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VI. RIFFE UND WELTKLIMA:
Schlußfolgerungen für unsere Zukunft?

Zum Abschluß wollen wir beleuchten, ob wir aus dem Studium der Jura-Riffe und ihrer Umweltbedingungen etwas über die ungewisse Zukunft unseres Globus lernen können:

Die globale Verbreitung der wärmeliebenden Korallenriffe der höheren Jura-Zeit zeigte uns die weite Verbreitung warmen Wassers und damit das ausgeglichene, warme Klima dieser Zeit auf. (Wenn Sie möchten, können Sie hier nochmals die entsprechende Abb. 58 ansehen.) Dieses relativ einheitliche Klima war durch die ausgleichende, klimapuffernde Wirkung des hohen Meeresspiegels bedingt.


Nun stieg aber der Meeresspiegel -mit einigem Hin und Her (was wir gleich diskutieren werden)- während des ganzen Juras an. Gleichzeitig kann man insbesondere auf dem nördlichen Schelf des Tethysozeans sehen, wie die Riffe und die mit ihnen zusammenhängenden Kalkplattformen zunehmend häufiger werden (Abb. 61). Der steigende Meeresspiegel unterstützte wahrscheinlich eine gewisse evolutive Zunahme der Artenvielfalt der Rifforganismen. Insbesondere brachte er jedoch mehr geeignete Plätze für die Ausbreitung der Riffe und Kalkplattformen mit sich, zumal gleichzeitig der von den Festländern gelieferte Ton- und Sand an den Küsten abgefangen wurde.

Abb. 61, Jurariffe durch die Zeit, 9 kb

Abb. 61: Sowohl Korallen- als auch Schwammriffe nehmen im Laufe des Jura auf dem Nordschelf der Tethys an Häufigkeit zu, was z.T. durch die Entwicklung von mehr Rifforganismen, insbesondere aber durch die Zunahme geeigneter Plätze im Zuge des generell steigenden Meeresspiegels bedingt war.

Allerdings haben auch die kurzfristigeren Meeresspiegelschwankungen (mit Frequenzen zwischen 50.000 und 1 Million Jahre einen wichtigen Einfluß auf die Häufigkeit von Riffen (Abb. 62): Während eines relativen Meeresspiegelstillstands oder gar fallenden Meeresspiegels gelangen wegen des größeren Gefälles mehr Ton und Sand mit den Flüssen ins Meer. Deshalb können Riffe nur in sehr flachem Wasser wachsen, wo die Wellenbewegung den Absatz von Tontrübe verhindert. Während der Anstiegszeiten des Meeresspiegels wird Ton und Sand in den sich bildenden Küstensümpfen und Ästuaren weitgehend abgefangen. Riffe und Karbonatplattformen können dann in der Regel den durch Meeresspiegelanstieg gewonnenen Raum teilweise bis vollständig einnehmen.


Interessanterweise gibt es auch einige wenige Beispiele, in denen trotz Meeresspiegelanstieges die Riffe nicht sehr gut zum Zuge kamen. Dies waren die Zeiten mit weiterer Klimanivellierung, bei denen es zu den geschilderten Sauerstoffzehrungen kam. Hier konnten sich dann nur die angepaßten Mikrobenkrustenriffe bilden.

Abb. 62, Jurariffe und Meeresspiegelschwankungen,11 kb

Abb.62: Der Einfluß höherfrequenter Meeresspiegelschwankungen auf jurassische Riffe. Nähere Erläuterungen siehe Text


Warum kam es in seltenen Fällen zu diesen Sauerstoffzehrungen in Verbindung mit (geologisch gesehen) kürzerfristigen Meeresspiegelanstiegen? Abb. 63 zeigt die Korrelation von Abfolgen oberjurassischer Ablagerungsgesteinen von Iberien, Frankreich und Süddeutschland. Gut zu erkennen ist, daß Riffe und Kalke insgesamt vor allem dann auftraten bzw. häufiger wurden, wenn der Meeresspiegel stieg. (Diese Zeiten sind mit grünen Horizontalbalken markiert.) Die Riffe setzten sich aus Korallenriffen (im Flachwasser) und Kieselschwammriffen (im tieferen Wasser) zusammen.

Nur einmal (bezogen auf den in Abb. 63 dargestellten Abschnitt) passierte Merkwürdiges: vor 143,5 Millionen Jahren fand ebenfalls ein Anstieg des Meeresspiegels statt (gelber Horizontalbalken). Dementsprechend traten auch wieder Riffe auf. Diesmal wuchsen jedoch an Sauerstoffmangel angepaßte Mikrobenkrustenriffe auch im flachen Wasser. Die anderen Rifftypen verschwanden überwiegend. Warum lag gerade hier eine Zeit des starken Sauerstoffmangels? (Allerdings darf man sich nicht einen über mehrere 100.000 Jahre Sauerstoffmangel im Flachwasser vorstellen. Wahrscheinlicher ist, daß es sehr häufig, vielleicht jeden Sommer oder alle paar Jahre, zu derartigen Zehrungen kam, vergleichbar etwa mit den heutigen Algenblüten in der Nordsee oder in der Adria.) War es Zufall? Oder war es wieder eine Auswirkung der Meeresspiegeldynamik?

Abb. 63, Korrelation von Jurariffen,11 kb

Abb.63: Wachstum von Oberjura-Riffen in Iberien, Frankreich und Süddeutschland. Die einzelnen Wachstumsepisoden sind deutlich an Meeresspiegelanstiege gebunden (grüne Horizontalbalken). Vor 143,5 Mio. Jahren kam es während eines Anstiegs (gelber Horizontalbalken) zu starker Sauerstoffzehrung und damit zum verbreiteten Auftreten von Mikrobenkrustenriffen (violett). Diese Episode fiel in einen Zeitabschnitt, in der sich wegen Erdkrustenbewegungen generell nur wenig Kalke bildeten. Nähere Erläuterungen siehe Text

Klar zu sehen ist, daß dieser Meeresspiegelanstieg in eine Zeit fiel, in der sich kaum Kalke bildeten, da sehr viel Ton- und Sandmaterial von den Hinterländern in die Meere verfrachtet wurde. Die Ursache dafür waren verstärkte Erdkrustenbewegungen (,die mit der Bildung des jungen Atlantiks in Zusammenhang stehen und zu verstärktem Festlandsrelief und damit verbunden, zu verstärkter Erosion führten). Es ist also sehr plausibel, daß das Fehlen von Riffwuchs und anderer Kalkbildung zum "Umkippen" des Klimas und der Ozeane führten. Wie aber hat man sich das genauer vorzustellen?


Dazu müssen wir uns überlegen, wie Riffe und andere Kalkablagerungen der Meere gebildet werden. Der Kalk wird fast ausschließlich durch Meeresorganismen, wie Korallen, Kalkalgen, Muscheln und Schnecken ausgeschieden, auch wenn oft nur feinste Zerreibsel (also Kalksand und Kalkschlamm) zur geologischen Überlieferung kommen. Damit wird klar, daß der Eintrag von Ton- und Sandmaterial zum Zusammenbruch der Kalkproduktion führen kann, da er diese Organismen stört (z.B. Atmungsorgane verklebt, Anheftungsflächen für Korallenlarven überschüttet oder das Wasser trübt.).

Sind die Bedingungen jedoch so, daß Kalk durch diese Organismen produziert werden kann, verhält sich die Ausscheidung stark vereinfacht nach folgender Gleichung, dem sog. Kohlendioxidgleichgewicht (Abb. 64):

Abb. 64, Kohlendioxidgleichgewicht, 5 kb

Abb.64: Das Kohlendioxidgleichgewicht

Das atmosphärische Treibhausgas Kohlendioxid ist zum Teil im Meerwasser gelöst und kann dort mit gelösten Kalziumionen Kalziumkarbonat, also Kalk bilden. Dies wird durch warme Wassertemperatur erleichtert; wichtig sind jedoch vor allem die Photosynthese von Pflanzen und insbesondere die direkte Bildung von Kalkschalen- bzw. Kalkskeletten durch Organismen. So wird dem Meereswasser durch das Wachsen der Riffe laufend gelo¨stes Karbonat und damit indirekt Kohlendioxid entzogen. Damit das Gleichgewicht erhalten bleibt, wird dieses aus der Atmosphäre wieder nachgefüllt, wodurch die Konzentration dieses Treibhausgas in der Atmosphäre abnimmt. Zwar wird durch die Atmung der tierischen Rifforganismen sowie durch die Kalkfällung selbst auch einiges an Kohlendioxid freigesetzt, welches weiterhin am Kreislauf teilnimmt, ein höherer Anteil wird jedoch über geologische Zeiträume dem gekoppelten Atmosphären-Ozean-System auf Dauer entzogen und als Kalkstein in die Erdkruste verfrachtet. (SCI-NOTE)


Wie bedeutend dieser Mechanismus für die Aufrechterhaltung des Klimas ist, soll Abb. 65 verdeutlichen: Steigt der Meeresspiegel (etwa durch eine plattentektonisch bedingte Verkleinerung der Ozeanbecken), kommt wegen der weiteren Meeresbedeckung mehr Wasserdampf zur Verdunstung. Wasserdampf ist ein zwar schwaches, aber sehr weit verbreitetes natürliches Treibhausgas und wird zu einer gewissen initialen Temperaturerhöhung in der Atmosphäre führen. Gleichzeitig wird jedoch mehr Platz für das Wachstum von Riffen und Kalkplattformen geschaffen, die nach obigem Muster dem Ozean-Atmosphärensystem wieder teilweise Kohlendioxid entziehen und so die Temperaturerhöhung im Rahmen halten. Ist das Wachstum von Riffen und Kalkplattformen jedoch aus anderen Gründen gestört, so wie in unserem Jurabeispiel durch erhöhte Erdkrustenaktivität vor 143,5 Mio Jahren, wird der initiale, durch erhöhte Wasserverdunstung bedingte Temperaturanstieg in der Atmosphäre die oberen Wasserschichten aufheizen, die dann ihrerseits weniger Kohlendioxid lösen können, welches in die Atmosphäre entweicht, diese weiter aufheizt, wodurch die oberen Wasserschichten sich weiter erwärmen, dadurch wieder Kohlendioxid an die Atmosphäre abgeben und, und, und......
Ein echter Teufelskreis, der über kurz oder lang zu einer starken globalen Temperaturzunahme und zum Erlahmen der ozeanischen Strömungssysteme führen wird, so daß es zu den geschilderten Sauerstoffzehrungen kommen kann.

Abb. 65, Kohlenstoff-Feedbacks, 12 kb

Abb.64: Kohlenstoffkreislauf während Meeresspiegelanstiegen


Wie gut, daß dies alles schon vor vielen Millionen Jahren geschah! Uns wird doch so etwas nicht passieren. Oder vielleicht doch?

Natürlich leben wir nicht in der Zeit des höheren Juras. Unser heutiges Klima ist nicht direkt vergleichbar. Sicherlich war die natürliche Gefahr des Umkippens von Klima und Ozeanen in der Treibhauszeit des höheren Juras größer als heute. Aber einige Parallelen liegen auf der Hand:


Meeresspiegel und die globale Temperatur steigen heute zwar stark, jedoch weniger stark an, als dies durch die menschliche Kohlendioxidproduktion zu erwarten wäre. Verantwortlich dafür sind wahrscheinlich auch unsere noch vorhandenen Riffe, die als Klimapuffer fungieren. Sollten wir diese jedoch vollständig zerstören, mag längerfristig gesehen der Treibhauseffekt ungeahnte Dimensionen annehmen, wenn wir an die oben geschilderten Rückkopplungseffekte denken. Welche verheerende Auswirkung etwa regionale Sauerstoffzehrung in unseren Schelfmeeren für den Fischfang hätte, wie schnell Bangla Desh, die Niederlande, Norddeutschland, die Mississippi-Region und viele andere Regionen geflutet wären und welche katastrophalen Auswirkungen sich verlagernde bzw. verwischende Klimazonen für die Welternährung hätten, muß hier nicht weiter geschildert werden. Immerhin, das Ökosystem Erde läßt sich einiges einfallen, um die schädlichen Auswirkungen unseres häufig gedankenloses Handelns zu begrenzen, etwa durch das Wachstum von Riffen oder Regenwäldern. Wir sollten aber aufpassen, nicht irgendwann einmal (und vielleicht bald) die Quittung für unser auf den Tag bezogenes kurzfristiges Handeln und unsere uneingeschränkte Technikgläubigkeit zu bekommen. Vielleicht denken Sie einmal daran, wenn Sie sich beim nächsten Schnorchelgang an einem - noch - phantastischen Korallenriff erfreuen.

Ihr Reinhold Leinfelder

JURASSIC REEF PARK, Version 1.02 d
© Reinhold Leinfelder

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Letzte Änderungen am 19. Nov. 98 durch Reinhold Leinfelder


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