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Universitätsbibliothek erinnert an Alexandra,die Preußin auf dem russischen Thron

Alexandra, die ehemalige Prinzessin Charlotte, bei der Verleihung der Preise und der weißen Rose

Mit der Ausstellung eines ihrer kulturhistorisch wertvollsten Werke der Rarasammlung hat die Universitätsbibliothek der Freien Universität die Veranstaltungen zu ihrem 50-jährigen Jubiläum am 1. März 2002 begonnen: „Der Zauber der weißen Rose“. Es ist die illustrierte Beschreibung des königlichen Hoffestes in Potsdam am 13. Juli 1829 zum Geburtstag der russischen Zarin und preußischen Königstochter.

Prinzessin Charlotte (1798-1860), die älteste Tochter von König Friedrich Wilhelm III. und Königin Luise, hatte 1817 den Großfürsten Nikolaus von Russland aus dem Hause Romanow (1796-1860) geheiratet und hieß, nachdem sie zum russisch-orthodoxen Glauben übergetreten war, Alexandra Feodorowna. Nach dem Tod des Zaren Alexander I. im Jahre 1825 folgte ihm Nikolaus auf den Thron und erstmals wurde eine Preußin die First Lady im damals mächtigsten Reich Europas.

Im Juni 1829 fand in Potsdam die Hochzeit ihres älteren Bruders, dem späteren König und Kaiser Wilhelm I., mit der sachsen-weimarischen Prinzessin Augusta statt. Ein Grund für das Zarenpaar, nach Preußen zurückzukehren. Während Nikolaus seine Reise Ende Juni nach Warschau fortsetzte, blieb seine Gemahlin in Potsdam, wo sie in Sanssouci residierte. Anlässlich ihres Geburtstags am 13. Juli 1829 wurde zu ihren Ehren ein großes Fest unter dem Namen „Der Zauber der weißen Rose“ ausgerichtet. Schon als Kind hatte sich die Zarin die weiße Rose als Sinnbild gewählt. Im Familienkreis trug sie den Kosenamen „Blancheflour“, nach der Heldin des Ritterromans „Der Zauberring“ (1812). Das Werk des Romatikers Friedrich de la Motte Fouqué zählte zur Lieblingslektüre der königlichen Geschwister.

Mittelalterrezeption am preußischen Hof

In ganz Europa, und so auch am preußischen Hof, spielte damals das Mittelalter im politischen und kulturellen Denken eine wichtige Rolle. Davon zeugen nicht nur Karl Friedrich Schinkels Gemälde von Residenzen und Denkmälern im mittelalterlichen Formenkanon, sondern auch die private Sommerresidenz des Königs in Paretz, wo etwa die Kirche und einstige Schmiede im „gothischen Styl“ errichtet waren. Das Mittelalter wurde genutzt, um die eigene Herrschaft zu historisieren und zu legitimieren. Friedrich Wilhelm III. und Friedrich Wilhelm IV. war der Rittergedanke nicht fremd; die Kinder Friedrich Wilhelms III. waren Mittelalter-„Fans“. Sie lasen nicht nur begeistert die seit Beginn des 19. Jahrhunderts beliebten Ritterromane, sondern die Prinzen hatten auch auf ihrem Zug gegen Napoleon 1815 das Nibelungenlied in der Übertragung von Johannes von Müller im Tornister. So wundert es nicht, dass anlässlich des 31. Geburtstages der ältesten Tochter des Königs und jetzigen russischen Zarin, Alexandra Feodorowna, ein prachtvolles Ritterspiel in Szene gesetzt wurde, das damals seinesgleichen in Europa suchte.

Die fünfte Quadrille, die Brandenburg repräsentierte.

Drei Festakte

„Der Zauber der weißen Rose“ bestand aus drei Festakten: einem „Carrousel“, einem „beweglichen Bild im Zauberspiegel“ und einem „Ball“. Das Carrousel wurde öffentlich mit Quadrillen in Ritterkostümen auf dem Platz vor dem Neuen Palais geritten. Im Schlosstheater wurden die so genannten „lebenden Bilder neuen Stils“ vorgeführt. Im Anschluss daran fand im Schloss ein Ball in mittelalterlichen Kostümen und die Verleihung der im Wettspiel gewonnenen Preise statt. Organisiert wurde die Geburtstagsfeier von Herzog Karl von Mecklenburg, dem Onkel der Zarin, sowie Karl Friedrich Schinkel und Friedrich de la Motte Fouqué. Das Fest war das bedeutendste und prachtvollste, das jemals am preußischen Hof gefeiert wurde und erfreute sich außerordentlicher Publizität. „Der ganze Hof und höhere Adel ist schon seit gestern nach Potsdam gereist, die Wirtshäuser haben nicht alle fassen können, die Kasernen sind von den Rittern, welche im Karussell reiten, eingenommen, die Soldaten sind auf die Dörfer verlegt, die Privatquartiere sind für die mittanzenden und spielenden Damen in Beschlag genommen, kurz wie bei einer Frankfurter Krönung“, ließ Bettina von Arnim ihren Mann wissen. Und Karoline von Rochow schrieb: „Alles, was in Berlin, Potsdam und Umgegend nur irgend Präsentables aus allen Kreisen darbot, wurde dazu eingeladen.“

Für den ersten Festakt wurde ein ritterliches Reitturnier inszeniert: Um sechs Uhr abends begann es mit dem öffentlichen Schaureiten von zehn Ouadrillen in Ritterkostümen, die Preußen, Niederlande, Kurbrandenburg, Schlesien, Brandenburg, Wenden, Hohenzollern, Mecklenburg, Nürnberg und Braunschweig repräsentierten. Mit Lanze, Speer und Schwert mussten die Reiter Ringe, Scheiben und hölzerne Köpfen treffen. Nach dem festlichen Aufzug, zu dem der Königliche Hof-Compositeur Carl Blum eigens die Musik komponiert hatte, fanden die Waffenspiele statt. Das Turnier war ursprünglich als Übung für Ritter und Knappen gedacht, bei der ein Angriff mit Lanzen und Schwertern systematisch und erfolgreich durchgeführt werden sollte. Ihren Ursprung hatte diese Form des militärischen Trainings mit dem Namen „mêlée“ (Getümmel) wahrscheinlich Ende des 11. Jahrhunderts in Nordfrankreich. Im deutschsprachigen Gebiet wurde dafür der Begriff „buhurt“ verwendet. Die ritterlichen Kampfspiele aber hörten mit dem 16. Jahrhundert auf, da sich die Militärtechnik weiter entwickelte. So entstand im 17. Jahrhundert das Carrousel, „eine Art aufeinander abgestimmtes Schaureiten“, das sich im 18. Jahrhundert zur Parade entwickelte, um die Macht und den Reichtum eines Herrschers zu zeigen. Bis in das 19. Jahrhundert war es traditioneller Bestandteil königlicher und fürstlicher Festveranstaltungen. Vorbild waren natürlich auch antike Reiterspiele, wie Vergil sie etwa in seiner „Aeneis“ beschreibt.

Pflege eines weißen Rosenstockes durch allegorische Gestalten, im Hintergrund die Silhouette von Berlin.

Bewegliches Bild im Zauberspiegel

An das Carrousel schloss sich im Theater des Neuen Palais, das auch heute noch als Theater und Konzertraum genutzt wird, der zweite Festakt an, der nur für geladene Gäste vorgesehen war und ganz im Geist der Antike stand: „Lebende Bilder neuen Stils“ – nämlich solche, auf denen sich die Figuren bewegten und sprachen – stellten in allegorischem Gewand das Leben der gefeierten Zarin und ihr Sinnbild, die weiße Rose, nach. In dem Zauberspiegel, den man sich als dunklen oder schwach beleuchteten Hintergrund vorstellen kann, erschienen die Silhouetten von Berlin und Moskau oder der Sternenhimmel, vor dem sich allegorische Gestalten, etwa die Jahreszeiten, lange Texte deklamierend oder musikalisch begleitet zeigen. Schinkel allerdings erntete für seine Zeichnungen kein Lob. Zu karg fand der König die klassischen Gestalten bei den Proben und ließ sie umändern. Bettina von Arnim schrieb kommentierend: „(...) der König war böse auf ihn, daß er die lebenden Bilder zu nackt und in schwarze Kulissen eingerahmt hatte und ließ sie nach Gutdünken umändern; Schinkel war daher auch nicht bei dem Fest.“

Der Ball, der den Abschluss der Festlichkeiten bildete, fand im Grottensaal des Schlosses statt. Eine tanzende Quadrille in den Kostümen und Farben des Carrousels empfing die Kaiserin. Nach weiteren Tänzen und Reigen schritt man zur großen Tafel, nach deren Aufhebung die bei den Waffenspielen gewonnenen Preise (goldene Ketten, Pokale und Säbel) sowie in einer weißen Schleife eine silberne Rose verliehen wurden.

Dieses rauschende Fest wurde in einem handkolorierten Prachtband dokumentiert. Die Illustrationen und Lithographien, die noch bis 22. Februar 2002 im Foyer der Universitätsbibliothek zu sehen sind, zeigen die Hofgesellschaft, adelige Reiter und antikisch geschürzte Damen und belegen eindrucksvoll eines der ereignisreichsten Festlichkeiten am preußischen Hof. Auch in zahlreichen Memoiren und Briefen findet „Der Zauber der weißen Rose“ Erwähnung. „Es war zum Sterben fatigan , denn es dauerte fast zwölf Stunden", beurteilte etwa Karoline von Rochow diese außergewöhnliche Geburtstagsfeier, es ist "aber doch vielleicht einzig in seiner Art".

Dr. Gerd-H. Zuchold


Foyer der Universitätsbibliothek der Freien Universität Berlin
Garystr. 39, 14195 Berlin-Dahlem
Mo-Fr, 9-20 Uhr

Führungen:

Dr. Gerd-H. Zuchold
Tel.: 030 / 84 50 92 69

E-Mail: dr.gerd-h.zuchold@t-online.de

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