Die vier Jahreszeiten

ein Bilderzyklus von Joos de Momper

Frühling

Inhalt

    Frühling
    Gärten
    Grosse Wäsche
    Auf dem Lande
    Die Natur im Frühling

Frühling

Zur Verbildlichung der Jahreszeiten bot der um 1550 in Nürnberg tätige Virgil Solis zwei Folgen als Muster an: In der einen stellt er den "Lencz" (Frühling) als grabenden Landmann dar, in der anderen als Triumphzug der Frühlingsgöttin Flora, die auf einem Prunkwagen thront und von weiteren Göttern begleitet wird.

Auch der Florentiner Antonio Tempesta, der bis 1630 überwiegend als Kupferstecher und Radierer in Rom arbeitete, zeigt die mit Blumen geschmückte Göttin Flora als Personifikation des Frühlings auf einem Wagen, den Tierpärchen ziehen: zwei Kälber, zwei Schafe und zwei Vögel. Das Bildfeld wird anspielungsreich gerahmt: Oben Vögel und zwei Blumengirlanden, die von einer Herme (im Altertum eine als Pfeiler endende männliche Figur) und zwei Putten gehalten werden. Seitlich je ein weibliche Personifikation von Musik und Tranz. Unten Medaillons (Rundbilder) mit den Tierkreiszeichen der Frühlingsmonate.

Tempestas Landsmann Cesare Ripa empfahl in seinem berühmten Emblembuch "Iconologia", das als Mustersammlung zur Anwendung von Sinnbildern seit 1593 in vielen Auflagen erschien, zum Thema Frühling: "Primavera ... Ein junges Mädchen, mit Myrten bekränzt, das die Hände voller Blumen hat, während in seiner Nähe junge Tiere spielen. Man malt den Frühling als junges Mädchen, da der Frühling als Kindheit des Jahres gilt, während derer die Erde voller belebender Säfte ist, die Laub, Blüten und Früchte an Bäumen und auf dem Felde wachsen lassen" (Ausgabe von 1630, Bd. III, 96).

Der Flame Joos de Momper verzichtet auf solch humanistische Bildungstradition. Als er seine Jahreszeitenfolge malte, orientierte er sich statt dessen an heimischen Vorbildern.

1565 hatte Pieter Brueghel der Ältere, der berühmte Bauernbrueghel, eine Folge mit Monatsdarstellungen für den Antwerpener Niclaes Jonghelinck gemalt, von denen heute noch fünf Bilder erhalten sind (überwiegend im Kunsthistorischen Museum in Wien). Im gleichen Jahr zeichnete er eine Vorlage für einen Kupferstich mit dem Thema "Frühling", 1568 eine zweite für den "Sommer". Nach Brueghels Tod fügte Hans Bol "Herbst" und "Winter" hinzu. Die Jahreszeitenfolge erschien schliesslich 1570 in Antwerpen bei Hieronymus Cock. Wie der Kupferstich von Pieter Brueghel schildert auch Mompers Frühlingsbild Gartenarbeit an geometrisch angelegten Beeten, eine Spalierlaube, arbeitende Bauern vor dem Haus bei ihren Tieren, ein fernes Schloss und seine Herrschaft. Kein Zweifel, dass er Brueghels Vorbild kannte und verwendete.

Dies ist kein Wunder, denn er war mit Pieter Brueghels älterem Sohn, Jan, dem gleichfalls berühmten Stilleben- und Landschaftsmaler, gut befreundet. Beide lebten in Antwerpen und arbeiteten gelegentlich zusammen. In Jan Brueghel des Älteren Einnahmeliste der Jahre 1612-13 werden sogar "Vier Jahreszeiten gemacht von Momper" erwähnt, mit dem Zusatz "die Figuren gemacht von meiner Hand à 40 Florin per Stück = 160". Ob es sich hier um unsere Bilder handelt, ist nicht zu entscheiden.

Schon die Brüder von Limburg, die als gebürtige Niederländer an französischen Höfen tätig waren, hatten als Monatsbilder Landschaften gewählt, in denen Bauern typische Arbeiten verrichten, während die Hofgesellschaft charakteristischen Vergnügungen nachgeht. Diese Zweiteilung von bäuerlicher und höfischer Lebenswelt ist noch in Pieter Brueghels Stichvorzeichnung von 1565 das Thema. Der um eine Generation jüngere Joos de Momper ist moderner. Er fügt als Einwohner der Weltstadt Antwerpen den eigenen Lebensbereich, den des Bürgers, hinzu. So bringt er das ins Bild, was zur Frühlingszeit in seiner Heimat in Stadtnähe an typischen Erscheinungen und Aktivitäten zu beobachten war.

Die gleiche Frische der Beobachtung zeigt auch das etwa gleichzeitige Frühlingslied des 1648 verstorbenen ostpreussischen Dichters Robert Roberthin.


Gärten

Aus den Kräutergärtlein mittelalterlicher Klöster entwickelten sich zuerst in Italien fürstliche Lustgärten zum Anbau delikater Obstsorten und botanischer Raritäten. Seit dem 16. Jahrhundert waren Obstgärten Teil fast jeder Schlossanlage. So legte Kurfürst Ottheinrich von der Pfalz 1544 in Heidelberg hinter der Peterskirche einen vielbewunderten Lustgarten an, in dem Apfelsinen, Zitronen, Oliven und Granatäpfel gezogen wurden. Er wurde durch einen Springbrunnen bewässert und winters mit einer Haube bedeckt und mit zwei Öfen beheizt. Auch wohlhabende Bürger besassen einen Garten. Der Stralsunder Bürgermeister Bartholomäus Sastrow sah als Junge schon 1529 in Stettin einen Garten, "der war woll excoliert; hatte darin einen schönen Carpenteich, und hart daran ein Borch gebawt". Der Obstbau war die Grundlage des feudalen und grossbürgerlichen Delikatessenkultes.

Auf den Gartenbau wurde grosse Sorgfalt verwendet, wie zahlreiche Fachbücher der Zeit belegen. Sogar Kurfürst August von Sachsen verfasste höchstpersönlich 1555 "Das köstliche Obstgartenbüchlein". Pflege und Bewirtschaftung der Gärten wurde von der Herrschaft genau überwacht. Übrigens waren viele der angepflanzten Gartenblumen schon im Altertum und im Mittelalter bekannt (Ysop, Maiglöckchen, gefiederter Hahnenkamm, Gartenhyazinthe, Straussnarzisse, Kranz-Windröschen). - Parallel zu den Obstgärten gab es im 16. Jahrhundert auch schon die ersten botanischen Gärten, meist in Verbindung mit Universitäten.

Beete, die sogenannten Parterres, wurden in geometrischen Mustern angelegt und mit Buchsbaum gerahmt. Sie waren symmetrisch-geometrisch angeordnet und in Achsen auf die Schlossarchitektur bezogen. Man bezeichnet diese frühen Gartenanlagen als "französische Gärten". Schon in Sebastiano Serlios Abhandlung über die Architektur von 1537 wurden Parterres-Muster veröffentlicht.

Vorbildliche Gartenanlagen wurden in Stichen verbreitet, wie die Gärten der Villa Medici auf dem Monte Pincio in Rom, die 1544 von Annibale Lippi für Kardinal Ricci angelegt wurden - möglicherweise an gleicher Stelle wie die antiken Gärten des Lucullus.

Maler, die - wie Joos de Momper - aus Kunsthandwerkerfamilien stammten, beobachteten schon seit langem sehr sorgfältig ihre Umwelt und die Alltagsaktivitäten der Menschen und setzten beides ins Bild, sofern ihr Auftrag dies zuliess.

Humanistisch gebildete Dichter der Zeit dagegen beschrieben für ihr hochgestelltes Lesepublikum - Adel und reiche Bürger - immer noch überwiegend phantastische, allegorisch gemeinte Szenerien. Sie bemühten den antiken Götterhimmel und verwendeten bildhafte Vergleiche, sogenannte "Metaphern", und überlieferte Ausdrucksformeln, sogenannte "Topoi". Beispielhaft ist die Beschreibung eines "locus amoenus" (lieblicher Ort; ein seit der Antike geläufiger Topos) in dem 1656 erschienenen Roman des Sigmund von Birken:



Floridans // Verliebter und Geliebter Sireno

5. Sobald sie (Venus) auf dem Berg Cythera angelanget / und einen fuss ausgesetzet / sahe man in einem augenblick den ganzen Platz / durch aufkäumung (Aufkeimen) tausenderley schöner wolriechender Blumen und Kräuter / sich in einen himlischen Lustgarten verwandlen. Die grüne Gras Smaragden / vom gelben Klee in Gold gefasset / wurden von den Thautröpflein versilbert oder beperlet: da es dann schiene / als wann die Natur den Ort / um diese wunderschöne Göttin recht zu beschauen / mit so vielen tausend Augen hätte begaben wollen. Mitten auf selbigem Lustplan / erquolle ein krystallines Bächlein: welches / unter dem schattenreichen und von tausenderley Vogelstimmen süss-erklingendem Gebäume daher-strudlend / ihm Thal-ein einen Gang suchete / aus begierde / der Nachbar-See von Ankunft ihrer Gottheiten zeitung zu bringen.



Grosse Wäsche

Grosse Wäsche war eine zeitraubende schwere Arbeit. Mit Seife, Bürste und Waschbrett gingen die Frauen ans Werk. Gespült wurde, wenn möglich, im fliessenden Wasser von Bächen oder Flüssen. Wichtig war gutes Trockenwetter. In den engen Häusern innerhalb der Stadtmauern fehlte der Platz zum Trocknen grosser Teile. So sammelte man während des Winters, wenn nur wenige Räume - oft nur die Küche - beheizt waren, die grosse Wäsche bis zum Frühjahr. Dann wurde das vergilbte Weisszeug nach der Wäsche zum Bleichen auf die frisch begrünten Wiesen vor der Stadt gelegt und eifrig begossen, damit die Sonne das Bettzeug und die im Winter gewebten neuen Leinenbahnen weiss bleichen konnte. Auch damals legten bürgerliche Hausfrauen gern Ehre ein mit dem "weissesten Weiss ihres Lebens".

Als Joos de Momper sein friedliches Frühlingsbild malte, war seine Heimat Flandern schon seit 1568 Schauplatz der achtzigjährigen Auseinandersetzungen zwischen der katholischen Weltmacht Spanien und den aufständischen Protestanten des heutigen Holland. Seit 1618 tobte auch in Deutschland der Dreissigjährige Krieg. Erst im Friedensschluss von 1648 in Münster fand Europa Ruhe. Damals schilderte der Dichter Nikolaus Peucker die Hoffnungen des einfachen Bauern:



Der Bauer spricht:

Wer wollt sich bessre Ruh erwähln:
Soldaten dürfen nicht mehr stehln,
Das Obst bleibt sicher auf dem Baum
Und hat auch auf dem Boden Raum.

Ich sitze ruhig vor der Tür
Und trink ein gutes Kännlein Bier,
Trotz´ dem Soldaten, wann er kümmt,
Dass er mir etwas tut und nimmt.

Ich bin nun wieder Herr im Haus
Es jagt mich kein Soldat hinaus,
Es zündet mirs auch keiner an;
Das hat der Friedenschluss getan!

Kommt ein Soldat ins Dorf und spricht:
Gib, Bauersmann, was mir gebricht!
So sprech ich: nein, es hat nicht Not,
Du kriegst nicht einen Mundsvoll Brot.

Mein Weib, von Zucht und Scham geziert,
Wird in Unehren nicht berührt,
Sie wohnet meiner Nahrung bei
Und ist mir, ihrem Mann, getreu!

Will ich in meinen Garten gehn,
So seh ich junge Bäume stehn,
Gepflanzt von meiner eignen Hand:
Wemm ist wohl bessre Lust bekannt?



Auf dem Lande

Auf dem Lande gibt es im Frühjahr viel Arbeit. Ist der Frost vorüber, dann lädt der Bauer den Mist auf und fährt ihn aufs Feld. Abfälle werden weggekarrt. Schäden am Hause sind zu reparieren. Neubauten werden begonnen. Umzüge mit allem Hab und Gut oder sonstige Transporte auf offenem Fuhrwerk verschob man möglichst, bis das Wetter trocken und die damals ungepflasterten Strassen wieder gut passierbar waren. Die zahlreichen Aktivitäten der Menschen im Freien erleichterten im Frühjahr auch den Bettelmönchen das Leben. Hier sind es Dominikaner mit ihren weissen Kutten, die um eine milde Gabe bitten.

Geradezu ein "Kontrastprogramm" zu Mompers Frühlingsbild bietet Sigmund von Birken am Anfang seines 1656 erschienenen Romans:



Floridans // Verliebter und Geliebter Sireno

Die Insel Cypern begunte nunmehr ihren weissen Schneeschleyer abzulegen / und an dessen stat ihren Scheitel mit einen grünen Laub= und Gras-Kränzlein zu krönen. Es ward ihr auch allbereit / ein zartes Hemd von blinkendem Goldflor / mit allerhand schönen Blümlein durch die Blum-Göttinn Flora und ihre Gespielinnen abgenehet / welches sie / an stat des Winterharnisches / anziehen solte ...

2. Die nächste See / noch ingedenk / dass aus ihrem Gäscht die Göttin Venus gebohren worden / und gewohnt / sich damit stolz zu machen / blehete und bäumte sich / in hohen Schaumbergen / bis an die Wolken / ..., Selbiges Gestad aber / als an welches gedachte Göttin / nachdem sie gebohren worden / auf eine Muschel angeländet / und woselbst sie erstlich ausgetreten / den stolzen Meereswellen nichts bevor lassend / hatte dieselben überstiegen / und eine Anzahl Berge / auch gar über die Wolken hinauf / geschanzet. Cythera / der Prinz unter denselben / thurnte ihnen allen vor / und pralte nicht minder mit dem Ruhm / dass er / vor allen Orten der Erden / die Ehre gehabt / dieser Liebs=göttin Wohnplatz zu seyn / und also mit recht der Venusberg zu heissen. Es schiene / als wann sein nunmehr wieder daher grünendes Haubt / seinen Myrten=haarschopf Himmelwarts gipflend / sich nach seiner Göttin umsehen / und dieselbe / auf Erden wieder zu kehren / ersuchen wolte.

3. Zwar er / der kleine Herzfänger (Amor) begunte nun selber seiner Frau Mutter Ohren zu belägern / und sie zu solcher Wiederkehr anzumahnen: weil er den Föbus allbereit sahe zu Wagen steigen / des vorhabens / mit Tellus wieder zu buhlen und den Frühling auf Erden zu bringen. Und weil er wol wuste / dass sodann die Schäfer und Schäferinnen sich mit ihren Heerden wieder zu Feld ma=achen // würden / achtete er seines thuns / ihnen einen Gesellen abzugeben / und seine alte Schelmereyen zu erneuern.



Die Natur im Frühling

Die Natur im Frühling erscheint dem Maler eingebunden in das tägliche Leben von Menschen und Haustieren. Eine Sau führt ihre frisch geworfenen Ferkel spazieren.

Am Rande des Weihers grasen die Rinder. Ein Mann schneidet Zweige zum Flechten von Korbwaren oder für die Füllung des Fachwerks. Ein anderer scheint Fische zu fangen mit einer Reuse an langem Stock. Frei sind nur die Fische, sofern sie dem Menschen nicht ins Netz gehen, und die Vögel: die Störche in der Luft und die Enten auf dem Wasser, die sich nun paaren und beginnen, ihre Nester zu bauen.

Der Dichter Robert Roberthin dagegen denkt weit weniger in Kategorien von Nützlichkeit. Er charakterisiert den Frühling so:

Er kleidet den entblössten Baum,
Deckt ihn mit einer Krone,
Dass unter seinem Schattenraum
Das Volk der Vögel wohne.

Wie preiset ihrer Lieder Schall
Die Wunder seiner Rechten,
Die Lerch am Tage, Nachtigall
In schauervollen Nächten!

Die Fische scherzen in der Flut
Die Herden auf der Weide,
Es schwärmt der Bienen junge Brut
Auf der beblümten Heide.

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