niveau (d.h. meist NN) aufgeschotterte Bereich. Zahlen entsprechen Zeitlinien.
Sequenz A läuft von Zeit 0-4. Der Meeresspiegel und das aufsedimentiere Niveau lagen dann auf Höhe der grünen Linie, ist also von Zeit 0 bis Zeit 4 um die Höhe des grünen Pfeils t1 gestiegen (Progradationsrichtung durch dünne grüne Küstenlinie angezeigt.
Nach Zeit 4 fiel der Meeresspiegel um den Betrag des großen violetten Pfeils f1. Dadurch wurde stark erodiert und die Sequenzgrenze (rot) räumt die Schichten der Zeit 2-4 überwiegend wieder ab. Bei Zeit 4 liegt der Küstenpunkt an der Spitze des dicken violetten Pfeils.
Ein weiterer Meeresspiegelanstieg zwischen Zeit 5 und 7 führt zu weiterem progradierenden Vorbau. Der Meeresspiegel stieg um den Betrag t2. Ein kleiner Meerespiegelfall (kleiner violetter Pfeil f2) fand zwischen Zeit 7 und Zeit 8 statt und produzierte eine weitere, diesmal wenig erosive Sequenzgrenze
Danach erfolgte wieder ein rascher Meeresspiegelanstieg (t3), der von Zeit 8-13 überwiegend aggradative Sedimentstapelung danach wieder progradierende Stapelung hervorrief. (Bild ist nach rechts abgeschnitten).

Die so abgelesenen Beträge für Meeresspiegelanstieg (grüne Pfeile) und -abfall (violette Pfeile) können gegeneinander auf einer Zeitskala aufgetragen werden und ergeben die typische Sägezahnkurven für Meeresspiegelschwankungen (aufgrund der angenommenen Vereinfachungen). Sie müssen noch geglättet werden und ergeben dann jeweils Kurven der relativen Meerespiegelschwankungen in einem Profilschnitt.

Literatur:

Wilgus, C.K. et al. (eds) (1988): Sea-level changes: an integrated approach.- SEPM, Sp.P. , 42, Tulsa.

Graciansky et al. (eds) (1998): Mesozoic and Cenozoic Stratigraphy of European Basins.- SEPM, Sp.P, 60, Tulsa.


1.6.2.4 weitere chronostratigraphische Methoden

Warvenchronologie: Bändertone, Seetone, mit 0,5-5 mm-Bänderung. Insbesondere (aber nicht ausschließlich) in Gletscherrandseen.

In Schweden z.T. bis 80.000 Jahre zurück. z.T. mit Pollenbiostratigraphie.

Dendrochronologie: Verwendung von Jahresringen von Bäumen.

Löss-Stratigraphie: Löss während Kaltzeiten aus Moränen ausgeblasen. Kalkreicher Quarzstaub, in Warmzeiten oft Bodenbildungen, damit Stratigraphie möglich.

Flussterrassen-Stratigraphie:

Zoochronographie / Sclerochronologie:

bei Korallen meist jährliche Anwachsringe (v.a. durch Zooxanthellen wegen unterschiedlich starkem Lichteinfalls während Trocken- und Regenzeit und dadurch bedingtem unterschiedlichen Wachstumsmuster). Da auch Wassertemperaturen und andere Parameter (z.B. durch Isotopen) rekonstruierbar sind, wichtig für Klimaforschung (z.B. El-Niño-Zyklen).

Z.T. sogar Jahresanwachsringe erkenntlich; dies insbesondere bei paläozoischen Korallen. Dort auch Mondphasen und Sommer/Winter unterscheidbar. Daraus ableitbar: Devon bzw. Karbon: Jahreslänge 400 bzw. 385 Tage. => Abnahme der Erdrotation.

Chemische Zoochronographie: FUN-Methode: Fluor-Uran-Stickstoff

Im Wasser liegende Knochen reichern Fluor und Uran an, geben aber Stickstoff ab. dadurch z.T. Altersabschätzung für Pleistozän und Holozän möglich.


1.6.2.5 Radiometrische Altersbestimmung

Inzwischen unverzichtbar, erfordert jedoch genaue Fehlerabschätzung.

Prinzipien:

Fehlerabschätzung:

Direkte Altersdatierung von Organismen:

Absolute Altersdatierung von Sedimenten:

  1. Datierung von Intrusionen oder Gängen innerhalb von Sedimenten -> Minimumalter der Sedimente
  2. Intrusion gekappt von Erosionsfläche, darüber Sediment: -> Maximalalter der Erosion
  3. Datierung von vulkanischen Aschelagen: beste Methode
  4. Datierung authigener Minerale, z.B. Glaukonit. Zum Teil großer Fehler (s.o., Argon-Problem).

-> kein Ersetzen der Biostratigraphie, ermöglicht jedoch absolute Eichpunkte. Dazwischen kann durch Biostratigraphie weiter unterteilt werden und ggf. absolut interpoliert werden.


1.6.2.6 Magnetostratigraphie

vgl. Beiblatt 3.

Remanenter Magnetismus: Fe-Oxide richten sich bei Sedimentation oder in Schmelze nach Erdfeld aus.

Magnetische Reversals:


1.6.2.7 Strontium-Stratigraphie

vgl. Beiblatt

Empirische Kurve. Strontium wird in Organismen eingebaut, Gerichteter Verlauf der SR 87/86-Verhältnisse (kontinuierliche Zunahme wegen Rubidium-Zerfalls, welcher Sr87 ergibt. Verhältnisse zeitspezifisch, gut etabliert seit Miozän, auch bereits für frühere Zeitabschnitte angewandt.


1.6.2.8 Biostratigraphie

Brainstorming: welche Organismen eignen sich gut für Biostratigraphie? Im flachmarinen, in der Hochsee, im tropischen, im kühlen, auf dem Festland? Welche zu welcher Zeit (näheres dann in späteren Kapiteln)

Basiseinheit: Biozone. Mehrere Biozonen können zu einer Chronozone zusammengefasst sein. Eine Chronozone stellt auch die Korrelation zeitgleicher Biozonen bzw. Biozonen-Gruppen aus verschiedenen Faziesbereichen dar.

Typen:


Grundlage der Biostratigraphie: Evolution und Aussterben

Konzepte / Theorien:

Links: Die "Big Five" und andere Aussterbeereignise in der Erdgeschichte. Weitere Abbildungen hierzu siehe SW-Pdf-Skript.

Evolutive Trends:

Konvergenz: z.B. Beuteltiere (Australien und z.T. Südamerika, später z.T. in Nordamerika eingewandert ; in Australien seit Känozoikum isoliert) und Placentatiere;

Konvergenzbeispiel zwischen Wolf (Placenta-Tier) und Tasmanischem Beutelwolf. Aus Stanley.

>> weitere Beispiele

vgl. Beiblatt 7

Iterative Evolution: Mehrfach ähnliche Abzweigungen aus einer Stammgruppe (z.B. bei Globigerinen). ergibt Probleme für Biostratigraphie, da zu unterschiedlichen Zeiten sehr ähnliche Formen auftreten, dazwischen jedoch ggf. Lücken sind.

Co-Evolution: Organismen, welche in Symbiose oder sonstiger enger Wechselbeziehung stehen, entwickeln sich gemeinsam weiter; z.B. Anpassung spezieller Blütenpflanzen an spezielle Bestäuber (z.B. Kolibris, Fledermäuse) und umgekehrt.

Cope'sche Regel: Innerhalb einer Gruppe erfolgt mit der Zeit häufig eine Zunahme der Spezialisierung, welche mit einer Zunahme der Körpergröße einhergeht. Vorteile von besonderer Größe, z.B.:


1.6.2.9 Geologische Zeittafel

 Bausteine der Geologischen Zeittafel sind die Biozonen welche z.T. zu Chronozonen zusammengefasst bzw. lateral korreliert werden. Wichtig sind auch magnetische Polaritätszonen. Eichpunkte werden durch Radiometrie gesetzt.

Vgl. SW-Beiblatt 9

Stratigraphische Tabelle des Phanerozoikums (mit Passwort).

Detaillierte Stratigraphische Tabellen mit Meeresspiegelverlauf, Polaritätszonen, absoluten Altern, Chronozonen (mit Passwort).

Einige ungefähre absolute Alter, die man sich vielleicht merken könnte.

oder die "Hunderter":

oder die "Milliarden":

Näheres hierzu in den nachfolgenden Kapiteln.


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