Tauziehen um das Studentendorf Schlachtensee
Noch keine Einigung
Rund 1.000 Studierenden bietet das Studentendorf Schlachtensee
derzeit noch eine Bleibe (Foto: privat).
Ziemlich überraschend stand am 27. November 1998 die Meldung im
Tagesspiegel: Das Studentendorf Schlachtensee soll verkauft werden. Die
Eigner der ehemaligen Schultheiss-Brauerei, die Deutsche Bank, das Realprojekt
und die Veba-Immobilien (inzwischen sind die Deutsche Bank und die Veba-Immobilien
abgesprungen) hatten Interesse an dem Grundstück bekundet, und die
Stadt ist gewillt, es zu verkaufen. Denn im Gegenzug sollen sie ein Gelände
in Kreuzberg bekommen, um dort die ``Berlinische Galerie'' einzurichten.
Leider hat man bei dem geplanten Grundstückstausch eine kleine Sache
übersehen. Es wohnen noch etwa 1.000 Studierende im Dorf. ``Die bisher
vom Studentenwerk betriebene Wohnanlage sei unrentabel und müsse anders
genutzt werden...'', hatte Willo Göpel, Sprecher der Investoren, dem
Tagesspiegel bereits im Oktober 1998 erklärt. Unrecht hat er nicht.
Doch ``anderes nutzen'' bedeutet, dafl ein Teil der Studierenden das traditionsreichen
Dorf verlassen müssen, da wahrscheinlich der Neubau des Studentendorfes
abgerissen und durch Luxuswohnungen ersetzt wird. Damit würden nicht
nur den Studierenden Wohnraum genommen, sondern auch ein Dorf mit seiner
Lebendigkeit und Viefalt zerstört: Im Laufe der Jahre hat die studentische
Selbstverwaltung eine eigene kulturelle Infrastruktur im Studentendorf
aufgebaut, zu der nicht nur die Kneipe ``Club A18'', sondern auch
andere Freizeiteinrichtungen gehören, deren Betreuung Nebenjobs für
Studierende schaffte. Die jährlich 400 neueinziehenden Austauschstudierenden
aus allen Ländern der Welt haben im Studentendorf die Gelegenheit,
Menschen der eigenen und anderer Kulturen zu treffen und Kontakte zu knüpfen
- auch wenn das Dorf für manche nur ein Zwischenstopp ist.
Das Studentendorf Schlachtensee ist eng mit der FU verbunden. Mit den
7,5 Mio. DM, die das US-State-Department der FU spendete, wurde das Studentendorf
1959 von dem Regierenden Bürgermeister von Berlin Willy Brandt gegründet
und später dem Studentenwerk zur Nutzung überlassen. Es gehört
zu den gröflten Studentenwohnheimen Europas und wurde zu einer Begegnungsstätte
internationaler Studierender. Fluchthilfeaktionen und ein kurzer Aufenthalt
Rudi Dutschkes gehören ebenso zur Geschichte, wie der in den 80er
Jahren auferlegte Denkmalschutz. Dieser verursachte dem Studentenwerk Jahr
für Jahr ``Mehrkosten in Millionenhöhe''. Doch plötzlich
scheinen die Denkmalschutzbestimmungen egal zu sein.
Eine Sanierung ist notwendig und wurde in Teilen bereits begonnen.
Deshalb baut das Studentenwerk ebenfalls auf eine Lockerung des Denkmalschutzes.
Es wird sich aber kaum gegen die Interessen der Stadt durchzusetzen können,
zumal der Tausch für diese einen Gewinn beinhaltet.
Den Studierenden bleiben also zwei Möglichkeiten: die Erhaltung
des Denkmalschutzes unter Inkaufnahme unsanierter, dafür aber relativ
günstiger Wohnungen, oder die Wohnungssuche. Da jedoch auch die Bewohner
der Alliiertenwohnungen neue Bleiben finden müssen, zeichnet sich
eine Überschwemmung des Berliner Wohnungsmarktes ab. Die Studierenden
beginnen sich jedenfalls zu wehren: Mit tatkräftiger Unterstützung
durch die studentische Selbstverwaltung werden Unterschriften gesammelt,
Flugblätter verteilt und Kontakte geknüpft. Verhandelt wird mit
der Stadt, dem Denkmalschutz und auch mit den Investoren. Die Uhr tickt.
Wie informierte Kreise unter Berufung auf den Leiter des Studentenwerkes
Hans-Jürgen Fink berichten, wurde in Schlachtensee bereits ein Einzugstopp
bis Ende Januar verfügt.
Kristian Kiflling,
Student im Studentendorf Schlachtensee