Bebildertes Stichwort-Manuskript zum Vorlesungsteil 1:
Grundlagen und Prinzipien der Historischen Geologie
(Seite 3 von 3)
von Reinhold Leinfelder, LMU
1.6 Stratigraphie und Geochronometrie
1.6.1 Klassische Lithographie (formale Klassifikation, Geometriestile)
Definiert und formalisiert in:
Hedberg, H.D. (ed.)(1976); International stratigraphic guide: a guide to stratigraphical classification, terminology and procedure.- International Subcommission of Stratigraphic Nomenclatur, New York (inzwischen weitere Auflagen).
Gruppe
Formation (Fm, fm): über größere Entfernung kartierbare Einheit
Formationsglied (Member, Mb, mb): Glied
(Zunge, Linse)
Bank (Schicht)
Schichten bzw. Schichtglied wird teils synonym mit Formation, teils mit Member verwendet.
Lithostratigraphische Einheiten benötigen in der Regel Lokalität als Namen (Lokalität des Typusprofils), eingeführte Namen können jedoch beibehalten werden. Namen sind mit Bindestrich zu trennen, z.B. :
- Partnach-Schichten
- Wetterstein-Kalk
- Aptychen-Schichten
aber Aptychenschichten!
- Aptychen-Schichten: eine definierte Formation im Oberjura der Nördlichen Kalkalpen
- Aptychenschichten: eine reine Faziesbeschreibung, Schichten mit Aptychen, können anderes Alter haben und an anderen Lokalitäten vorkommen.
Klassische lithostratigraphische Korrelation besteht aus der Korrelation vergleichbarer Gesteine, damit ist nichts über deren Zeiteinteilung bzw. evtl. heterochrone Ausbildung ausgesagt. Eine Formation kann insgesamt nur eine Zeit repräsentieren oder aber mit benachbarten Formationen zeitgleich sein. Siehe nachfolgende Beispiele:
Oben: Lithostratigraphische Korrelation gleicherLithologie in Schwarz, diese kann sehr heterochron sein, vgl. unten: Plausibles Ablagerungsmodell für obige Abfolgen.
ebenfalls möglich: Retrogradation
1.6.2 Geochronometrie und Chronostratigraphie
1.6.2.1 Begriffsklärung:
- Chronostratigratigraphie bezieht sich auf Gesteine -> Aufbau einer standardisierten zeitlichen Chronologie der Schichtenfolge
- Geochronometrie (manchmal auch Geochronologie genannt) bezieht sich auf das Zeitkontinuum, misst also die Zeit (egal ob z.B. Gesteine zu dieser Zeit abgelagert wurden oder nicht).
Formale Einheiten:
Chronostratigraphie
(isochrone Sedimentgliederung) |
Geochronometrie
(Zeitgliederung, "Datumsvergabe") |
Beispiel 1 |
Beispiel 2 |
Äonothem |
Äon |
Phanerozoikum |
Phanerozoikum |
Ärathem |
Ära |
Mesozoikum |
Mesozoikum |
System (Basiseinheit) |
Periode (Basiseinheit) |
Jura |
Kreide |
Serie |
Epoche |
Unterer Jura
(Lower Jurassic)
|
Obere Kreide
(Late Cretaceous)
|
Stufe (Stage) |
Alter |
Hettangium |
Campanium |
Chronozone (kann z.B. eine oder mehrere Biozonen umfassen) |
Chron |
Psiloceras planorbis-Chronozone bzw. Chron |
Orbitoides tissoti-Chronozone bzw. Chron |
Serien werden im Englischen in Lower, ggf. Middle, und Upper unterteilt
Epochen werden im Englischen in Early, ggf. Mid- und Late unterteilt.
Im deutschen Sprachgebrauch wird meist für beides Unterer, Mittlerer, Oberer (z.B.) Jura verwendet, obwohl man eigentlich zwischen Unterer, Mittlerer, Oberer (Chronostratigraphie) und Früher, Mittlerer, Später (Geochronometrie) unterscheiden sollte. Derzeit wird dies eigentlich nur im schweizer Sprachgebrauch einigermaßen konsequent umgesetzt.
Veranschaulichung:
In der Juraperiode lagerte sich in Süddeutschland das Jurasystem ab. In der Kreideperiode gab es kein Kreidesystem in SW-Deutschland (die Kreidezeit fand natürlich dennoch statt ;-)
1.6.2.2 Eventstratigraphie
Isochrone Gliederungsmöglichkeit durch plötzliche, in der Regel kurzfristige Ereignisse, welche Ausdruck in den Gesteinsablagerungen finden, wie z.B.:
- Tempestite. Wichtig in Flachmeeren, z.B. Gliederung im Oberen Muschelkalk (siehe Trias-Kapitel)
- Turbidite; in tiefen Becken, z.B. teilweise Turbiditgliederung im Rhenodanubischen Flysch (Alpennordrand) oder im Flysch des Appennin.
- Aschelagen von Vulkanausbrüchen
- globale Anreicherung bestimmter Elemente (z.B. Iridium), die auf ein kurzfristiges Ereignis (Meteoriteneinschlag) zurückgeführt werden.
- auch: Tschernobyl-Lage (Cäsium-Anreicherung)
Manchmal auch als Eventlagen interpretierbar (wenn geologischer Kontext klar ist).
- Regionale Bodenbildungslagen; z.B. Oberer Buntsandstein (Violette Lagen)
- dünne, weit aushaltende Evaporitlagen (kurze Abschnürung betrifft Gesamtbecken; progradierende Sabkha-Flächen müssen aber ausgeschlossen werden)
- dünne weit aushaltende Schwarzschieferlagen (z.B. ökologisches"Umkippen" eines gesamten Meeresbereiches)
- weit aushaltende Onkolithbänke (oft an vorübergehende regionale Reduktion der Sedimentationsrate gebunden)
- zu Warven siehe weiter unten.
- auch: korrelierbare Transgressionsspitzen aus unterschiedlichen Faziesbereichen (Folie 5).
hierbei wichtig: Re/Transgression ist nicht automatisch mit Meeresspiegelschwankung gleichzusetzen (siehe Folie 5).
1.6.2.3 Seismische Stratigraphie / Sequenzstratigraphie
Annahme: +/- regelmäßige globale (oder regionale) Meeresspiegelschwankungen als "Pulsgeber". Unklar ist noch, wie regelmäßig dieser Pulsgeber ist. Es gibt Zyklen verschiedenster Ordnung, d.h. verschiedenster Zeitskalen.
Ursachen:
Global:
- Glazioeustatik: v.a durch Klimaänderungen ausgelöst, dadurch unterschiedlicher Eishaushalt. Klimaänderungen wegen Plattenrekonstellation, Milankovitch-Schwankungen etc. (-> siehe auch Kapitel Känozoikum).
- Thermische Ausdehnung ("Thermoeustatik"): wie oben durch Klimaschwankungen, jedoch allein durch thermische Ausdehnung des Meerwassers bedingt, kann etliche Meter ausmachen.
- Tektonoeustatik:
- Produktivitätsänderung bei Spreading Raten (unterschiedliche Volumen der Mittelozeanischen Rücken) führt zu niederfrequenten Meeresspiegelschwankungen (z.B. erster und zweiter Ordnung).
- Intraplate Stress (Plattenbewegungen sowie Sedimentauflast führen auch intern zu starken lateralen und vertikalen "Verspannungen" welche das Volumen der Ozeane verändern können; Entspannungen können oft auch ruckartig sein. Im Prinzip ist jedes Erdbeben, welches sich nicht an Plattenrändern ereignet, der Ausdruck einer lokalen Intraplate-Stress-Entlastung. Diese Phänomäne können sich positiv oder negativ potenzieren (z.B. großflächige Änderung ds Stressfelds, d.h. der Plattenverbiegung nähe Kontinentalrand) und so zu regionalen, aber auch globalen, höherfrequenten Meeresspiegelschwankungen führen.
Regional: vor allem:
- Tektonik (siehe auch Intraplate-Stress oben)
- Abtragungsdynamik
- z.T. lokales Klima (welches z.B. zu Eindampfungen geschlossener Becken führt und so die Nullpotenzial-Linie ändert, dies können Seespiegelschwankungen oder isolierte Binnenmeeresspiegelschwankungen sein).
Prinzip:
- Bei angenommener gleichmäßiger Subsidenz und angenommenen annähernd periodischen Meeresspiegelschwankungen ändert sich das Akkomodationspotenzial in der Zeit regelmäßig. Zeiten mit raschem "Platzgewinn" ("Transgressiv") wechseln mit Zeiten von stabilem sehr langsamen Platzgewinn oder Verlust (Hochstand bzw. später Tiefstand) und Zeiten raschen Platzverlust (Sequenzgrenze, früher Tiefstand )
zu Abb. oben: A1: Akkomodationspotential während Hochstand. A1- Reduzierung des Akkomod.potenzials während nachfolgendem Tiefstand. Ist der Verlust durch den Meeresspiegelabfall höher als der Zugewinn durch die angenommene konstante Beckensubsidenz kommt es zu Trockenfallen und subaerischer Erosion.
Im darauffolgenden Meeresspiegelanstieg kommt es wiederum zum Zuwachs des Akkomodationspotenzials. Dieses setzt sich zusammen aus dem Anteil der Beckensubsidenz (A2sub) und Meeresspiegelanstiegs (A2tr)
- während eines bestimmten Meeresspiegelzustands kommen verschiedene Ablagerungssysteme von proximal (landwärts) zu distal (landfern) nebeneinander vor. Bei seqenzstratigraphischen Korrelationen werden also bewusst "Äpfel" mit "Birnen" korreliert, jedoch in einer modellhaften, vorhersagbaren Weise. Beispiele (von Proximal nach -> distal):
- Sequenzgrenze (Sequence Boundary, SB): Abtragung, Erosion, Canyonbildung -> bypassing auf Schelf -> Tiefseefächer mit Turbiditen (Tiefstand-Systemzug, Lowstand Systems Tract)
- rasch transgressiv: Ästuare (Sedimentfallensituation) -> geringmächte Schelfablagerungen -> Kondensationen im tieferen Schelf und Tiefwasser : Transgressiver Systemzug, Transgressive Systems Tract.
- Hochstand; relativ stabiler Meeresspiegel (Sedimentfallensituation fällt deshalb weg). Progradierende Deltasysteme - Prodeltaablagerungen auf Schelf - normale Tiefwassersedimentation mit eher erhöhten Mächtigkeiten.
zu Abb. oben: bei sequenzstratigraphischer Korrelation werden unterschiedliche, sich lateral abwechselnde Ablagerungssysteme zu sog. Systemzügen verbunden (vgl. Text weiter oben)
- Die einzelnen Systemzüge werden in vorhersagbaren Geometrien aufeinandergestapelt (z.B. retrogradierender onlap von TST auf LST, downlap von HST auf LST, offlap von spätem HST.
- Die Systemzüge eines Meeresspiegelzyklusses werden zu einer Depositionellen Sequenz zusammengefasst. Einzelne Systemzugteile können v.a. im proximalen Bereich fehlen (dort liegt wegen fehlender Akkomodation meist TST direkt auf SB).
Zu Abb. oben: Systemzüge wechseln sich vertikal, teilweise auch sublateral in vorhersagbaren Geometrien ab. So gibt es eine onlap-Geometrie von TST auf SB, eine Downlap-Situation von HST auf TST und z.T. eine aggradative toplap bzw. eine progradative offlap-Situation am Top von HST.
- Damit sind Systemezüge zeitgleiche, genetisch verbundene, lateral aufeinanderfolgende, modellhaft vorhersagbare dynamische Ablagerungssysteme. Verschiedene, vertikal aufeinander folgende Systemzüge sind ebenfalls genetisch verbunden und modellhaft vorhersagbar. Insgesamt wird damit eine modellhafte Korrelation von Sedimentabfolgen möglich.
- Isochron bzw. annähernd isochron sind:
- seismische Reflektoren, Bankfugen
- Basis und Top transgressiver Systemzüge
- Sequenzgrenzen
- Bei Vorhandensein einer auch nur teilweisen Biostratigraphie ist diese auf andere Bereiche lateral extrapolierbar; auch weitere relative Zeitlinien können zwischen den biostratigraphischen Eichpunkten gezogen werden.
- Auch die Rekonstruktion einer chronostratigraphischen Karte ist damit möglich (siehe Abb. im Skript).
- Ebenfalls möglich ist die Rekonstruktion der relativen Meeresspiegelschwankungen in einer Region (siehe nachfolgende Abb.).
zu Abb. Oben: vereinfachte Erklärung der Rekonstruktion einer Meeresspiegelkurve. Depositonelle Sequenzen sind hier vereinfacht (d.h. nur mit ihrem progradierenden Anteil) dargestellt. Blau ist der marine Anteil, rot der terrestrische, in etwa auf Base-Level-Niveau (d.h. meist NN) aufgeschotterte Bereich. Zahlen entsprechen Zeitlinien.
Sequenz A läuft von Zeit 0-4. Der Meeresspiegel und das aufsedimentiere Niveau lagen dann auf Höhe der grünen Linie, ist also von Zeit 0 bis Zeit 4 um die Höhe des grünen Pfeils t1 gestiegen (Progradationsrichtung durch dünne grüne Küstenlinie angezeigt.
Nach Zeit 4 fiel der Meeresspiegel um den Betrag des großen violetten Pfeils f1. Dadurch wurde stark erodiert und die Sequenzgrenze (rot) räumt die Schichten der Zeit 2-4 überwiegend wieder ab. Bei Zeit 4 liegt der Küstenpunkt an der Spitze des dicken violetten Pfeils.
Ein weiterer Meeresspiegelanstieg zwischen Zeit 5 und 7 führt zu weiterem progradierenden Vorbau. Der Meeresspiegel stieg um den Betrag t2. Ein kleiner Meerespiegelfall (kleiner violetter Pfeil f2) fand zwischen Zeit 7 und Zeit 8 statt und produzierte eine weitere, diesmal wenig erosive Sequenzgrenze
Danach erfolgte wieder ein rascher Meeresspiegelanstieg (t3), der von Zeit 8-13 überwiegend aggradative Sedimentstapelung danach wieder progradierende Stapelung hervorrief. (Bild ist nach rechts abgeschnitten).
Die so abgelesenen Beträge für Meeresspiegelanstieg (grüne Pfeile) und -abfall (violette Pfeile) können gegeneinander auf einer Zeitskala aufgetragen werden und ergeben die typische Sägezahnkurven für Meeresspiegelschwankungen (aufgrund der angenommenen Vereinfachungen). Sie müssen noch geglättet werden und ergeben dann jeweils Kurven der relativen Meerespiegelschwankungen in einem Profilschnitt.
- Weltweite Kompilationen erlauben die Rekonstruktion einer globalen Meeresspiegelkurve (Vail-Chart und Nachfolger).
Literatur:
Wilgus, C.K. et al. (eds) (1988): Sea-level changes: an integrated approach.- SEPM, Sp.P. , 42, Tulsa.
Graciansky et al. (eds) (1998): Mesozoic and Cenozoic Stratigraphy of European Basins.- SEPM, Sp.P, 60, Tulsa.
1.6.2.4 weitere chronostratigraphische Methoden
Warvenchronologie: Bändertone, Seetone, mit 0,5-5 mm-Bänderung. Insbesondere (aber nicht ausschließlich) in Gletscherrandseen.
- helle Lagen: Frühjahr, Sommer: viel Wasser
- dunkle Lagen: organisch reich, Herbst, Winter: wenig Wasser
- Fehlermöglichkeit: nicht unbedingt jedes Jahr abgelagert, bzw. frühere Lagen z.T. wieder erodiert.
In Schweden z.T. bis 80.000 Jahre zurück. z.T. mit Pollenbiostratigraphie.
Dendrochronologie: Verwendung von Jahresringen von Bäumen.
- Frühjahr/Sommer: gröberes Gewebe, da schnelleres Wachstum
- Herbst/Winter: feinere Zelllagen, langsames Wachstum.
- älteste Bäume (USA) 3000 a und älter; in Deutschland (z.B. Obersdorf) bis ca. 2000 a.
- In Mooren auch Kombinationen möglich, z.T. bis 80.000 a zurück; ggf. auch Datierung mit C14.
Löss-Stratigraphie: Löss während Kaltzeiten aus Moränen ausgeblasen. Kalkreicher Quarzstaub, in Warmzeiten oft Bodenbildungen, damit Stratigraphie möglich.
Flussterrassen-Stratigraphie:
- in Kaltzeiten hohe schuttbildung (physikalische Verwitterung, keine oder wenig Vegetation), wenig Wasser, da das meiste gefroren ist. Aufschotterung jeweils in kurzen Tauperionden
- in Warmzeiten: wenig Schotter, viel Wasser -> Erosion
- Talverschachtelung bei Anhebung des Liefergebiets bzw. Eintiefung des Vorfluters (älteste Terrassen oben. Siehe auch Kap. 9).
Zoochronographie / Sclerochronologie:
bei Korallen meist jährliche Anwachsringe (v.a. durch Zooxanthellen wegen unterschiedlich starkem Lichteinfalls während Trocken- und Regenzeit und dadurch bedingtem unterschiedlichen Wachstumsmuster). Da auch Wassertemperaturen und andere Parameter (z.B. durch Isotopen) rekonstruierbar sind, wichtig für Klimaforschung (z.B. El-Niño-Zyklen).
Z.T. sogar Jahresanwachsringe erkenntlich; dies insbesondere bei paläozoischen Korallen. Dort auch Mondphasen und Sommer/Winter unterscheidbar. Daraus ableitbar: Devon bzw. Karbon: Jahreslänge 400 bzw. 385 Tage. => Abnahme der Erdrotation.
Chemische Zoochronographie: FUN-Methode: Fluor-Uran-Stickstoff
Im Wasser liegende Knochen reichern Fluor und Uran an, geben aber Stickstoff ab. dadurch z.T. Altersabschätzung für Pleistozän und Holozän möglich.
1.6.2.5 Radiometrische Altersbestimmung
Inzwischen unverzichtbar, erfordert jedoch genaue Fehlerabschätzung.
Prinzipien:
- gleichmäßige, von p und T unabhängige Zerfallskonstanten für radioaktive Isotope.
- Gemessen werden meist Verhältnis von Ausgangssubstanz (radioaktiv) zu Zerfallssubstanz. (z.T. auch Verhältnisse verschiedener Ausgangs- und Endsubstanzen, bei C14: Ausgangsverhältnis C14/C12 als konstant angenommen).
- Startpunkt wichtig:
- bei Abkühlung aus Schmelze (Curie-Punkt), z.B. Zirkon, Glimmer, (Feldspat)
- bei Metamorphose und Abkühlung, z.B. Glimmer, (Turmalin, Feldspat)
- bei authigener Mineralbildung. z.B. Glaukonit, (Feldspat)
- Methoden z.B.: verschiedene Uran/Blei-Verhältnisse, Rubidium/Strontium, Kali/Argon (näheres siehe Beiblätter)
Fehlerabschätzung:
- Messfehler ca. 3% absolut (z.T. etwas besser). Je älter Gestein, desto größer der absolute Fehler:
- 50 Mio a +/- 1,5 Mio a
- 500 Mio a +/- 15 Mio a
- es gibt verschiedene Möglichkeiten zur theoretischen Berechnung der Zerfallskonstanten (inzwischen weitgehend Einigung)
- Sr87 (Produkt aus Rb-Str-Zerfall) kommt auch z.T. primär im Gestein vor, Argon (Zerfallsprodukt von K-Ar) kann z.T. primär in Salzen eingebaut sein.
- Argon kann abdiffundieren, v.a. wenn Glimmer gepresst oder leicht erhitzt werden. (also am besten nur auf Kratonen und nur im Känozoikum anwenden).
- meist Gesamtgesteinsalter > Mikroklinalter > Muskovitalter > Biotitalter.
- Rb-Sr bzw. U-Pb aus Zirkonen in Magmatiten: ergibt Abkühlungsalter des Magmatits, kann viel später als Platznahme sein.
Direkte Altersdatierung von Organismen:
- U234->Thorium, z.T. in Korallen (Messbereich bis 300.000 a, falls keine diagenetische Veränderung).
- C14-N14 (Radiokarbon-Methode): für biologisches Material, z.B. Schalen, v.a. Holz: Messbereich gut bis max. 70.000 a. Gemessen wird C14/C12 -> C14'/C12.
Problem:
- C14 entsteht in Atmosphäre auch durch Ionisation.
- evtl. Änderung der kosmischen Höhenstrahlung und damit unterschiedliche atmosphärische Ausgangszusammensetzung?
Absolute Altersdatierung von Sedimenten:
- Datierung von Intrusionen oder Gängen innerhalb von Sedimenten -> Minimumalter der Sedimente
- Intrusion gekappt von Erosionsfläche, darüber Sediment: -> Maximalalter der Erosion
- Datierung von vulkanischen Aschelagen: beste Methode
- Datierung authigener Minerale, z.B. Glaukonit. Zum Teil großer Fehler (s.o., Argon-Problem).
-> kein Ersetzen der Biostratigraphie, ermöglicht jedoch absolute Eichpunkte. Dazwischen kann durch Biostratigraphie weiter unterteilt werden und ggf. absolut interpoliert werden.
1.6.2.6 Magnetostratigraphie
vgl. Beiblatt 3.
Remanenter Magnetismus: Fe-Oxide richten sich bei Sedimentation oder in Schmelze nach Erdfeld aus.
Magnetische Reversals:
- synchron, weltweit, bekannt durch DSDP (ODP) ->ergibt ozeanisches Streifenmuster.
- Ablauf noch unklar; innerhalb weniger 1000 a oder noch schneller?
- jetztige Periode: seit 700.000 a, oft viel kürzer.
- nur in Verbindung mit Biostratigraphie oder absoluter Altersdatierung: erhöht unter Umständen stratigraphische Auflösung.
- Schwierigkeiten: Bioturbation, wechselnde Sedimentations-/Produktivitätsraten.
- Magnetostratigraphische Karte ab Kreide etabliert, zuvor schlecht untersucht. (ältester Ozean mittlerer Dogger, ca. 180 Mio a, geht prinzipiell auch früher).
1.6.2.7 Strontium-Stratigraphie
vgl. Beiblatt
Empirische Kurve. Strontium wird in Organismen eingebaut, Gerichteter Verlauf der SR 87/86-Verhältnisse (kontinuierliche Zunahme wegen Rubidium-Zerfalls, welcher Sr87 ergibt. Verhältnisse zeitspezifisch, gut etabliert seit Miozän, auch bereits für frühere Zeitabschnitte angewandt.
1.6.2.8 Biostratigraphie
Brainstorming: welche Organismen eignen sich gut für Biostratigraphie? Im flachmarinen, in der Hochsee, im tropischen, im kühlen, auf dem Festland? Welche zu welcher Zeit (näheres dann in späteren Kapiteln)
Basiseinheit: Biozone. Mehrere Biozonen können zu einer Chronozone zusammengefasst sein. Eine Chronozone stellt auch die Korrelation zeitgleicher Biozonen bzw. Biozonen-Gruppen aus verschiedenen Faziesbereichen dar.
Typen:
- Assemblage-Zone (~"Vergesellschaftungszone", ~"Faunenzone"): Es wird nur die statistische Verteilung von Organismentaxa verwendet. Nähere Zeitverbreitung der Organismen ist nicht bekannt. Ergibt nur bei statistischer Auswertung (Quantitative Biostratigraphie) verwertbare Ergebnisse. Außerdem darf sich die Fazies nicht ändern.
- Range Zone (Artzone, "Verbreitungszone"). Die klassische Grundeinheit der Biozonen. Definiert durch das bekannte Erstauftreten und Verschwinden einer Art (die Obergrenze einer Artzone wird genaugenommen nicht durch das Verschwinden der Art definiert, sondern durch das Auftreten einer neuen Leitart, welche möglichst im Aussterbebereich der tieferen Art liegen sollte). Gliederung durch Artzonen wurde früher als "Orthostratigraphie", alles andere als "Parastratigraphie" bezeichnet.
Die Artzone basiert auf dem Leitfossilkonzept. Die Art sollte folgende Eigenschaften besitzen
- Möglichst kurze Taxon-Lebensdauer
- möglichst weite Verbreitung (also nicht endemisch oder nur regional)
- möglichst häufig (dadurch auch zeitliche Verbreitung gesicherter)
- möglichst faziesunabhängig
- möglichst leichte Erkennbarkeit
weitere Begriffe:
- Verbreitung:
- pandemisch, global: weltweit, z.B. einige Kreideammoniten
- provinziell (meist breitengradabhängig), z.B. boreal, tethydisch
- endemisch: häufig sehr schnelle Entwicklung, gute Leitfossilien, aber nur lokal anwendbar
- disjunkt: weit verbreitet, aber nur lokale Funde mit großen lateralen Lücken: geringe Populationsdichte bzw. Erhaltungsfähigkeit.
- nekrotisch: Einzelfunde können weit verdriftet sein.
- Wichtig auch Ausbreitungsgeschwindigkeit. Meist schnell, auch bei Benthos, da häufig planktische Larven, aber Ausnahmen, z.t. bei benthischen Foraminiferen, Dasycladazenen etc.
- Acme-Zone (Häufigkeitszone): Varietät der Artzone. Sie ist länger verbreitet, aber nur der Häufigkeitspeak wird für die Stratigraphie verwendet.
- Lineage-Zone (Phylo-Zone): Bei linearer Merkmalsänderung von Arten: An annähern willkürlichen Entwicklungsstellen (z.B. Länge/Höhenverhältnis überschreitet eine als Grenze definierten WErt) wird eine neue Art aufgestellt. Daran kann man dann eine neue Artzone festmachen. Phylozonen sind also spezielle Formen der Artzonen. Im Unterschied zur klassischen Artzone kann man durch Messen eines bestimmten Merkmalswertes (z.B. Länge/Höhe) auch innerhalb der Phylozone noch weitere stratigraphische Untergliederungen vornehmen. Problem: manche Merkmalsänderungen sind nur ökologisch bedingt.
- Concurrent Range Zone ("Überlappungszone", ~"Faunenzone, ~Oppel-Zone). Das Überlappungsmuster einzelner stratigraphisch relevanter Arten wird zur weiteren Unterteilung verwendet. Im Untersched zur Assemblage-Zone sind die Zeitverbreitungen der verwendeten Arten bekannt.
Grundlage der Biostratigraphie: Evolution und Aussterben
Konzepte / Theorien:
- Gradualismus: langsame Veränderung von Merkmalen als Anpassung an sich ändernde Umwelt. Artabgrenzung und Erkennen ökologischer Variabilität schwierig.
- Punktualismus: Stabile Phasen, abgelöst von schnellen evolutiven Änderungen. Prinzipien: Isolierung, adaptive Durchbrüche und adaptive Radiation.
- wohl beide Prinzipien, teils in unterschiedlichen Skalen verwirklicht. Problem auch : nicht kontinuierliche Sedimentüberlieferung und Fossilüberlieferung (z.B. wegen Meeresspiegelschwankungen). (hier auch "retikulate Speziation": +/- Kompromiss aus oben: hochfrequenter Punktualismus erklärt Gradualismus)
- Problem: Ökologische Variabilität. Beispiel Gryphaea: hat unterschiedlichen Einrollungsgrad; früher für evolutiven Trend, heute für ökologische Anpassung (Ökophänotypische Plastizität) gehalten. Aber Micraster: zunehmende Herzform ist sicherlich evolutiver Trend.
- "Normales" Aussterben: Graduelles Zurückdrüngen und Ersatz durch besser angepasste Formen. Häufig sind besonders spezialisierte Formen betroffen. Diese Spezialisierung ist oft auf relativ kurzfristiges spezielles Biotop-Angebot bzw. spezielle lokale bis regionale Umweltfaktoren zurückzuführen, bricht dies zusammen, kommt es zum Aussterben. Verdrängung aus Nische.
Durchschnittliche phylogenetische Spezies-Lebensdauer:
- Säugerarten: ca. 1-2 Mio a (~50% Aussterbben / Million Jahre
- marine Invertebraten (z.B. Bivalven, Brachiopoden). Oft sogar 10 Mio a oder mehr.
- Ausnahmen Ammoniten, Conodonten: Ammoniten ca 1 Mio a
- Conodonten-Zonen: z.T. ca. 100.000 a (concurrent range Zonen), ähnliches z.T. mit Ammoniten-concurrent range Zonen bzw. Acme-Zonen erreichbar ("Faunenhorizonte").
- Beispiel Mensch:
- Homo habilis ca. 0,5 Mio Lebensdauer (vor 2-1,5 Mio a)
- Homo erectus ca 1 Mio a Lebensdauer (1,6-300.000)
- Homo sapiens seit 100.000 a
- Gattung Homo seit 2 Mio?
- Adaptive Radiation: Faktum. Frei gewordene Nischen werden rasch neu besetzt, dabei häufig hohe Artbildung. Beispiele: Korallen im Mesozoikum (v.a. Jura), Säuger im Tertiär, nach Aussterben der Dinosaurier.
Dazu notwendig:
- (1) Aussterbeereignisse: Ökokatastrophen (z.B. die Big-Five in der Erdgeschichte, vgl. weitere Kapitel). dadurch werden viele Nischen frei; Z.B. durch:
- klimatisch (auch indirekt, via Vulkanismus)
- extraterrestrisch
- Meeresspiegeländerungen
- Krankheiten
- etc.
- oft nur relativ wenige Arten direkt betroffen, aber i.d.R. über Nahrungsnetze verkettet > Schneeball-Effekt.
- (2) und /oder adaptive Durchbrüche, z.B.:
- Scleractinia: schnelles Wachstum (porös) wg. Symbiose
- Nagetiere ab Paläozän: Nagezähne wachsen immer nach; zum ersten Mal Nüsse und harte Samen verwertbar (waren bereits seit Oberer Kreide vorhanden)
- Gras: ab Tertiär; wächst auch bei Beweidung laufend weiter, nicht an saisonale Vegetationsperioden gebunden.
- durch spezielle Backenzahnentwicklung der Pferde (ab Oligo-/Miozän) Nahrungsumstellung auf Gräser.
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Links: Die "Big Five" und andere Aussterbeereignise in der Erdgeschichte. Weitere Abbildungen hierzu siehe SW-Pdf-Skript. |
Evolutive Trends:
Konvergenz: z.B. Beuteltiere (Australien und z.T. Südamerika, später z.T. in Nordamerika eingewandert ; in Australien seit Känozoikum isoliert) und Placentatiere;
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Konvergenzbeispiel zwischen Wolf (Placenta-Tier) und Tasmanischem Beutelwolf. Aus Stanley.
>> weitere Beispiele
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vgl. Beiblatt 7
- >> unter bestimmten äußeren Umständen gibt es vergleichbare morphologische Adaptionen (funktionsmorphologische Optimierungen): "gleiche Jobs zu vergeben, gleiches Handwerkszeug nötig".
- Ausnahme: in Australien gibt es keine pferdeähnlichen, behuften, grasfressenden Beuteltiere, sondern Kängurus: früher Durchbruch eines speziellen Bewegungsapparates, der weiterentwickelt wurde (weites Hüpfen).
Iterative Evolution: Mehrfach ähnliche Abzweigungen aus einer Stammgruppe (z.B. bei Globigerinen). ergibt Probleme für Biostratigraphie, da zu unterschiedlichen Zeiten sehr ähnliche Formen auftreten, dazwischen jedoch ggf. Lücken sind.
Co-Evolution: Organismen, welche in Symbiose oder sonstiger enger Wechselbeziehung stehen, entwickeln sich gemeinsam weiter; z.B. Anpassung spezieller Blütenpflanzen an spezielle Bestäuber (z.B. Kolibris, Fledermäuse) und umgekehrt.
Cope'sche Regel: Innerhalb einer Gruppe erfolgt mit der Zeit häufig eine Zunahme der Spezialisierung, welche mit einer Zunahme der Körpergröße einhergeht. Vorteile von besonderer Größe, z.B.:
- Sieg bei Brunftkämpfen (mehr Nachkommen bzw. besseres Durchsetzen der eigenen Gene)
- mit langen Beinen schnellere Fortbewegung möglich (fürs Jagen oder Weglaufen)
- weniger Räuber, da zu groß (Beispiel Elefant, Nashorn)
- geringerer relativer Energieverbrauch (v.a. in kälteren Regionen wichtig), da Verhältnis Oberfläche zu Volumen kleiner wird.
- viele weitere Gründe je nach Formengruppe (z.B. höheres Filtrierniveau bei Crinoiden, näher am Licht bei Korallen etc.).
- allerdings: Überschreiten einer maximalen Größe ungünstig, da nicht mehr genügend Nahrung aufgenommen werden kann oder die Lebensweise nicht mehr eingehalten werden kann. Je nach Gruppe ist die absolute Größenbegrenzung stark unterschiedlich. Beispiele:
- Nuss- und Samenfresser fast immer klein (da Nahrungsaufnahme schwierig und zeitraubend ist)
- Maximalgröße bei Vögeln: Albatros, kann kaum mehr "ordentlich" starten und landen.
- Faktum: in fast allen Gruppen evolutive Zunahme der Körpergröße => Abstammung fortentwickelter Taxa i. allg. von nicht maximal entwickelten Vorfahren innerhalb der Gruppe, damit:
Besonders groß -> besonders spezialisiert, wenig flexibel -> evolutive Sackgasse (z.B. Rudisten, Kreideammoniten, Kreide-Dinosaurier)
- (vereinfachtes) Beispiel dafür heute: Elefant: groß -> muss als Pflanzenfresser immer fressen -> Zähne müssen immer mahlen -> große Zähne -> großer Kopf = schwerer Kopf -> kurzer Hals -> kurze Reichweite -> langer Rüssel und lange Stoßzähne. Aus dem heutigen Elefanten werden sich wohl kaum neue Formen entwickeln.
1.6.2.9 Geologische Zeittafel
Bausteine der Geologischen Zeittafel sind die Biozonen welche z.T. zu Chronozonen zusammengefasst bzw. lateral korreliert werden. Wichtig sind auch magnetische Polaritätszonen. Eichpunkte werden durch Radiometrie gesetzt.
Vgl. SW-Beiblatt 9
Stratigraphische Tabelle des Phanerozoikums (mit Passwort).
Detaillierte Stratigraphische Tabellen mit Meeresspiegelverlauf, Polaritätszonen, absoluten Altern, Chronozonen (mit Passwort).
Einige ungefähre absolute Alter, die man sich vielleicht merken könnte.
- Quartärbeginn vor 1.8 Mio a
- K/T-Grenze vor 65 Mio a
- Grenze Paläo-/Mesozoikum vor ca. 250 Mio a
- Grenze Präkambrium / Kambrium vor 543 Mio a
oder die "Hunderter":
- vor 100 Mio a: ca Grenze Unter-/Oberkreide
- vor 200 Mio a: ca Grenze Trias/Jura
- vor 300 Mio a: im Oberkarbon (z.B. Permokarbon-Eiszeit)
- vor 400 Mio a: ca Grenze Silur/Devon
- vor 500 Mio a: ca Grenze Kambrium/Ordoviz
oder die "Milliarden":
- vor 1 Mrd a: Grenville Superkontinent
- vor 2 Mrd a: genug Sauerstoff in Atmosphäre zur Oxidation terrestrischer Sedimente (Red Beds)
- vor 3 Mrd a: im Archaikum: Beginn verstärkten Stromatolith-Wachstums
- vor 4 Mrd a: Erdkruste mit erster kontinentaler Kruste (erste Zirkonalter 4.1-4.2)
- vor 5 Mrd a: noch keine Erde (diese wohl ab 4.87 Mrd a).
Näheres hierzu in den nachfolgenden Kapiteln.
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letzte Änderungen 13.04.2003 durch R. Leinfelder