Die Sonette zu Le Quattro Stagioni


La Primavera - Der Frühling

L'Estate - Der Sommer

L'Autunno - Der Herbst

L'Inverno - Der Winter


La Primavera - Der Frühling

Sonetto Dimostrativo
Sopra il Concerto Intitolato
La Primavera
Del Signore D. Antonio Vivaldi

Erklärendes Sonett
zu dem Concerto mit dem Titel
Der Frühling
von Herrn Don Antonio Vivaldi

Giunt’ è la Primavera e festosetti
La salutan gl’ Augei con lieto canto,
E i fonti allo spirar de’ Zeffiretti
Con dolce mormorio scorrono intanto:
Der Frühling ist gekommen, und festlich
begrüßen ihn die Vögel mit frohem Gesang.
Und die Quellen zum Säuseln der Zephiretten
fließen mit süßem Gemurmel.
Vengon’ coprendo l’aer di nero amanto
E Lampi, e tuoni ad annuntiarla elettti.
Indi, tacendo questi, gl’ Augeletti;
Tornan’ di nuovo al lor canoro incanto:
Während sich der Himmel mit schwarzem Mantel bedeckt,
kommen einzelne Blitze und Donner, den Frühling anzukündigen.
Doch als sie schweigen beginnen die
Vögel von neuem ihr tonreiches Lied.
E quindi sul fiorito ameno prato
Al caro mormorio di fronde e piante
Dorme ‘l Caprar col fido can’ à lato.
Und dort, auf schöner, blühender Wiese
beim lieblichen Säuseln von Blättern und Gräsern
schläft der Hirt, den treuen Hund zur Seite.
Di pastoral Zampogna al suon festante
Danzan Ninfe e Pastor nel tetto amato
Di primavera all’ apparir brillante.
Zum festlichen Ton des Dudelsacks
tanzen Nymphen und Schäfer in der geliebten Wohnung
des Frühlings zu seinem prachtvollen Erscheinen.

 

 


L'Estate - Der Sommer

Sonetto Dimostrativo
Sopra il Concerto Intitolato
L’ Estate
Del Signore D. Antonio Vivaldi

Erklärendes Sonett
zu dem Concerto mit dem Titel
Der Sommer
von Herrn Don Antonio Vivaldi

Sotto dura staggion dal sole accesa
Langue L’huom, langue ‘l gregge, ed arde il Pino;
Sciolglie il Cucco la voce, e tosto intesa
Canta la
Tortorella e ‘l gardelino.
Unter der harten Zeit sengender Sonne
leiden Mensch und Herde, und es glüht die Pinie.
Kuckuck erhebt seine Stimme, und bald singen ihr
Einverständnis Taube und Distelfink.
Zeffiro dolce spira, mà contesa
Muove Borea improviso al suo vicino;
E piange il Pastorel, perche sospesa
Teme fiera borasca, e ‘l suo destino;
Der sanfte Zephir weht, doch plötzlich
fängt Boreas Streit an mit seinem Nachbarn.
Und der Hirte klagt, denn er bangt
vor dem wilden Sturm und um sein eigenes Schicksal.
Toglie alle membra lasse il suo riposo:
Il timore de’ Lampi, e tuoni fieri
E de mosche, e mosconi il stuol furioso!
Den müden Gliedern nimmt ihre Ruhe:
Furcht vor Blitzen und wilden Donnern
und der Fliegen und Mücken wildes Schwirren.
Ah che pur troppo i suoi timor son veri
Tuona e fulmina il Ciel e grandinoso
Tronca il capo alle spiche e a’ grani alteri.
Ach, wie wahr sind seine Befürchtungen,
es donnert und blitzt der Himmel, und Hagel
bricht das Haupt der Ähren und des hohen Getreides.

 

 


L'Autunno - Der Herbst

Sonetto Dimostrativo
Sopra il Concerto Intitolato
L’ Autunno
Del Signore D. Antonio Vivaldi

Erklärendes Sonett
zu dem Concerto mit dem Titel
Der Herbst
von Herrn Don Antonio Vivaldi

Celebra il vilanel con balli e Canti
Del felice raccolto il bel piacere.
E del
liquor di Bacco accesi tanti
Finiscono col sonno il lor godere.
Der Bauer bezeugt mit Tänzen und Liedern
seine Freude über die glücklich eingebrachte Ernte.
Und von dem Saft der Rebe sind viele beschwingt.
Sie beenden mit Schlaf ihr Freudenfest.
Fà ch’ ogn’ uno tralasci e balli e canti
L’ aria che temperata dà piacere,
E la Staggion ch’ invita tanti
e tanti D’ un dolcissimo sonno al ben godere.
Jeder verzichtet auf Tänze und Lieder.
Milde Luft umschmeichelt,
und die Jahreszeit lädt ein
zum süßen Genuß eines sehr süßen Schlafes.
I cacciator alla nov’ alba à caccia
Con corni, schioppi, e canni escono fuore
Fugge la belva, e seguono la traccia;
Jäger in der Morgenfrühe ziehen zur Jagd
mit Hörnern und Flinten und Hunden.
Es flieht das Wild, und sie verfolgen die Spur.
Già sbigottita, e lassa al gran rumore
De’ schioppi e canni ferita minaccia
Languida di fuggir, mà oppressa muore.
Schon verängstigt und matt vom großen Lärm
der Flinten und Hunde droht Verwundung.
Von der Flucht erschöpft, aber auch besiegt verendet es.

 

 


L'Inverno - Der Winter

Sonetto Dimostrativo
Sopra il Concerto Intitolato
L’ Inverno
Del Signore D. Antonio Vivaldi

Erklärendes Sonett
zu dem Concerto mit dem Titel
Der Winter
von Herrn Don Antonio Vivaldi

Aggiacoiato tremar trà nevi algenti
Al severo spirar d’orrido vento,
Correr battendo i piedi ogni momento;
E per soverchio gel batter i denti;
Erstarrt zittern bei schmimmerndem Schnee.
Zum erbarmungslosen, schrecklichen Wind
ununterbrochen mit den Füßen stampfend laufen
und vor Übermaß an Kälte die Zähne aufeinanderschlagen.
Passar al foco i di quieti e contenti
Mentre la poggia fuor bagna ben cento
Caminar sopra ‘l ghiaccio, e à passo lento
Per timor di cader gersene intenti;
Ruhige und zufriedene Tage am Kamin zubringen,
während draußen der Regen viele durchnäßt.
Gehen über Eis und mit behutsamem Schritt
aus Furcht vorm Fallen bedächtig laufen.
Gir forte sdruzziolar, Cader à terra
Di nuovo ir sopra ‘l giaccio e correr forte
Sin ch’ il giaccio si rompe, e si dissera;
Kräftig gehen, ausrutschen, zu Boden fallen.
Von neuem über das Eis laufen und kräftig gehen,
bis das Eis bricht und sich öffnet.
Sentir uscir dalle serrate porte
Sirocco Borea, e tutti i Venti in guerra
Quest’ è ‘l verno, mà tal, che gioja apporte.
Bei verschlossenen Türen herauskommen hören
Schirokko, Boreas und alle streitenden Winde.
So ist der Winter. Doch - welche Freude bringt er.

Übersetzung: Werner Braun

C.N.