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Prolog

Förderkreis Alte Kirchen in Berlin und Brandenburg e.V.

Deutsche Stiftung Denkmalschutz

Wehrkirchen? -
Nein! Schutzkirchen? - Jein!

Wehrkirche? - Nein! Schutzkirche? - Jein!

Viele der mittelalterlichen Dorfkirchen haben durch ihren großen und massiven Westturm ein burgenartiges Aussehen. Dazu kommen noch die kleinen romanischen Fenster in Chor und Schiff, schlitzartige Fenster im Turm und der "Wehrbalken" zum Verschließen der großen Portale. Vor allem in der Vorkriegszeit kam dann der Begriff Wehrkirche auf. 
Nach der älteren Version wurden sie angeblich zur Abwehr der Wenden errichtet, nach anderen Interpretationen wurden sie in den Auseinandersetzungen der Wettiner mit den Askaniern im 13. Jahrhundert als "Wehrkirchen" gebraucht. In anderen Darstellungen werden vor allem die unruhigen Zeiten zu Ende des 14. und Anfang des 15. Jahrhunderts angeführt, in denen Wehrkirchen gebraucht wurden. In der Tat wurden in anderen Gegenden Deutschlands (z.B. Franken) viele Kirchenburgen gerade in diesen Jahrhundert errichtet bzw. bestehende Kirchen befestigt.

Um es gleich vorwegzuschicken, es gibt Wehrkirchen, besser Kirchenburgen, die befestigt waren bzw. Kirchen mit befestigten Kirchhofsmauern. Sie haben allerdings mit den mittelalterlichen Kirchen des Teltow nichts gemein. Oder anders ausgedrückt, den meisten mittelalterlichen Kirchen des Teltow fehlen alle Charakteristika einer "Wehrkirche" oder Kirchenburg. Trotzdem hat sich die Vorstellung bis in die jüngste Zeit gehalten und wird auch in der populärwissenschaftlichen Literatur weiter vertreten. Sogar in Auto-Karten begegnet gelegentlich der Begriff Wehrkirche (z.B. Kranepuhl; Shell-Atlas Deutschland 1998/99).

Viele der Argumente, die gegen eine Wehrkirche sprechen, sind bereits in Mertens (1974) und Pfeifer (1997) vorgebracht worden:
1. Die Fenster der spätromanischen Kirchen sind typische romanische Fenster wie sie in dieser Zeit in ganz Europa in die Dorfkirchen eingefügt wurden. Es sind keine Schießscharten (oder Schartenfenster), diese haben ganz andere Profile im Querschnitt wie ein Vergleich mit Schießscharten in einer Burg zeigt. 
2. Der "Wehrbalken" ist ein einfacher aber sehr wirksamer Verschluß von großen Portalen. In der Regel war nur die Priesterpforte durch ein Schloß verschließbar. Die anderen Portale wurden innen durch Verschlußbalken gesichert.
3. Die Querwesttürme waren sicherlich in unruhigen Zeiten auch Wachtürme, von denen ein anrückende Feinde schon von weitem entdeckt werden konnten. Allerdings taugten sie zur Verteidigung nur wenig. Lediglich eine Kirche, die Dorfkirche von Waltersdorf hatte eine Feldsteintonne im Westturm, die das erste Geschoß gegen das Turmerdgeschoß abschloß. Der Zugang zum ersten Geschoß erfolgte durch einen sehr schmalen Zugang in der Südwand des Turmes, der sicherlich sehr leicht zu blockieren war. Alle anderen Kirchen mit Querwesttürmen haben Turminnenräume mit einer Holzdecke. Die oberen Turmräume war als Zufluchtsräume nicht zu sichern. Manche Querwesttürme haben Feldsteine, die schalig abplatzen (z.B. Linthe/Fläming). Dies läßt sich nur durch eine starke thermische Beanspruchung der Feldsteine erklären. Die starke Erhitzung der Feldsteine wurde von manchen Autoren so interpretiert, daß die Kirche belagert wurde. Die Belagerer hätten große Mengen brennbares Material herbeigeschaft und angezündet, um die Verteidiger auszuräuchern. Dem ist entgegen zu halten, daß es wesentlich sinnvoller gewesen wären, das Brennmaterial auf die Portale zu konzentrieren, oder einfach das Priesterportal einzutreten. Auch zum Spalten der Feldsteine ist die Methode der Erhitzung und anschließendes Abschrecken der Feldsteine gelegentlich angewendet worden ist. Auch ist damit zu rechnen, daß bei der Urbarmachung der Feldmarken auch Brandrodung angewendet worden ist. Die zum Bau der Kirche eingesammelten Feldsteine könnten also schon vorher thermisch beansprucht worden sein. Außerdem sollten sich Reste der Holzkohle im obigen Belagerungsszenario in unmittelbarer Nähe des Querwestturms erhalten haben.
4. Viele Querwesttürme, die das "wehrhafte" Aussehen der Kirchen bewirken, sind erst viel später hochgemauert worden (15. Jahrhundert). Sie können meist nicht als Begründung für eine Wehrkirche gegen Slawen oder in den Auseinandersetzungen der Askanier mit den Wettinern herangezogen werden. Sie könnten allerdings in den unruhigen Zeiten der 2. Hälfte des 14. Jahrhundert und der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts als Schutz- und Wachürme fungiert haben.
5. Die Kirchhofmauern waren viel zu niedrig, um zur Verteidigung zu dienen. Vermutlich dienten sie nur dazu, freilaufende Haus- und Wildtiere vom Graben im Friedhof abzuhalten.
6. Keine Kirche hatte eine Wasserversorgung. Schon eine kurze Belagerung hätte die Verteidung am Wassermangel scheitern lassen.

Wir können hier zusammenfassen, daß keine der Teltow-Kirchen eine "Wehrkirche" war, die es erlaubt hätte, daß Verteidiger sich darin verschanzen konnten und sich wirksam zur Wehr setzen konnten.

Wir gehen sogar noch einen Schritt weiter und stellen auch die noch weitgehend akzeptierte Funktion als Schutzkirche in Frage. 

Auch die Funktion als "Schutzkirche" muß relativiert werden, vielleicht ist es besser von einem Sanktuarium zu sprechen. Ein Sanktuarium bietet aber nur Schutz, wenn der Angreifer die "Spielregeln" einhält bzw. das Sanktuarium respektiert. Es gibt etliche überlieferte Fälle aus der Geschichte, die zeigen, daß auch Kirchen(burgen) gestürmt und geplündert wurden.


Letzte Änderung: 16.4.2005


©Theo Engeser und Konstanze Stehr, Jühnsdorf, 1999-2005