Nachruf für Prof. Dr. rer. nat. Otto Schieder

Ein Leben für die Wissenschaft



Der Biologe Prof. Dr. rer. nat. Otto Schieder verstarb am 15. Mai 1998. Mit seinem Tod verliert die FU einen außergewöhnlichen Hochschullehrer und Forscher, der mit Arbeitsfreude, mit umfassendem Wissen und mit weltweiten wissenschaftlichen Kontakten die Lehre und Forschung am Fachbereich Biologie bereichert hat.
1985 folgte er dem Ruf an die Freie Universität auf die C4 Professur "Unkonventionelle Pflanzenzüchtung" am Institut für Angewandte Genetik und begründete hier das Fachgebiet "Somatische Zellgenetik" Damit wurde im Institut das Spektrum der Forschungsziele und der eingesetzten Methoden erweitert, die angebotene Lehre bereichert.
Mit großem organisatorischen Geschick, mit Stetigkeit und einer glücklichen Hand bei der Wahl seiner Mitarbeiter baute Otto Schieder die neue Gruppe auf und schon 1990 konnte der Laborneubau, nach seinen Wünschen konzipiert und eingerichtet, bezogen werden. Damit waren Bedingungen für eine erfolgreiche Forschung und Ausbildung des wissenschaftichen Nachwuchses geschaffen, die keinen Vergleich mit anderen Einrichtungen zu scheuen brauchten. Dies dokumentieren die zahlreichen abgeschlossenen Diplomarbeiten und Promotionsvorhaben, die Zahl der wissenschaftlichen Veröffentlichungen sowie Anzahl und Umfang der eingeworbenen Drittmittelprojekte. Otto Schieder führte seine Gruppe, er verstand es, die Mitarbeiter zu motivieren und Aufgaben zu delegieren.
In der Lehre engagierte sich Otto Schieder im botanischen Grundunterricht, sein engeres Fachgebiet vermittelte er den Studierenden im Hauptstudium. Daß er die Studierenden neugierig auf sein Fachgebiet machte, belegt die lange Warteliste von Examenskandidatinnen und -kandidaten auf einen Arbeitsplatz in seiner Gruppe. Otto Schieder war kein Einzelforscher. Er suchte die wissenschaftliche Kooperation und arbeitete mit führenden Gruppen seines Fachgebietes im Inland und herausragenden ausländischen Fachkollegen zusammen. Die vielen Aufenthalte von Gastforschern in seinem Labor unterstreichen seine Kooperationsbereitschaft. Außerdem arbeitete Schieder engagiert in verschiedenen Funktionen in der akademischen Selbstverwaltung mit.
Otto Schieder hat in Köln, Kiel und Bonn Botanik, Genetik und Biochemie studiert, war Schüler von Prof. Joseph Straub am Max-Planck-Institut für Züchtungsforschung und promovierte 1967 in Köln. 1978 habilitierte er sich mit dem Thema "Somatische Hybridisierung bei Pflanzen" in Bochum und war dann 1980-84 Leiter einer  selbständigen Arbeitsgruppe (C3) am MPI für Züchtungsforschung in Köln.
Aus dem Anfang der 70er Jahre stammen die ersten Arbeiten zur Isolation, Regeneration und Fusion pflanzlicher Protoplasten und zur Selektion einer somatischen Hybride nach Fusion auxotropher Mutanten von Sphaerocarpos donnellii. Später wurden diese Untersuchungen auf Vertreter der Solanaceen ausgedehnt, insbesondere auf Datura-Arten. Schon früh ist Otto Schieder an Studien beteiligt, in denen die Vererbung von Genen untersucht wurde, die mit Hilfe des Ti Plasmids von Agrobacterium tumefaciens in fremde Zellen übertragen wurden (1981).
Regeneration von pflanzlichen Zellen und Protoplasten, die asymmetrische somatische Hybridisierung zur Übertragung von Krankheitsresistenzgenen aus einer fremden Art, die Transformation von Zellen und Protoplasten, Insertionsmutagenese mit Hilfe transposabler Elemente und Untersuchungen zum horizontalen Gentransfer waren die Forschungsschwerpunkte der ersten 10 Jahre in Berlin. Darüber hinaus konzentrieren sich in den letzten Jahren die Arbeiten auf Fragen der Regulation der Speicherproteinbiosynthese, der Isolation von Speicherproteingenen, Themen mit anwendungsbezogenen Perspektiven für gentechnisch veränderte Nutzpflanzen, wie z. B. Kartoffeln oder Leguminosen. Jüngster  Forschungszweig in der Gruppe sind Arbeiten zur Aufklärung des RNA-Editing in Pflanzen, des Gentransfers aus den Mitochondrien in den Kern, des Zusammenspiels mitochondrialer und nukleärer Genexpression.
Sein Tod reißt eine nicht zu füllende Lücke auf. Ihm zu danken für seinen Einsatz, heißt für die, die ihm wissenschaftlich nachfolgen, auf dem von Otto Schieder markierten Weg voranzugehen und sein Werk fortzuführen.

Prof. M. D. Sacristan/ Prof. W. Odenbach a.D., FB Biologie


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