Biochemie

120 Millionen im Netz



Schema: ,,Wissenschaftliche Voraussetzungen und Ziele für die Etablierung der RNA-Technologien``
Ein millionenschweres Netzwerk für RNA-Technologien (Ribonukleinsäuren) hat  der FU-Professor für Biochemie, Dr. Volker A. Erdmann in den letzten Jahren geknüpft. Einhundertundzwanzig Millionen DM werden in den nächsten zehn Jahren in diesen besonderen Biotechnik-Verbund fließen. Je 40 Millionen kommen vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und der Senatswirtschaftsverwaltung des Landes Berlin; weitere 40 Millionen investieren die Industriepartner.

Erdmann vermutete schon lange, daß RNA mehr sind als Botenstoffe für die genetischen Informationen. In ihre Erforschung investierte er schon die Gelder, die ihm 1987 sein Leibniz-Preis brachte. ,,Durch den Leibniz-Preis und die Unterstützung durch die FU,`` so Erdmann, ``hatten wir die Möglichkeit, Techniken zur Herstellung von RNA-Molekülen zu entwickeln.``
Diese Technologien werden seiner Meinung nach die künftige Biotechnologie und die Medizin entscheidend beeinflussen, insbesondere seit feststeht, daß Ribonukleinsäuren nicht nur die Überbringer genetischer Informationen sind, sondern wie Proteine enzymatische Eigenschaften bzw. sogar, vergleichbar den Proteinantikörpern, sehr spezifische Bindungseigenschaften haben können.

Seit 1993 trommelt Erdmann  erfolgreich für die Zusammenarbeit von wissenschaftlichen Einrichtungen und Industrie in einem Netzwerk RNA-Technologien. ,,Einfach ist es nicht gewesen``, sagt Erdmann, ,,die unterschiedlichen Interessen von Forschung und Industrie unter einen Hut zu bringen``. Etwa die Frage, wieviel Vertraulichkeit die Industriepartner beanspruchen können, ohne den Anspruch auf Information über die Neuentwicklungen der wissenschaftlichen Netzwerker zu beschneiden, birgt durchaus Konfliktpotential.
So wurde ein Organisationskonzept entworfen, das die kontinuierliche Weiterentwicklung der Grundlagenforschung und die anschließende industrielle Umsetzung dieser Ergebnisse ermöglicht. Als Dachorganisation wurde der Interdisziplinäre Forschungsverbund (IFV) gegründet, der die organisatorische Infrastruktur zur Bündelung aller Aktivitäten im Bereich der RNA-Technologien bildet und alle RNA-Projekte, sowohl die aus der Grundlagenforschung als auch die anwendungsorientierten, zusammenfaßt. Die derzeitige Mitgliederliste umfaßt etwa 100 Mitglieder aus den verschiedensten Institutionen der Region Berlin-Brandenburg. Die wichtigste Aufgabe des Dachverbandes ist die kontinuierliche Weiterentwicklung der RNA-Technologien aus dem Bereich der Grundlagenforschung in die angewandte Forschung  mit dem Ziel, neue Firmen zur Umsetzung dieser Ergebnisse in der Region Berlin-Brandenburg zu gründen. Das Netzwerk RiNA (RiboNucleic Acid) umfaßt 28 Projekte, die bereits einen eindeutigen Anwendungsbezug aufweisen. Die zentrale Einheit von RiNA ist der sogenannte Knotenpunkt. Hier wird der Bioreaktor entwickelt und die verschiedenen RNA-Moleküle, wie Ribozyme und Aptamere, werden entsprechend der Vorgaben aus dem Netzwerk entworfen und synthetisiert. Anschließend werden diese Moleküle in den Laboratorien der 28 Partner auf ihre Anwendbarkeit untersucht.
Auch für die Studenten, da ist sich Erdmann sicher, bringt diese Form der Erforschung und Erprobung bessere Möglichkeiten. Nicht nur was die Ausbildung angeht, die international konkurrenzfähig macht, sondern auch die Möglichkeit, sich die Bausteine für eine eigene Firmengründung zu suchen. Eine Firma, die NOXXON Pharma AG, starteten die beiden früheren Erdmann-Mitarbeiter Jens Peter Fürste und Sven Klußmann schon 1997 mit durchschlagendem Erfolg. Und mit Atugen Biotechnology GmbH gibt es noch einen Ableger des Netzwerkes. Sie ist eine Tochter von Rybozyme Pharmaceuticals Inc., die ihr Geld mit Ribozym-Technologie verdient, auf die sie weltweit Patente hat. Mit Atugen hat sich zum ersten Mal ein amerikanisches Biotechnik- Unternehmen in Deutschland engagiert, in einem Unternehmen, das mit einem Kapital von 50 Millionen DM auch die finanzstärkste Biotech-Neugründung in Deutschland ist.
Anne Schillo


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