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FU-N 3-4/2000
Schwerpunkt

Die Sanierung des Lesesaals der UB ist abgeschlossen

Neue Zeiten in der Universitätsbibliothek der FU

   
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Die Sanierung des Lesesaals der Universitätsbibliothek ist endgültig abgeschlossen


Wolkenzug und Sonnenschein

VON ULRICH NAUMANN
Der Autor ist Direktor der Universitätsbibliothek

Am auffälligsten ist beim Betreten des Lesesaals das neue Dach. Anstelle der flachen vermoderten Plexiglas-Scheiben wölbt sich nun ein im Dachfirst 8,5 Meter hohes Tonnendach. Durch diese offene Architektur wird der Wechsel zwischen Sonnenschein und Regen oder der Wolkenzug unmittelbar erlebbar gemacht.

Trotz aller fachlichen Sorgfalt bei der Planung und Errichtung einen solchen Daches muss es sich erst "einwohnen". Das Dach besteht immerhin aus über 400 Einzelplatten. Dies ergibt eine Gesamtfläche von 350 Quadratmetern. Entscheidender ist aber, dass damit einige hundert laufende Meter an Fugen entstanden sind, in die sich Undichtigkeiten einschleichen können, Tropfen sind die Folge. Dieser Effekt wurde leider schon mehrfach beobachtet, konnte aber durch rasches Eingreifen der Herstellerfirma gleich beseitigt werden. Sicherlich muss erst ein ganzes Jahr mit seinen wechselnden klimatischen Bedingungen vergehen, bis wir alles im Griff haben.

Wesentlich für die Behaglichkeit in einem großen Raum ist eine gute und ausreichende Klimatisierung. Für die Lüftungstechnik wurde ein umfangreiches Gutachten in Auftrag gegeben. Daraus ergab sich, dass eine neue Anlage den Austausch von 20.000 Kubikmeter Luft pro Stunde bewältigen muss.

Um solche Luftmengen umzusetzen, musste die vorhandene Klimatechnik vollständig ausgetauscht werden. Die Benutzer bemerken davon nur die vier großen Röhren, die sich durch den Lesesaal durchziehen. Der eigentliche Kern der Anlage steht – gut schallgedämmt – im 6. Magazinstockwerk, wo er die Hälfte der dort verfügbaren Fläche einnimmt. Die Zuluft wird über einen Kanal aus einem großen Wanddurchbruch im 8. Magazinstockwerk geholt, die Abluft verschwindet auf der anderen Seite des Magazinturms durch einen Auslass im 7. Stockwerk. Die Anlage wurde leider so spät fertig gestellt, dass ein Ausprobieren der optimalen Steuerung ohne Benutzungsbetrieb nicht möglich war. Auch hier wird sicherlich ein Jahr vergehen, um den Steuerungscomputern der Anlage das optimale Wirken beizubringen.

Neues Mobiliar

Früheren Benutzern wird sofort auffallen, dass der Lesesaal nun weniger Plätze hat. Die aus der Erstausstattung stammenden breiten Tische sind verschwunden und haben neuem Mobiliar Platz gemacht. Die Anzahl der Leseplätze wurde auf etwa 210 reduziert. Allerdings war klar, dass das frühere Angebot von 330 Plätzen nur ein "Sardinenbüchsen-Angebot" war, das bei voller Ausschöpfung jedem Benutzer noch eine Arbeitsfläche von 70 x 90 cm bieten konnte. Bei dem typischen Lesesaal-Angebot großformatiger und dickleibiger Bücher war dann der Aktionsradius sehr eingeschränkt, wenn man sich auch noch Notizen machen wollte. Der Effekt war sichtbar: Viele potenzielle Benutzer drehten wieder um, wenn die Tische mit einem Benutzer besetzt waren. Die neue Ausstattung bietet jedem Benutzer einen Einzeltisch mit 90 bzw. 80 x 120 cm. Nur auf den Schmalseiten der Lesesaalgalerie mussten wir aus Platzgründen Abstriche machen, konnten dort aber weniger tiefe, dafür 125 cm breite Einzeltische aufstellen. Diese Plätze, die von den Benutzern sehr gern benutzt werden, wurden mit Strom und Einzelplatzleuchten ausgestattet. Auch viele der Einzeltische im großen Lesesaal wurden mit Strom- und Netzanschlüssen ausgestattet, um hier bequem mit mitgebrachten Laptops arbeiten zu können. Andererseits stellen wir zunächst 16 leistungsfähige Rechner bereit, die neben dem Anschluss an den Bibliothekskatalog der FUB auch den Zugriff auf unser CD-ROM-Angebot und die große, weite Welt des Internet bieten. Auch eine Textverarbeitungs-Software ist auf den Rechnern installiert.

Neue Bestandsaufstellung

Mit der Sanierung war zugleich eine Neuplanung der Bestandsaufstellung erforderlich, da die zweistöckige Regalanlage, die an den Längsseiten des Lesesaals eingebaut war, im Zuge der Bauarbeiten abgerissen wurde und in dieser Form auch nicht wieder ersetzt werden konnte.
Dennoch waren wir überrascht, dass das Medienangebot im Lesesaal kaum eingeschränkt werden musste, da wir die Zeit des Umbaus auch nutzten, veraltete Literatur aus dem Lesesaal auszusondern. Wenn uns auch die Mittel fehlen, um in jedem Fall mit Neuerscheinungen dafür einen Ausgleich zu schaffen, wollten wir lieber keine Information anbieten, als die Benutzer mit veraltetem Wissen zu konfrontieren. Es liegt andererseits am gewachsenen Charakter unseres Lesesaalbestandes, dass dieser Aussonderungsprozess sich vornehmlich auf die geringeren Bestände im Bereich der Naturwissenschaften, der Technik und der Medizin beschränkte, die im Lesesaalbestand immer nur einen ergänzenden Charakter gegenüber dem umfangreichen Bestand an allgemeinen und biographischen Nachschlagewerken, den Wörterbüchern und den geistes- und kulturgeschichtlichen Quellenwerken hatten. Insgesamt wurden 156 laufende Regalmeter neu beschafft, die ein Fassungsvermögen von etwa 30.000 Bänden haben. Durch die Baumaßnahmen unangetastet blieben die in den nachgelagerten Magazingeschossen aufgestellten Bestände, die für den Lesesaal eine Gesamtkapazität von 85.000 Bänden ergeben und ihn damit zu einem der bestandsgrößten Lesesäle in deutschen Universitätsbibliotheken machen.

Großer Lesesaal und Stiller Lesesaal

In enger Zusammenarbeit mit dem für den Bau verantwortlichen Architekten Hans-Jürgen Juschkus und den Fachleuten der Bauabteilung hatten wir eine Konzeption entwickelt, die sowohl dem Arbeiten mit moderner Technik als auch der unmittelbaren Kommunikation mit dem Medium gerecht werden soll. Sie besteht in kurzen Worten daraus, den vorhandenen Raum zu teilen und die geteilten Bereiche mit großen Glaswänden gegeneinander abzuschotten. Wir bildeten so Zonen der "Ruhe" (Stiller Lesesaal) und der "Unruhe"(Großer Lesesaal), wobei "Unruhe" nicht bedeuten soll, dass dort kein konzentriertes wissenschaftliches Arbeiten mehr möglich ist. Vielmehr wurden hier die modernen Technologien zusammengefasst und die Voraussetzungen geschaffen, dort damit zu arbeiten. Im Stillen Lesesaal wird dagegen keine Einsatzmöglichkeit für moderne Technologie geboten werden (wenn man von der Aufstellung von zwei Mikrofiche-Lesegeräten für bibliographische Nachschlagewerke absieht), so dass dort die traditionelle Kommunikation zwischen Leser und Medium weiterhin ungestört möglich ist. Erste Erfahrungen zeigen, dass beide Bereiche von den Benutzerinnen und Benutzern gleichermaßen gut angenommen werden.

Neue Arbeitskabinen

Durch die Gliederung in den Großen und den Stillen Lesesaal wurde der bisherige Zeitschriftenlesesaal aufgegeben. Damit entfielen auch die in diesem Bereich untergebrachten 12 offenen "Carrels", die durch halbhohe Holz-Glas-Konstruktionen eine gewisse "Intimität" für längerfristiges Arbeiten boten. Als Ersatz wurden unter der Galerie sieben neue, abgeschlossene Räume mit Fenstern eingebaut. Diese Räume wurden mit Einzelregalen und größeren Tischen ausgestattet. Wie begehrt solche Arbeitsmöglichkeiten sind, zeigte eine Anfrage eines langjährigen Benutzers gegen Ende der Bauarbeiten, wann er denn dort "einziehen" könne. Auch die beiden Blindenarbeitskabinen wurden in diesen Bereich integriert.

Neue Zeitschriftenauslage

Die rigorosen Personaleinschränkungen erfordern eine Konzentration des verfügbaren Personals auf wenige Auskunftstellen, um dort einen umfassenden Service anbieten zu können. Die Lesesaal-Auskunft wird erhalten bleiben müssen. Daher wurde auch eine neue Auskunfts- und Ausleihtheke beschafft und mit moderner Technik ausgerüstet. "Geopfert" werden musste jedoch die bisherige Zeitschriftenauskunft, die neu eingetroffene oder zum Binden zurückgelegte Hefte an die Benutzer ausgab, sofern die neuen Hefte nicht in der systematischen Zeitschriftenauslage bereitgestellt wurden. Dieser Service, den von 9 bis 20 Uhr anzubieten wir personell nicht mehr in der Lage sein werden, wurde eingestellt. Alle ungebundenen Zeitschriftenhefte werden in einer Selbstbedienungsanlage nach Signaturen bereitgestellt und ermöglichen dem Benutzer den direkten Zugang. Dabei wurde auch gleich eine Renovierung des Raumes vorgenommen, so dass dieser Bereich nun auch optisch als Teil unseres Lesesaalangebotes erkennbar ist.

Wir können mit dem Ergebnis unserer Sanierungsmaßnahme im Interesse unserer Benutzerinnen und Benutzer sehr zufrieden sein. Die insgesamt verbauten ca. 3 Mio. DM halten wir für eine sehr gute Investition in die Zukunft der Freien Universität Berlin. Größere "Kleinigkeiten" wie die immer noch fehlende Verschattungsanlage des Stillen Lesesaals hoffen wir noch bald zu realisieren. Andererseits müssen auch wir erst weitere Erfahrungen mit all dem Neuen sammeln, so dass geringfügige Änderungen auch in Zukunft nicht ausgeschlossen sind. Wir werden uns aber bemühen, dies nach dem lärmvollen vergangenen Jahr, für das wir unsere Benutzerinnen und Benutzer nochmals um Verständnis bitten, nun geräuschlos(er) zu bewerkstelligen.