Einrichtung von Promotionskollegs

Gemeinsam statt einsam zum Doktortitel


Mit dem Ziel, die Doktorandenausbildung an der FU zu verbessern, hat der Akademische Senat im Februar die Einrichtung von Promotionskollegs beschlossen. Begonnene Dissertationen würden zu oft abgebrochen, das Promovieren dauere zu lange und vor allem sei das Alter der Doktoranden nach Abschluß zu hoch, heißt es in der Begründung. Die Promotionskollegs sollen nun nach Vorbild der Graduiertenkollegs das Doktorandenstudium systematisieren - und vor allem die Einbindung der Promovenden in den Forschungsbetrieb verbessern. Doch es gibt einen großen Unterschied: Die Promotionskollegs sind nicht mit einem Stipendium verbunden. Die Doktoranden müssen sich um ihre Finanzierung selbst kümmern.

Eine intensivere Betreuung und der stärkere Kontakt unter den Doktoranden stehen im Vordergrund der Kollegs - sowie die Kooperation mehrerer Professoren. Wie bei den Graduiertenkollegs schließen sich mindestens drei Professoren zusammen, um ein Promotionskolleg einzurichten. Sie müssen einen einheitlichen thematischen Rahmen abstecken und Veranstaltungen von mindestens vier Semesterwochenstunden planen, in denen sich die Doktoranden mit Methoden und Inhalten der eigenen aber auch benachbarter Forschungsgebiete vertraut machen können. Ab Juli nimmt die Universitätsverwaltung die Anträge entgegen: Den bewilligten Kollegs winken ab dem Wintersemester Sachmittel bis zu 30.000 DM pro Jahr, mit denen Gastreferenten eingeladen oder Exkursionen finanziert werden kön nen. Ein Teil des Geldes kommt aus dem eigenen Haushalt, der Rest wird über das Hochschulsonderprogramm III von Bund und Ländern finanziert.

Mindestens acht Doktorandenplätze sind pro Kolleg vorgesehen. Studierende müssen sich bewerben, um Mitglied zu werden. Ist der Andrang zu groß, dürfen sich die Professoren die besten aussuchen. Ein Plus gegenüber dem Promovieren außerhalb der Kollegs: Wer regelmäßig die Kolloquien besucht, übt den wissenschaftlichen Diskurs mit den anderen Promovenden und lernt, auch die eigenen Forschungsresultate vorzustellen. Alles Qualifikationen, die von Nachwuchswissenschaftlern erwartet werden, die aber im Uni-Betrie b oft nicht gelernt werden. In der Vermittlung dieser wichtigen Kompetenzen haben sich die Graduiertenkollegs als äußerst erfolgreich erwiesen; die Promotionskollegs sollen daran anknüpfen. Während im angelsächsischen Raum ein systematisches Graduiertenstu dium selbstverständlich sei, gebe es in Deutschland große Defizite, sagt Traugott Klose, Leiter der Abteilung für Angelegenheiten von Lehre, Studium und Weiterbildung. So ist denn auch in einer Studie aus dem Jahr 1990 zu lesen, daß die Ausbildung des wiss enschaftlichen Nachwuchses an den deutschen Hochschulen meist "unbedacht, scheinbar en passant zum täglichen Lehr- und Forschungsbetrieb" erfolgt. Selbst die Hochschulrektorenkonferenz hat bereits eine Reform der Doktorandenausbildung in Deutschland angema hnt. Im Sommer vergangenen Jahres hat sie in einer eigenen Entschließung die Einrichtung von Promotionskollegs gefordert.

Die FU kommt dem nun als eine der ersten Hochschulen in Deutschland und als erste Berliner Universität nach. Jährlich stehen ihr dafür 100.000 DM zur Verfügung. "Zunächst sind drei Promotionskollegs vorgesehen", sagt Klose, "wir hoffen aber, die Zahl in den nächsten Jahren schrittweise zu erhöhen." Zusammen mit den zur Zeit acht Graduiertenkollegs an der FU sollen langfristig insgesamt 20 Kollegs eingerichtet sein - "vorbehaltlich der Finanzierung", schränkt der Abteilungsleiter ein.

Unter Professoren und Studenten stößt die Initiative der Universitätsverwaltung rundum auf positives Echo - vor allem in den Geisteswissenschaften. "Gebe es so ein Kolleg in meinem Fachgebiet, dann würde ich sofort dabei sein", sagt Katja Bergmann, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Zentralinstitut für Fachdidaktik. Sie selbst fühle sich durch ihre Tätigkeit an der Hochschule zwar eingebunden in die Arbeit ihrer Professoren, doch für die Dissertation bringe das trotzdem wenig: Ein Forschungskolloquium gebe es nicht und ihre Betreuerin trifft sie nur alle drei Monate, um über die Doktorarbeit zu sprechen. "Wir Doktoranden dümpeln so vor uns hin", bringt sie es auf den Punkt.

Professor Gert Mattenklott, Dekan am Fachbereich Germanistik, weiß, daß die fachliche und soziale Isolation für viele Doktoranden in der Germanistik Wirklichkeit ist - vor allem für die, die keine Stelle an der Hochschule haben. Er spricht von einer "starken Individualforschung", durch die die Geisteswissenschaften geprägt sind. Deshalb dürften nach seiner Meinung die angestrebten Kollegs nicht in jedem Fall das Ziel einer Doktorandenförderung sein. "Die thematische Standardisierung ist in den Kollegs sehr hoch", gibt er zu bedenken. Trotzdem sei die Einführung eines systematischen Graduiertenstudiums "ohne jede Einschränkung positiv".

In den Naturwissenschaften ist die Lage der Promovenden in der Regel besser. Drittmittelstellen sind hier häufiger, oft trifft man sich täglich in den Labors oder benutzt die gleichen Geräte. "Die Isolation ist bei uns nicht das Problem", sagt Professor El mar Hartmann, Dekan des Fachbereiches Biologie. "Wir machen bereits sogenannte Progress-Seminare, wo auch die Doktoranden mitwirken." Promotionskollegs hält er trotzdem für wichtig: "Der Vorteil ist, daß man ohne komplizierte Anträge bei anderen Einrichtun gen hochkarätige Leute auch aus dem Ausland an den Fachbereich holen könnte".

"Das Tolle sind natürlich die Gastvorträge", sagt auch Hans Mielke, der im Graduiertenkolleg "Algorithmische Diskrete Mathematik" promoviert. "Schwer ist allerdings, daß man beim Promovieren auch im Kolleg vor allem auf sich gestellt ist", gibt er zu. "Wichtig war mir bei der Aufnahme in das Graduiertenkolleg dann auch die fachliche Bestätigung. Daß da jemand sagt: Wir trauen dir das zu, daß du die Dissertation hinkriegst."

Studien sprechen von "unterschiedlichen Promotionskulturen", die sich in den einzelnen Fächern herausgebildet haben. In der Mathematik ist die Dissertation nicht die Regel und gilt meist als Start in die wissenschaftliche Laufbahn. In Biologie und Chemie g ehört sie für viele zur Ausbildung dazu, und die Mediziner beginnen schon vor ihrem ersten Staatsexamen mit der Doktorarbeit. Die meisten Studierenden promovieren aus fachlichem Interesse, andere suchen darin lediglich einen Prestigegewinn und bessere Chancen beim späteren Berufseinstieg. Wieder andere beginnen die Promotion, um einen Berufseinstieg hinauszuzögern. In jedem Fall gleicht das Doktorstudium für viele einer Ochsentour, die größte Disziplin und Durchhaltewillen verlangt. Promovieren im Kolleg kann erleichtern, dies alles aufzubringen.

Mit wenig Geld neue und effiziente Strukturen aufzubauen, ist genau das, was man sich für diese Zeit wünschen kann. Doch als Reform möchte man den Vorstoß noch nicht bezeichnen. "Die FU hat 2000 Promovenden zur Zeit", weiß Klose. "Angenommen, man habe bald 20 bis 30 Kollegs mit jeweils 10 Studenten. Dann sind trotzdem nur rund 15 Prozent der Doktoranden der FU einbezogen." So ist die Einrichtung der Promotionskollegs zwar keine Reform, aber ein guter erster Schritt dahin.

Vasco Alexander Schmidt


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