Streik offiziell beendet
Der Protest im Spiegel der Medien
Nachdem bereits vor Weihnachten der Studienbetrieb an den westdeutschen Universitäten wieder regulär weiterging, haben auch die Studierenden der Berliner Hochschulen den Streik in der ersten Januarhälfte für beendet erklärt. Sieben Wochen dauerte der Ausna hmezustand an der FU. Am 14. Januar erklärte ihn die studentische FU-Vollversammlung offiziell für beendet. Zu dem Zeitpunkt hatte die Realität in den Seminaren den Beschluß allerdings schon weitgehend überholt: Dort machten sich Dozenten und Studierende längst Gedanken darüber, wie man das Semester retten kann. Im Gegensatz zu früheren Streiksemestern funktionierte das weitgehend einvernehmlich, weil der Unmut über das Kürzungsdesaster beide Seiten einte.
Seit Dezember bestimmten Streik und Proteste das Bild der Universität in den Medien (Foto: David Ausserhofer).
Auf die zeitweisen Versuche des AStA und einzelner Gruppierungen, die Ursachen des Streiks zu ideologisieren und die FU durch gezielte Provokationen wie Besetzungen der Rostlaube und massive Störungen von Gremiensitzungen zu polarisieren, fiel die Masse der Studierenden nicht herein, weil sie mehr Lehrende und Bücher wollen und nicht Systemveränderung. Der AStA scheiterte auch damit, FU-Präsident Gerlach zum Buhmann zu machen. Er hatte sich gleich zu Beginn des Streiks mit den Zielen der Studierenden solidarisiert und die Dozentinnen und Dozenten aufgefordert, auch in Lehrveranstaltungen mit den Studierenden über die Misere der Hochschulen zu diskutieren.
So verwunderte es kaum, daß sich Lehrende und Lernende Anfang Januar meistens schnell auf Ersatztermine für ausgefallene Veranstaltungen und Prüfungen einigten. Auch in Blockseminaren, zum Teil sogar an Wochenenden, wurde bereits bzw. wird noch innerhalb d er restlichen Vorlesungszeit das Versäumte nachgeholt. Auf Blockseminare verständigten sich die Beteiligten vor allem in den Fachbereichen, in denen die Streikmoral besonders ausgeprägt und demzufolge verhältnismäßig viele Lehrveranstaltungstermine ausgefa llen waren. Sie blieben aber die Ausnahme. Insgesamt zeigte sich in den meisten Bereichen schon nach einer ersten Schadensbilanz sehr bald, daß die Notprogramme wesentlich moderater als erwartet ausfallen würden. Sie bestätigte zum Glück nicht das unison o von den Medien gezeichnete Bild, das sich mehr auf AStA-Verlautbarungen und Vollversammlungsbeschlüsse stützte als auf eigene Recherchen in den Fachbereichen. Hätten die Studierenden die Lehrveranstaltungen tatsächlich konsequent in dem Umfang boykottier t, wie es die Medien aus Sympathie für die berechtigten Forderungen der Studierenden darstellten, wäre für viele das Semester verloren gewesen, weil sie dann weit mehr als 15 Prozent der Veranstaltungen versäumt hätten. Diese Toleranzgrenze ist in den meis ten Studienordnungen festgelegt. So aber hielt sich der Boykott in Grenzen: Ein bis zwei ausgefallene Termine pro Seminar waren eher die Regel als die Ausnahme.
Ob das Ende des Streiks auch das Ende der Proteste gegen den Sozialabbau und die Bildungsmisere im allgemeinen und die katastrophale Kürzungspolitik des Berliner Senats im besonderen sein wird, bleibt abzuwarten. Der studentische Kongreß Anfang Januar in d er TU erreichte zumindest, daß sich Wissenschaftssenator Radunski bereit erklärte, sich mit den Studierenden und Vertretern anderer Bildungseinrichtungen an einen Runden Tisch zu setzen, um gemeinsam nach Lösungen zu suchen. Keinen Zweifel ließ er jedoch an seiner Position zur gegenwärtigen Finanzierung der Universitäten: Die geltenden Verträge werden nicht nachverhandelt. Diskussionsbedarf gebe es mit den Hochschulen jedoch über die Verlängerung der Verträge über das Jahr 2000 hinaus. Die Verhandlungen sollen bereits Ende März beginnen.
Uwe Nef
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